Großauftrag Transporthubschrauber der Bundeswehr: Flughafen Leipzig/Halle als Wartungsbasis vom Tisch?

07. April 2022, 05:00 Uhr

Für über fünf Milliarden Euro will die Bundeswehr neue Transporthubschrauber kaufen. Zwei Modelle stehen zur Auswahl – und eine Wartungsbasis am Airport Leipzig/Halle. Die Entscheidung könnte bald fallen.

Aktuell-Redakteure - Lucas Grothe
Bildrechte: MDR/Markus Geuther

Seit klar ist, dass die Bundeswehr aus einem Sondervermögen von 100 Milliarden Euro für neue Ausrüstung ausgeben kann, fragen sich viele: Was steht auf dem Einkaufszettel? Bekannt ist bislang, dass ein Teil des Geldes in den Kauf von F-35-Kampfflugzeugen investiert werden soll, die in den USA produziert werden. Auch ein Kauf des israelischen Raketenabwehrsystems Arrow-3 ist im Gespräch.

Doch auch ein anderes wichtiges Rüstungsprojekt steht auf der Bundeswehr-Agenda – auch wenn es schon vor dem Angriff auf die Ukraine eine Rolle spielte: Die Anschaffung von schweren Transporthubschraubern. Aktuell nutzt die Bundeswehr noch Modelle aus den 70er-Jahren, diese müssen dringend ersetzt werden. Zwei Hubschrauber-Typen sind in der engeren Auswahl: das Modell CH-47F "Chinook" des US-Herstellers Boeing und das Modell CH-53K "King Stallion" der Herstellers Sikorsky (USA), der mit Rheinmetall (Deutschland) kooperiert. Sikorsky wiederum gehört zum US-Unternehmen Lockheed Martin, dem Hersteller des F-35-Kampfjets.

Die Entscheidung hat nicht nur Auswirkungen auf die Bundeswehr – sondern auch auf den Flughafen Leipzig/Halle. Denn Sikorsky und Rheinmetall haben dort eine Wartungs- beziehungsweise Ersatzteilbasis in Aussicht gestellt. 150 Arbeitsplätze könnten laut Unternehmen entstehen. Und: Es könnte der Auftakt zu einer stärken militärischen Nutzung sein.

US-Soldaten und Chinook-Hubschrauber bei Afghanistan-Invasion 2001
Auch das US-Militär nutzt die "Chinook", hier beim Einsatz in Afghanistan. Bildrechte: imago images / Photo12

Transporthubschrauber: Lockheed Martin oder Boeing?

Jens Lehmann ist Bundestagsabgeordneter aus Leipzig und Mitglied des Verteidigungsausschusses. Der CDU-Politiker hat bei dem Projekt Transporthubschrauber eine klare Erwartungshaltung: Er sagte dem MDR: "Wenn die Bundeswehr die CH-53K als neuen Schweren Transporthubschrauber erhält, schaffen wir eine Win-win-Situation: die Truppe erhält den modernsten Hubschrauber und der Osten profitiert enorm durch ein neues Logistik- und Flottenmanagementzentrum am Flughafen Leipzig."

Doch ob es so kommt, ist unklar. Vergangene Woche war Bundesverteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) zu einem mehrtägigen Besuch in den USA. Auch wenn es bei Lambrechts Amerika-Besuch wohl vor allem um den bereits angekündigten Kauf der F-35-Jets ging. Nach MDR-Informationen sprach die Ministerin auch über eine Anschaffung schwerer Transporthubschrauber. Das Verteidigungsministerium wollte das auf Nachfrage nicht bestätigen. Eine Entscheidung könnte nach MDR-Informationen zeitnah fallen.

Möglich ist neben einem Kauf direkt beim Hersteller auch ein sogenanntes "Military Foreign Sale". Dabei würde die Lieferung der Maschinen im Rahmen eines Abkommens zwischen der deutschen und US-Regierung erfolgen, die Maschinen also über das US-Militär kommen. Eine Anschaffung könnte dadurch deutlich schneller gehen.

Der verteidigungspolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion und Abgeordnete aus Sachsen-Anhalt, Marcus Faber, sagte dem MDR, dass es bei dem Kauf nun vor allem wichtig sein, dass Steuergelder richtig eingesetzt würden.

Bundeswehr-Projekt mit Schwierigkeiten

Eigentlich sollte der Kauf der von der Bundeswehr dringend benötigten Großhubschrauber längst besiegelt sein, doch bei dem Projekt gab es Schwierigkeiten. Im Jahr 2020 hatte das Beschaffungsamt der Bundeswehr das Vergabeverfahren überraschend gestoppt, weil die tatsächlichen Kosten die für die 45 bis 60 Hubschrauber ursprünglich veranschlagten 5,6 Milliarden Euro weit zu übersteigen drohten. Lockheed Martin klagte später gegen die Entscheidung. Doch vor Gericht wurde die Rechtmäßigkeit des Vergabestopps bestätigt – und damit der Weg für eine Wiederaufnahme des Vergabeverfahrens geebnet.

Nun soll es endlich soweit sein. Doch auf welchen Hubschrauber fällt die Entscheidung? Sollten es der CH-53K von Sikorsky/Rheinmetall und die Wartungsbasis am Flughafen Leipzig/Halle werden, könnte dieser einen erheblichen Ausbau in Bezug auf militärische und sicherheitstechnische Nutzung erfahren. Denn auch die Bundespolizei plant eine Anschaffung neuer Hubschrauber. Dort ist nach MDR-Informationen ebenfalls eine Nutzung des Schkeuditzer Airports im Gespräch. Die Bundespolizei äußerte sich auf MDR-Anfrage noch nicht dazu.

Kein Nachtflugverbot am Flughafen Leipzig/Halle

Als ein Vorteil des Flughafens an der Grenze zwischen Sachsen und Sachsen-Anhalt gilt, dass es dort kein Nachtflugverbot unter anderem bei militärischer Nutzung gibt. Dies sorgt allerdings seit Jahren für Kritik, etwa im Leipziger Stadtrat und bei Bürgerinitiativen.

Die Initiative "Leipzig bleibt friedlich" richtet sich ausdrücklich gegen den „Ausbau des Flughafens Leipzig/Halle als Militärflughafen und als Rüstungsstandort“. Bei einer Ansiedlung von Rheinmetall würde der Flughafen Leipzig/Halle "noch viel stärker zum Militärdrehkreuz und militärischen Logistikzentrum ausgebaut, als er dies heute schon ist", schreibt die Initiative.

Doch derzeit sieht es ohnehin eher nach einer Anschaffung des Chinook von Boeing aus. Zumindest berichten das Regierungs- und Oppositionskreise. Die Maschinen von Sikorsky/Rheinmetall haben zwar auf mehreren Ebenen bessere Leistungsdaten, aber bei den Chinooks gibt es angeblich mehr Maschinen für den gleichen Preis. Die genauen Angebote sind aber nicht öffentlich.

Lehmann: Leistungsdaten sprechen für CH-53K

Bundestagsabgeordneter Jens Lehmann bleibt aber bei seiner Position. Er sagt: "Alle Leistungsdaten sprechen für die CH-53K: Luftbetankung serienmäßig, größere Verfügbarkeit, höhere Nutzlast, größere Reichweite. Die Chinook liegt teilweise unter den Leistungswerten der aktuellen Altflotte der Bundeswehr. Deshalb kann die Wahl nur auf das Sikorsky-Modell fallen." Die Bundeswehr brauche das beste am Markt erhältliche Material, so Lehmann. "Jetzt wieder mit finanziell und technisch unvorhersehbaren Kompromissen, wie beispielsweise das Nachrüsten der Luftbetankung, zu arbeiten, halte ich für fahrlässig und falsch."

Der Hubschrauber-Anbieter Boeing wiederum widerspricht dieser Darstellung. Michael Hostetter, Vize-Präsident der Rüstungssparte Boeing Defense Deutschland, sagte dem MDR, das Chinook-Programm liefere bereits seit Ende der 1980er Jahre Chinook mit Luftbetankungsfähigkeit aus. In den letzten Jahren habe der Chinook Zehntausende Luftbetankungsmissionen hinter einer Vielzahl verschiedenster Tanker absolviert.

Und weiter: "Wir werden den H-47 Chinook direkt von der Produktionslinie mit Luftbetankungsfähigkeit ausliefern. Hierbei handelt es sich explizit nicht um ein Entwicklungsprogramm. Die Luftbetankungsfähigkeit des Chinook ist bewährt, erprobt und marktverfügbar. Der Chinook, inklusive Luftbetankungsfähigkeit, wird mit Lufttüchtigkeitszeugnis der US Regierung ausgeliefert."

Kürzlich ging Boeing sogar eine strategische Partnerschaft mit dem Rivalen Airbus ein: Sollte Boeing der Hubschrauber-Auftrag bekommen, wäre Airbus wiederum unter anderem für Wartung und Instandhaltung zuständig. Wo diese stattfinden würde, ist aber noch nicht klar.

Anm. der Red.: Die Erklärung von Boeing zur Luftbetankungsfähigkeit wurde im Text später ergänzt.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL RADIO | 18. März 2022 | 06:20 Uhr

Mehr aus Politik

Mehr aus Deutschland