Gegen demokratiefeindliche Kräfte Bundesverfassungsgericht ist künftig besser geschützt
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20. Dezember 2024, 14:30 Uhr
Der Bundesrat hat einer Grundgesetzänderung zugestimmt, die das Bundesverfassungsgericht besser vor Einflussnahme, Missbrauch oder Blockade politischer Kräfte schützen soll. Zentrale Vorgaben zur Struktur und Arbeitsweise des Gerichts werden ins Grundgesetz aufgenommen.
- Wie das Bundesverfassungsgericht arbeitet
- Was nun im Grundgesetz geändert werden soll
- Die Gründe: Die AfD und die Befürchtungen
- Szenarien wie in Ungarn und Polen sollen verhindert werden
Das Bundesverfassungsgericht ist künftig besser gegen demokratiefeindliche Kräfte geschützt. Nach dem Bundestag hat am Freitag auch der Bundesrat einer entsprechenden Änderung des Grundgesetzes zugestimmt. Zentrale Vorgaben zur Struktur und Arbeitsweise des Gerichts sind nun im Grundgesetz festgeschrieben, sodass sie nur noch mit Zwei-Drittel-Mehrheit zu ändern sind.
Der Bundestag hatte am Donnerstag eine Grundgesetzänderung zum besseren Schutz des Verfassungsgerichts vor demokratiefeindlichen Kräften beschlossen. Ein gemeinsamer Gesetzentwurf von SPD, CDU/CSU, Grünen und FDP wurde in namentlicher Abstimmung mit der nötigen Zwei-Drittel-Mehrheit angenommen. Damit werden wesentliche Strukturen des höchsten deutschen Gerichts im Grundgesetz verankert.
Da das Bundesverfassungsgericht über die freiheitliche demokratische Grundordnung und die Grundrechte wacht, soll es besser gegen politische Einflussnahme geschützt werden. So soll das Karlsruher Gericht auch in Zukunft diese wichtigen Aufgaben erfüllen, hatten Politiker mehrerer Fraktionen vor der Abstimmung erklärt.
So betonte etwa Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD), es gelte, das Erfolgsmodell abzusichern, damit die Feinde der Demokratie im Ernstfall kein Einfallstor hätten. Die CDU-Bundestagsabgeordnete Andrea Lindholz sagte, dass das Verfassungsgericht als Hüterin der Verfassung stärker geschützt werden müsse.
Wie arbeitet das Bundesverfassungsgericht?
Das Verfassungsorgan soll unabhängig von den jeweiligen politischen Machtverhältnissen arbeiten. Seine Aufgaben und Teile seiner Struktur sind im Grundgesetz festgelegt. Darin steht beispielsweise, dass die Richterinnen und Richter je zur Hälfte vom Bundestag und vom Bundesrat gewählt werden und, dass sie weder diesen beiden Verfassungsorganen noch der Bundesregierung oder Pendants auf Landesebene angehören dürfen.
Doch einige Strukturen des Verfassungsgerichtes sind nicht im Grundgesetz festgehalten und könnten anstatt mit Zwei-Drittel-Mehrheit mit einer einfachen Mehrheit im Bundestag geändert werden.
Was nun im Grundgesetz geändert werden soll
Deshalb sollen nun die zwölfjährige Amtszeit der Richter, der Ausschluss einer Wiederwahl sowie die Altersgrenze der Richter von 68 Jahren im Grundgesetz verankert werden. Diese und andere Vorgaben zu Status, Struktur und Arbeitsweise des Gerichts regelt bislang das Bundesverfassungsgerichtsgesetz.
Ebenfalls im Grundgesetz festgezurrt werden soll die Festlegung auf 16 Richter und zwei Senate. Damit die Arbeitsfähigkeit des Gerichts in keinem Fall gefährdet ist, soll im Grundgesetz künftig außerdem stehen, dass ein Richter seine Amtsgeschäfte bis zur Wahl eines Nachfolgers weiterführt.
Das Gleiche gilt für die Geschäftsordnungsautonomie, also den Grundsatz, dass das Bundesverfassungsgericht seine inneren Angelegenheiten selbst regeln darf. Das bedeutet unter anderem, dass die Richter selbst entscheiden können, in welcher Reihenfolge sie Akten bearbeiten. So will man verhindern, dass Politiker bestimmte Entscheidungen des Gerichts hinauszögern können.
Die Wahl der 16 Richterinnen und Richter
Die eine Hälfte der 16 Richter und Richterinnen wird im Bundestag, die andere Hälfte im Bundesrat gewählt. Das soll grundsätzlich auch so bleiben. Notwendig ist jeweils eine Zwei-Drittel-Mehrheit. Diese Regelung hat bislang garantiert, dass die Parteien meist Juristen vorgeschlagen haben, die als eher gemäßigt gelten.
Um bei möglicherweise veränderten Mehrheitsverhältnissen in der Zukunft zu verhindern, dass es zu einer Sperrminorität kommt, die eine Richterwahl blockiert, haben sich SPD, Union, Grüne und FDP auf einen Ersatzwahlmechanismus geeinigt. Der sieht vor: Falls keine Zwei-Drittel-Mehrheit zustande kommt, kann das Wahlrecht vom Bundestag auf den Bundesrat übergehen und umgekehrt.
Nun muss der Grundgesetzänderung auch noch der Bundesrat zustimmen. Im verkürzten Verfahren könnte das bereits am morgigen Freitag passieren, dann kommt die Länderkammer zu einer regulären Sitzung zusammen.
Was hinter der Reform steckt
Hintergrund der Reform sind Befürchtungen, dass extreme Parteien in Zukunft versuchen könnten, politisch Einfluss auf das höchste deutsche Gericht zu nehmen.
Dass die AfD bei den Landtagswahlen im Osten und in Meinungsumfragen zuletzt zulegen konnte, hat bei Politikerinnen und Politikern anderer Parteien die Sorge vor einem Szenario wachsen lassen, wie es in Ungarn sowie Polen unter der inzwischen abgewählten Regierung zu beobachten war.
Szenarien wie in Ungarn und Polen verhindern
Die nationalkonservative PiS-Regierung, die Polen von 2015 bis 2023 führte, hatte das polnische Justizsystem umgebaut und damit nach Einschätzung von Experten die Gewaltenteilung eingeschränkt. Unter anderem wurde die Möglichkeit geschaffen, Richter zu kontrollieren und zu sanktionieren. Die neue Mitte-Links-Regierung von Ministerpräsident Donald Tusk bemüht sich, die von der Europäischen Union beanstandeten Maßnahmen wieder rückgängig zu machen.
In Ungarn steht Ministerpräsident Viktor Orban unter dem Verdacht, die Unabhängigkeit der Justiz einzuschränken. "Wir verhindern, dass, wie in Osteuropa geschehen, durch Schaffung neuer Senate oder die Herabsetzung der Altersgrenze neue Verfassungsrichterstellen geschaffen werden, die mit Günstlingen besetzt werden können", hatte Johannes Fechner von der SPD bei der ersten Beratung zu der geplanten Änderung im Bundestag erklärt.
dpa/AfP (mpö)
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL RADIO | 19. Dezember 2024 | 13:00 Uhr