In einer Umarmung vereint: Berlin feiert die Maueröffnung im November 1989 am Grenzübergang Bornholmer Strasse
In einer Umarmung vereint: Berlin feiert die Maueröffnung im November 1989 am Grenzübergang Bornholmer Strasse Bildrechte: imago/BRIGANI-ART

MDRfragt Mehrheit sieht kein Zusammenwachsen von Osten und Westen

03. Oktober 2023, 05:00 Uhr

Osten und Westen nähern sich an, es gibt aber 33 Jahre nach der Einheit weiter strukturelle Unterschiede. Das zeigt der aktuelle Bericht "Zum Stand der Deutschen Einheit", der vom Ostbeauftragten der Bundesregierung vorgestellt wurde. In einer MDRfragt-Umfrage findet eine große Mehrheit der 25.000 Befragten, die Deutschen seien bisher nicht zu einer Nation zusammengewachsen. Im Vergleich mit einer Umfrage vom letzten Oktober wird das Zusammenwachsen von Ost und West noch skeptischer beurteilt.

Pierre Gehmlich
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Der 3. Oktober ist für viele Politiker, Journalisten und Wissenschaftler nicht nur ein Feiertag. An dem Tag wird Bilanz gezogen. Sind wir als Nation einigermaßen zusammengewachsen, nachdem zwei Teile von Deutschland für Jahrzehnte getrennt waren? Welche großen strukturellen Unterschiede zwischen Ost und West hindern uns daran?

Für große Mehrheit sind Deutsche noch nicht zu einer Nation zusammengewachsen

Vor dem 3. Oktober wollten wir von den MDRfragt-Mitgliedern wissen, wie sie auf die Deutsche Einheit blicken.

Die aktuelle Befragung von MDRfragt zeigt: Drei Viertel der Menschen in Mitteldeutschland halten ein Zusammenwachsen der Deutschen für wichtig. Doch das ist aus Sicht eines großen Teils der Befragten (73 Prozent) auch 33 Jahre nach der Einheit noch nicht vollzogen. Insgesamt haben sich mehr als 25.000 Menschen aus Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen an der Umfrage zur Deutschen Einheit beteiligt.

Stand der Einheit - „Ost und West bereits zusammengewachsen“
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Im Vergleich zu einer Umfrage von September 2022 hat die Zahl der MDRfragt-Mitglieder noch einmal deutlich abgenommen, die von einer auch in der Realität vollzogenen Einheit ausgehen. Damals sahen 67 Prozent der Befragten noch kein Zusammenwachsen von Osten und Westen.

„Ost und West bereits zusammengewachsen“
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Die Einschätzung von der noch fehlenden Einheit zieht sich in der aktuellen Umfrage durch alle Altersgruppen. Jüngere sind in diesem Punkt aber etwas optimistischer. Bei den nach dem Mauerfall Geborenen gehen 34 Prozent von einem Zusammenwachsen der Deutschen zu einer Nation aus. Bei den Älteren, die Friedliche Revolution und Einheit bewusst miterlebt haben, sind es dagegen nur 24 Prozent der Befragten. Bei den Frauen gehen 77 Prozent der MDRfragt-Mitglieder nicht davon aus, dass die Deutschen zu einer Einheit zusammengewachsen sind. Bei den Männern sind es 70 Prozent der Umfrage-Teilnehmer.

Die Ergebnisse von MDRfragt sind nicht repräsentativ. Sie werden aber nach wissenschaftlichen Kriterien gewichtet, um die Aussagekraft zu erhöhen. Dafür werden die Verteilung von verschiedenen Merkmalen wie Alter, Abschluss oder Geschlecht unter den Teilnehmerinnen und Teilnehmern so ausgeglichen, so dass sie der in der mitteldeutschen Bevölkerung entsprechen. Die Befragten geben oft nicht nur ihre grundsätzliche Position an. Sie begründen sie oft noch. Das erlaubt dem Meinungsbarometer MDRfragt, die Argumente der verschiedenen Meinungsspektren aufzuzeigen.

"Falsches Datum", "Keine Einheit": Für viele Befragte hat Feiertag keine emotionale Bedeutung

Der Feiertag zur Deutschen Einheit hat für zwei Drittel der MDRfragt-Mitglieder keine oder nur eine kleine emotionale Bedeutung. Im Vergleich zu einer Umfrage von 2020 hat sich an dieser Einschätzung einiges verändert. Vor drei Jahren noch hatte der Tag der Deutschen Einheit für die Hälfte der Teilnehmer (51 Prozent) eine große emotionale Bedeutung. Thomas (66) aus dem Landkreis Leipzig fasst seine aktuelle Einschätzung so zusammen: "Er hat keine Bedeutung, weil es nach 33 Jahren keine Einheit gibt." Ursula (68) aus dem Landkreis Saalfeld-Rudolstadt bewegt der 3. Oktober emotional inzwischen nicht mehr: "Besondere Gespräche oder Diskussionen  zum Für und Wider sind vorhanden, aber im alltäglichen Leben." Andy (28) aus dem Landkreis Bautzen schreibt: "Der Tag hat keine Bedeutung für mich. Für mich gibt es nur ein Deutschland. Ich bin nach der Wende geboren und habe daher keinerlei Verbindung zur Wiedervereinigung."

Emotionale Bedeutung Tag der Deutschen Einheit
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Auch Dorit (27) aus Jena verbindet nach eigener Aussage wenig mit dem Feiertag, weil sie erst nach der Wende geboren ist: "Aber ich spüre die Emotionen meiner Eltern, das Staunen von damals, als die Mauer fiel, wenn sie davon erzählen. Und auch die große Freude darüber." In den Kommentaren zur Frage nach der Bedeutung des Feiertags weisen zahlreiche MDRfragt-Mitglieder auf die nach ihrer Sicht nicht gelungene Datumswahl hin. Für Katrin (47) aus dem Harz ist der 3. Oktober willkürlich gewählt: "Damit verbindet niemand irgendetwas in der deutschen Geschichte. Der 9. November wäre einprägsamer und der Volksaufstand im Juni ebenso. Identität schafft man mit gemeinsamen Ereignissen." Andreas (70) kommt auch aus dem Harz und gehört zu den Befragten, für die der Feiertag zur Einheit eine große emotionale Bedeutung hat: "Er erinnert an das Ende der Diktatur des Proletariats mit Bevormundung, Beschneidung von Lebensperspektiven und Freiheiten aus einer zurechtgebogenen Ideologie. Und er ist Mahnung, die Freiheit nach allen Seiten zu schützen."

Ich spüre die Emotionen meiner Eltern, das Staunen von damals, als die Mauer fiel, wenn sie davon erzählen. Und auch die große Freude darüber.

MDRfragt-Teilnehmerin Dorit (27) aus Jena

Vor allem Frauen fordern Nachbessern bei Löhnen und Renten

An welchen Punkten muss aus Sicht der MDRfragt-Mitglieder nachgebessert werden, damit es mit dem Zusammenwachsen zu einem Deutschland endlich klappt? Die Antworten fallen in drei Punkten deutlich aus: Bei Löhnen und Renten (88 Prozent), bei der Besetzung von Führungspositionen (65 Prozent) und in der Wirtschaftspolitik (63 Prozent) muss mehr getan werden als bisher. Die MDRfragt-Mitglieder legen damit die Finger in die Wunde, denn auch der aktuelle Zustandsbericht des Ostbeauftragten Carsten Schneider (SPD) zeigt: Es gibt noch große Unterschiede auch 33 Jahre nach der Einheit. Der Jahresbruttolohn im Osten betrug im Jahr 2022 mit rund 34.800 Euro im Schnitt etwa 86 Prozent des Westniveaus. Und das Bruttoinlandsprodukt je Einwohner 2022 lag in Ostdeutschland bei 79 Prozent des Wertes im Westen. Bei den Renten seien Osten und Westen inzwischen gleich, sagt Carsten Schneider:

Da kann man noch so schöne Einheitsfeiern abhalten, Einheit ist das nicht.

MDRfragt-Teilnehmer Marc (27) aus Anhalt-Bitterfeld

Marc (27) aus Anhalt-Bitterfeld findet mit Blick auf die immer noch bestehenden Unterschiede: "Da kann man noch so schöne Einheitsfeiern abhalten, Einheit ist das nicht." Jan (25) aus Erfurt sieht einen biografisch bedingten Nachteil bei vielen Ostdeutschen, der ausgeglichen werden sollte und schreibt: "Das Aufsteigen in Führungspositionen hängt oft auch mit sozialen Netzwerken zusammen, zu denen Menschen aus dem Osten wenig bis keinen Zugang haben."

Wichtige Aspekte für besseres Zusammenwachsen
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Für Frauen ist noch einmal deutlich wichtiger, dass bei Löhnen und Renten nachgebessert werden muss. Dafür stimmen 92 Prozent der Befragten. Bei den Männern sind es 84 Prozent. Weniger wichtig sind aus Sicht der Befragten eine stärkere Präsenz des Ostens in den Medien (48 Prozent) und eine stärkere Aufarbeitung der Geschichte des geteilten Deutschlands (42 Prozent). Neun von zehn Teilnehmern der Umfrage finden es wichtig, dass die Lebensverhältnisse im Osten und Westen angeglichen werden. Die MDRfragt-Gemeinschaft ist aber in der Frage gespalten, ob jemals wirklich gleiche Lebensverhältnisse im vereinten Deutschland erreicht werden. Davon gehen 41 Prozent der MDRfragt-Mitglieder aus. Das kann aus Sicht dieser Befragten aber noch mehr als zehn Jahre dauern. Sieben Prozent der Befragten erwarten eine Angleichung schon in den nächsten Jahren. Gleiche Lebensverhältnisse werden nie erreicht, finden dagegen 42 Prozent der Befragten.

Neun von zehn Befragten sehen gezielte Ansiedlungen als mögliche Lösung

Intel, Tesla und der Batteriehersteller CATL gehören zu den High-Tech-Unternehmen, die im Osten groß investieren. Die jeweiligen Landesregierungen hatten sich im Vorfeld für die Ansiedlungen stark gemacht. Sachsens Wissenschaftsministerin feierte Anfang des Jahres die Entscheidung, das deutsche Zentrum für Astrophysik in der sächsischen Lausitz aufzubauen. Werden auch weiterhin zukunftsträchtige Unternehmen und Forschungszentren gezielt im Osten angesiedelt, kann das beim Angleichen der Lebensverhältnisse helfen. Das finden neun von zehn Befragten. Bundesbehörden in Ostdeutschland neu aufzubauen befürworten sieben von zehn MDRfragt-Mitgliedern (72 Prozent). Bei dieser Frage äußern sich Männer und Frauen, Ältere und Jüngere und auch Menschen aus ländlichen Regionen und aus Städten fast gleich.

Lebenverhältnisse verbessern durch Ansiedlungen von ...
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Rund jedes zehnte MDRfragt-Mitglied hält gezielte Ansiedlungen etwa von großen Unternehmen nicht für den richtigen Weg. Das bringe mit Blick auf den großen Flächenbedarf der Firmen den Menschen vor Ort kaum Arbeitsplätze, kritisiert Robby (45) aus dem Landkreis Leipzig: "Die großen Unternehmen bekommen viel gefördert, wenn sie sich im Osten ansiedeln, profitieren von günstigen Grundstückspreisen und können zwecks CO2-Zertifikaten punkten. Die erzielten Gewinne bleiben doch nicht in der Region, sondern werden von den Konzernen im Ausland oder zumindest in der alten Bundesrepublik abgezogen."

Abseits der oft gehörten Vorschläge zum Zusammenwachsen gibt es noch viele Ideen

Viele MDRfragt-Mitglieder beschäftigten sich in ihren Kommentaren zur Umfrage damit, wie die Deutschen zu einer Nation zusammenwachsen können. Zahlreiche Ideen gingen über das hinaus, was in den Fragen an Möglichkeiten skizziert wurde. Martin (37) aus dem Landkreis Leipzig wünscht sich mehr Austausch und Reisen zwischen den Bundesländern: "Ich habe in den alten Bundesländern fünf Jahre studiert und danach 8 Jahre gearbeitet. Anschließend bin ich nach Sachsen gezogen. Das hat mir geholfen beide kennenzulernen und Vorurteile abzubauen." Irmgard (63) aus Magdeburg findet, es müsse mehr über die Landschaften und Spezialitäten des Ostens berichtet werden: "Auch der Osten muss viel aktiver werden, was Tourismus angeht. Von nichts kommt nichts. Mehr Werbung!" Andreas (73) aus Leipzig gehört zu den zahlreichen Befragten, aus deren Sicht auch an Bezeichnungen gearbeitet werden muss: "Der Begriff ‚Ostdeutsche‘ ist die schlimmste Erfindung. Mit der Verwendung bleibt die Einigung erfolglos." Ähnlich sieht das Anna (30), die auch aus Leipzig kommt: "Ich bin im Osten geboren und auch mit dieser Mentalität aufgewachsen. Das geht nie weg, aber ich versuche, die Trennung der Begriffe nicht zu nutzen und mir ist unheimlich wichtig, dass die Begriffe Ostdeutsch und Westdeutsch verschwinden!"

Ich versuche, die Trennung der Begriffe nicht zu nutzen und mir ist unheimlich wichtig, dass die Begriffe Ostdeutsch und Westdeutsch verschwinden!

MDRfragt-Teilnehmerin Anna (30) aus Leipzig

Die Umfrage zeigt aber auch, dass sich die Mehrheit der MDRfragt-Mitglieder eher von der Bezeichnung "ostdeutsch" abgeholt fühlt. Dafür stimmen vor allem Frauen (58 Prozent) und Menschen, die Friedliche Revolution und Mauerfall miterlebt haben (56 Prozent). Marc (27) aus dem Landkreis Anhalt-Bitterfeld wurde nach der Wende geboren. Auch seine Generation sollte weiterhin bewusst den Begriff "ostdeutsch" für sich nutzen, findet er: "Es basiert auf einer Verbindung zur Heimat mit gleichen Wurzeln, einer gemeinsamen Geschichte und Kultur. Es hilft auch, westdeutsche Vorurteilen abzuwehren. Und auch dies ist Diversität, die gefördert werden sollte." Nur jeder fünfte Befragte aus Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen dagegen fühlt sich eher "deutsch". Auch in diesem Punkt weisen einige Kommentare über die Fragestellung hinaus. Alexander (32) aus Weimar schreibt: "Als Nachwendekind bin ich in einem Europa ohne Grenzen aufgewachsen und fühle mich als Europäer."

Gefühlte Identität
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Zum Ausklappen: Weitere Stimmen aus der MDRfragt-Gemeinschaft zur Deutschen Einheit

  • Für einen 63-jährigen Teilnehmer aus Wittenberg bleiben Friedliche Revolution und Mauerfall auch 33 Jahre später ein bestimmendes Ereignis im Leben: "Ich habe diese Tage als junger Volkspolizist, Dienstanfängerlehrgang in Neustrelitz, hautnah bei Einsätzen in Berlin miterleben dürfen, diese Emotionen begleiteten mein ganzes Leben!"
  • Ähnlich geht es K. aus dem Landkreis Zwickau: "Ich habe dieses Ereignis in Leipzig erlebt. Meine Frau im Demonstrationszug, ich in einer Kampfgruppeneinheit gegenüber. Das war das letzte Mal, dass ich der DDR ‚zu Diensten war‘. Meine Empfindungen in dieser Lage können nur wenige nachempfinden."
  • Marvin (27) aus Halle/Saale setzt sich für eine differenziertere Auseinandersetzung mit der Bezeichnung "ostdeutsch" ein: "Ostdeutsch bin ich, weil die Erfahrung die man auch jetzt noch hat, von der in den westlichen Bundesländern abweicht. Es ist so, als würde man in den USA sagen 'Ich bin Midwesterner' oder 'Ich bin Ostküstler'. Das sind komplett unterschiedliche Erlebniswelten und dennoch würden beide sagen 'Ich bin Amerikaner'."
  • Anja (47) aus dem Landkreis Leipzig findet, die Frage nach dem Zusammenwachsen habe sich sowieso irgendwann erledigt: "Ich bin nur froh, dass meine Kinder sich einfach als Deutsche fühlen und das ist gut so. Ich denke, die Zeit heilt alle Wunden und sobald meine Generation nicht mehr da ist, ist alles nur noch Geschichte."
  • Für Björn (48) aus dem Saale-Holzland-Kreis gibt es schon deutliche Anzeichen für ein "Zusammenwachsen": "Ich arbeite seit zwanzig Jahren im Dreiländereck Sachsen/Bayern/Thüringen. Selbst die Dialekte schleifen sich langsam ab und für niemanden, egal ob Franke, Thüringer oder Vogtländer, wäre eine Trennung der Region auch nur noch vorstellbar."
  • Jan (24) aus Hildburghausen sieht in der aktuellen Debatte um die Einheit noch ein Problem: "So hart es klingt, aber die Arroganz und abwertende/ablehnende Haltung des Westens muss aufhören. Es kann doch nicht sein, dass ich mich immer nur als "Ossi" fühle, obwohl ich Jahre nach der Wiedervereinigung geboren wurde! Selbst mit diesem Fakt im Hintergrund finde ich es sehr oft einfach beleidigend, wie in meiner Gegenwart über den Osten geredet wird!"
  • Und Mario (44) aus Gotha wünscht sich: "Alles in Allem: Ich wünsche mir, dass das wiedervereinte Deutschland mal irgendwann wirklich zusammenwächst.

Mehrheit findet gezieltes Werben um Rückkehrer weiter wichtig

Vier Millionen Menschen sind in den vergangenen 30 Jahren aus dem Osten nach Westen gezogen. Die meisten wanderten in den ersten Jahren nach der Wiedervereinigung ab. In der Gegenrichtung kamen deutlich weniger Menschen und nur ein Teil der Abgewanderten kehrte nach Jahren wieder zurück in die Heimat. Damit bleibt ein sogenannter "Wanderungsverlust" von mehr als einer Million Menschen im Osten. Die Folgen sind vor allem in vielen ländlichen Regionen auch heute noch spürbar. Entsprechend wichtig ist das Thema "Rückkehrer" in der MDRfragt-Gemeinschaft. Jeder siebte Befragte hat für eine längere Zeit im Westen gelebt und ist danach in den Osten zurückgekehrt. Um diese Menschen werben gezielt Willkommensagenturen, Rückkehrer-Tage und spezielle Netzwerke in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen. Diese Bemühungen sollte es auch weiterhin geben, finden sechs von zehn Befragten (58 Prozent). Bei Umfrageteilnehmenden aus ländlichen Regionen ist die Zustimmung noch einmal deutlich höher. 61 Prozent halten das gezielte Werben um Rückkehrer für wichtig, in den Städten sind es 54 Prozent der Befragten.

Wenn die Rahmenbedingungen wie Infrastruktur, Bildung, Arbeit, Kinderbetreuung nicht stimmig sind, findet der Exodus statt.

MDRfragt-Teilnehmer Jörg (61) aus dem Kyffhäuserkreis

Viele MDRfragt-Mitglieder weisen in ihren Kommentaren darauf hin: Ein gezieltes Werben von Rückkehrern könne nur erfolgreich sein, wenn die Lebensbedingungen im Osten im Vergleich nicht deutlich schlechter sind. Jörg (61) aus dem Kyffhäuserkreis findet "Die Menschen zieht es dorthin, wo sie für sich die besten Entwicklungsmöglichkeiten sehen um ihr Leben zu gestalten. Wenn die Rahmenbedingungen wie Infrastruktur, Bildung, Arbeit, Kinderbetreuung nicht stimmig sind, findet der Exodus statt." Und Lena (26) aus Erfurt schreibt: "Viele Orte in Ostdeutschland - gerade im ländlichen Raum - haben kaum Perspektiven. Weder kulturell noch wirtschaftlich. Wenn man zurückkommt, kommt man meist aus persönlichem Antrieb zurück. Man sieht ja auch, dass in den großen Städten im Osten auch wieder mehr Zuzug herrscht, weil es dort mehr Perspektiven gibt."

Über diese Befragung Die Befragung vom 23. bis 26. September 2023 stand unter der Überschrift:

Deutsche Einheit – Schon vollzogen oder weiter weg denn je?

Insgesamt sind bei MDRfragt 65.670 Menschen aus Mitteldeutschland angemeldet (Stand: 25.09.2023, 10:00 Uhr).

25.280 Menschen aus Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen haben online an dieser Befragung teilgenommen.

Verteilung nach Altersgruppen:
16 bis 29 Jahre: 215 Teilnehmende
30 bis 49 Jahre: 3.014 Teilnehmende
50 bis 64 Jahre: 10.450 Teilnehmende
65+: 11.601 Teilnehmende

Verteilung nach Bundesländern:
Sachsen: 12.876 (50,9 Prozent)
Sachsen-Anhalt: 6.167 (24,4 Prozent)
Thüringen: 6.237 (24,7 Prozent)

Verteilung nach Geschlecht:
Weiblich: 10.759 (42,6 Prozent)
Männlich: 14.462 (57,2 Prozent)
Divers: 59 (0,2 Prozent)

Die Ergebnisse der Befragung sind nicht repräsentativ. Wir haben sie allerdings in Zusammenarbeit mit dem wissenschaftlichen Beirat nach den statistischen Merkmalen Bildung, Geschlecht und Alter gewichtet. Das heißt, dass wir die Daten der an der Befragung beteiligten MDRfragt-Mitglieder mit den Daten der mitteldeutschen Bevölkerung abgeglichen haben.

Aufgrund von Rundungen kann es vorkommen, dass die Prozentwerte bei einzelnen Fragen zusammengerechnet nicht exakt 100 ergeben.

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Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR extra: Ein ganzes Land im Wandel? | 03. Oktober 2023 | 17:30 Uhr