Flüchtlingsunterkunft am Festplatz in Sinntal Sannerz
Der Mangel an geeigneten Einrichtungen für die Unterbringung von Geflüchteten ist nicht nur in Sachsen, sondern auch in den anderen Bundesländern ein Problem – die Landkreise sind am Limit. (Archivbild) Bildrechte: IMAGO / MedienServiceMüller

Heim-TÜV Flüchtlingsrat bemängelt fehlende Langzeitplanung von Geflüchtetenunterkünften

12. September 2023, 07:43 Uhr

Zelte, Container, Hotels, eigene Wohnungen – die Unterbringung von Flüchtlingen in Deutschland kann ganz unterschiedlich aussehen. Die Art der Einrichtung ist derzeit aber nicht das Hauptproblem, sondern dass es generell nicht genügend Unterbringungsmöglichkeiten gibt. Der sächsische Flüchtlingsrat fordert deshalb von den Landkreisen eine bessere Langfristplanung.

Was macht eine Unterkunft für Geflüchtete menschenwürdig? Einklagbare rechtliche Mindeststandards, die das beantworten, gibt es nicht, nur Soll-Vorgaben. Und deren Einhaltung ist nicht selbstverständlich. Aus diesem Grund hatte Sachsens ehemaliger Ausländerbeauftragte, Martin Gillo bereits 2010 einen sogenannten Heim-TÜV eingeführt. Nach wissenschaftlichen Kriterien ließ er Flüchtlingsunterkünfte prüfen.

Mittlerweile gibt es sechs dieser TÜVs. Doch mit der Veröffentlichung endete die Zuständigkeit. Denn der Ausländerbeauftragte ist den Landkreisen gegenüber nicht weisungsbefugt, die für die Unterbringung verantwortlich sind. Für den sächsischen Flüchtlingsrat sei das die größte Kritik, sagt Sprecher David Schmidtke. Die Ergebnisse würden zwar öffentlich diskutiert, aber im Fall eines Missstandes gebe es keine rechtlich bindenden Konsequenzen. Am Ende sei es nur ein zahnloses Instrument.

Positivbeispiele statt schlechte TÜV-Berichte

Schlecht geführte Einrichtungen würden außerdem mittlerweile im Heim-TÜV-Bericht nicht mehr erwähnt, sagt die Geschäftsstelle des Ausländerbeauftragten. Man wolle Kommunen oder Landkreise nicht bloßstellen, stattdessen positive Beispiele aufzeigen.

Der sächsische Landkreistag begrüße diesen Umgang, sagt Sprecherin Veronika Müller. "Also insgesamt denke ich schon, dass es wichtig ist, zu wissen, auch für die Unterbringungsbehörden, wie die Bewertung ist. Denn an guten Beispielen kann man lernen und wenn irgendwo Verbesserungsbedarf besteht, ist das immer dienlich zu wissen."

Priorität darauf, überhaupt Unterbringungsmöglichkeiten zu finden

Zumal die Landkreise nicht alle Faktoren beeinflussen könnten. Und aktuell müssten die Landkreise sowieso weniger Prioritäten auf die Qualität der Unterkünfte legen, gibt Müller zu bedenken. "Im Moment sind die Unterbringungsbehörden wirklich froh über jede Unterkunft, die sie kriegen können. Wir haben ja so viele Menschen unterzubringen wie noch nie vorher."

Die Situation des Wohnungsmarkts oder von geeigneten Objekten sei schwierig. Man könne sich nicht aussuchen, wo die Menschen untergebracht werden sollen, sagt Müller. "Wir sind froh, überhaupt geeignete Unterkünfte zu finden und unser oberstes Ziel bleibt auf jeden Fall die humanitäre Unterbringung. Möglichst ohne Provisorien."

Flüchtlingsrat: Langfristige Planung nicht vorhanden

Auch der Flüchtlingsrat sieht ein, dass in der aktuellen Lage die Quantität der Unterkünfte Vorrang zur Qualität habe. Doch diese Probleme seien hausgemacht, sagt Sprecher Schmidtke: "Unsere Kritik ist ja, dass man immer wieder bei der Unterbringung nur ad hoc reagiert. Man reagiert nur auf die Zahlen von den Menschen, die ankommen. Und dass, obwohl man eigentlich aus den Erfahrungen von 2015/2016 bis jetzt abschätzen könnte, dass man das Thema Migration und damit entsprechend auch die Unterbringung langfristig gestalten muss."

Dann sei klar, dass die geschaffenen Kapazitäten, auch für einen Zeitraum erhalten werden könnten, wenn weniger Menschen ankommen, erklärt Schmidtke.

Auch wenn die Prüfergebnisse einzelner Heime in den am Dienstag vorgestellten Berichten nicht veröffentlicht werden, so liegen sie dennoch vor. Interessierte Landräte können daher die Ergebnisse aus ihrem Landkreis einsehen. Allzu oft sei diese Möglichkeit in der Vergangenheit allerdings nicht genutzt worden, heißt es aus der Geschäftsstelle des Ausländerbeauftragten.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL RADIO | 12. September 2023 | 06:17 Uhr

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