Zahlreiche Besucher sind auf dem Jungfernstieg zwischen verschiedenen Ständen unterwegs.
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Tag der Deutschen Einheit 700.000 feiern Wiedervereinigung in Hamburg

03. Oktober 2023, 20:15 Uhr

Auf Hamburgs Straßen haben Hunderttausende Menschen beim Bürgerfest den Tag der Deutschen Einheit gefeiert. Beim zentralen Festakt in der Elbphilharmonie mahnten Redner Zusammenhalt und Gemeinsinn an. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier zog 33 Jahre nach der Wiedervereinigung eine kritische Bilanz.

Rund 700.000 Menschen haben in Hamburg das zweitägige Bürgerfest zur zentralen Einheitsfeier besucht. Ein Sprecher der Stadt sagte, heute seien rund 400.000 Menschen zu der Party in die Innenstadt gekommen.

Wüst: "Nach formaler auch gesellschaftliche Einheit schaffen"

Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Hendrik Wüst mahnte beim Bürgerfest die Politik, nach der formalen auch gesellschaftliche Einheit zu schaffen. Wüst sagte, man müsse den Leuten immer wieder reinen Wein einschenken, wie die Herausforderungen der Zeit seien. Gerade das Thema Zeitenwende und der Krieg in der Ukraine brächten Herausforderungen und Schwierigkeiten mit sich, an denen man zu arbeiten habe.

Hamburg hat gerade den Vorsitz im Bundesrat und deshalb die Feier zum Tag der Einheit ausgerichtet. Im kommenden Jahr ist Mecklenburg-Vorpommern Gastgeber.

Zentraler Festakt in der Hamburger Elbphilharmonie

Menschen besuchen einen Festakt anlässlich der Feierlichkeiten zur deutschen Wiedervereinigung in der Elbphilharmonie.
Rund 1.300 Gäste waren zur zentralen Einheitsfeier in die Hamburger Elbphilharmonie gekommen. Bildrechte: picture alliance/dpa/Pool AP | Gregor Fischer

Beim zentralen Festakt in der Elbphilharmonie rief Bürgermeister Peter Tschentscher zum Zusammenhalt auf. Der SPD-Politiker sagte, nicht Populismus und Polarisierung, sondern Gemeinsinn und Kooperation seien das Gebot der Stunde. Nur ein starkes demokratisches Deutschland könne Verantwortung übernehmen für ein starkes Europa, das sich für Frieden, Demokratie und Menschenrechte einsetze. "Dafür tragen wir alle Verantwortung."

Der Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Stephan Harbarth, mahnte an, den Staat mit seinen Institutionen und Regularien einfacher und effizienter zu gestalten. Die Geschwindigkeit staatlicher Entscheidungen und ihrer Umsetzung halte mit dem Tempo, in dem sich die Wirklichkeit verändere, immer weniger mit.

Unter den 1.300 Gästen in der Elbphilharmonie waren neben Bundeskanzler Olaf Scholz und Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier auch die Regierungschefs der Länder.

Steinmeier: "Ostdeutsche haben das Gefühl, nicht gesehen zu werden"

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat 33 Jahre nach der deutschen Wiedervereinigung eine kritische Bilanz gezogen. Er sagte in den ARD-Tagesthemen, bei der Infrastruktur, den Rentenwerten und dem Haushaltseinkommen gebe es zwar Verbesserungen. Aber es gehe nicht nur um das Materielle, sondern um das Gefühl, gleichwertig zu sein. Da gebe es "Unwuchten". Viele Ostdeutsche hätten das Gefühl, dass sie nicht gehört und gesehen werden. Als Beispiel nannte Steinmeier die Anzahl von Ostdeutschen in Führungspositionen in Bereichen der Wirtschaft, der Wissenschaft und auch der Medien.

"Viele Ostdeutsche haben das Gefühl, dass sie nicht gehört und gesehen werden."

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier

Ihnen sei signalisiert worden, ein falsches Leben gelebt zu haben. Deshalb müssten auch die Westdeutschen kritisch mit sich ins Gericht gehen. Die ostdeutschen Geschichten müssten mehr Teil der gemeinsamen Geschichte werden.

Ostbeauftragter: Lage ist besser als die Stimmung

Der Ostbeauftragte der Bundesregierung, Carsten Schneider, hat am Tag der Einheit zu Optimismus aufgerufen. Der SPD-Politiker sagte MDR AKTUELL, die Lage in Deutschland sei besser als die Stimmung. Er verwies unter anderem auf die Großansiedlungen im Halbleiterbereich. Darum werde Ostdeutschland von vielen in Europa beneidet. Schneider gestand aber auch ein, dass Ostdeutsche in vielen Bereichen unterrepräsentiert seien. Er nannte die Bereiche Wirtschaft, Medien, Kunst und Kultur.

Kretschmer: 3. Oktober ist "glücklichstes Datum" des Jahrhunderts

Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer bezeichnete den 3. Oktober als "das glücklichste Datum des vergangenen Jahrhunderts für die Deutschen". Darüber sollte man sich jeden Tag freuen, erklärte der CDU-Regierungschef. Für viele Menschen in Ostdeutschland habe der Zweite Weltkrieg erst mit der Wiedervereinigung geendet.

Im Sächsischen Landtag gab es am Vormittag eine Feierstunde. Hauptredner war der frühere Innenminister Heinz Eggert. Am Nachmittag öffnet der Landtag dann seine Türen für die Bürgerinnen und Bürger.

In Sachsen-Anhalt war ein zentraler Ort der Feierlichkeiten die Gedenkstätte Deutsche Teilung Marienborn an der Autobahn 2. Dort fand ein Fest der Begegnung mit einem Bittgottesdienst unter dem Motto "Verliere nicht den Mut" statt. Nach Angaben der Gedenkstätte kamen rund 300 Menschen. Auch Grenzmuseum Böckwitz-Zicherie in der Altmark, in Halle, Merseburg, Stendal, Magdeburg und Halberstadt waren Veranstaltungen anlässlich des Einheitstags geplant, etwa Konzerte, Führungen und Feierstunden.

Ramelow: Einheitsprozess in den Herzen nicht abgeschlossen

In Thüringen wurden Vertreter der Landesregierung am Abend zu einem Festkonzert in Nordhausen erwartet. Ministerpräsident Bodo Ramelow verwies vor dem 3. Oktober auf die unterschiedlichen Gefühle, die die Menschen mit dem Tag der Einheit verbinden. 33 Jahr nach der Wiedervereinigung sei viel gemeinsam geschaffen worden, erklärte Ramelow. "Wir müssen uns aber auch eingestehen, dass der Einheitsprozess weder strukturell noch in den Köpfen oder gar in den Herzen abgeschlossen ist ..."

MDRextra-Sendung sowie neue Doku- und Podcastreihen

In einer MDR extra-Sendung ab 17:30 Uhr im MDR FERNSEHEN erzählten Bürgerinnen und Bürger, wie sie heute auf die Einheit blicken und wie sie gleichzeitig die Herausforderungen der Zukunft einschätzen.

Außerdem startet der MDR gemeinsam mit dem rbb zum Tag der Deutschen Einheit das neue Label EAST. Es vereint dokumentarische Filme und Podcasts von gesamtgesellschaftlicher Relevanz mit einer speziellen ostdeutschen Perspektive. Den Auftakt machen die Dokumentarfilme „EAST! – Mein Jahr in Zeitz/Lenzen“ – zu sehen am 3. Oktober in der ARD Mediathek sowie ab 20:15 Uhr im MDR-Fernsehen und rbb Fernsehen.

dpa (kkö,jks)

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL RADIO | 03. Oktober 2023 | 06:00 Uhr

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