Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts mit Peter Frank, Thomas Offenloch, Astrid Wallrabenstein, Doris König, Christine Langengeld, Rhona Fetzer und Holger Wöckel hat im Verhandlungssaal Platz genommen.
Wegen der weiter hohen Umfragewerte der AfD will die Ampelkoalition nun das Bundesverfassungsgericht besser schützen. Etwa soll die Wahl der Richter am Verfassungsgericht im Grundgesetz festgesetzt werden. Bildrechte: picture alliance/dpa/dpa Pool | Uwe Anspach

Hörer machen Programm Wie angreifbar ist das Bundesverfassungsgericht?

04. März 2024, 06:36 Uhr

Sollte man das Bundesverfassungsgericht besser vor Einflussnahme schützen? Ja, sagt die Ampelkoalition angesichts der stärker werdenden AfD. Eine Hörerin von MDR AKTUELL hatte sich gefragt, wie leicht das Verfassungsgericht in Karlsruhe zu manipulieren wäre. Bislang sind alle Regelungen im Bundesverfassungsgerichtsgesetz festgehalten. Um das zu ändern, braucht es nur eine einfache Mehrheit. Die Ampelkoalition fordert daher mehr Schutz.

Raja Kraus, Autorin, Reporterin
Bildrechte: MDR/Isabel Theis

Wie die Richterinnen und Richter am Bundesverfassungsgericht gewählt werden, wie lange sie im Amt bleiben dürfen, wofür das Gericht zuständig ist: All das steht im Bundesverfassungsgerichtsgesetz. Einem einfachen Gesetz, das mit einfacher Mehrheit geändert werden kann.

Änderungen gab es in der Vergangenheit immer wieder, erklärt Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, ehemalige FDP-Justizministerin: "Da geht's um Fristen, Akteneinsicht, Verfahrensfragen und das ist ganz normales Gesetzgebungsverfahren. Eine Änderung aus dem Jahr 2015 ist, glaube ich, wichtig, denn die Wahl von Bundesverfassungsrichtern erfolgte bisher in einem Wahlausschuss und jetzt wählen alle Mitglieder des Bundestages die Richter."

Änderungen per Zweidrittelmehrheit statt einfacher Mehrheit

Bisher haben die Gesetzesänderungen das Bundesverfassungsgericht immer unabhängiger gemacht. Mit der einmaligen Richteramtszeit für maximal zwölf Jahre zum Beispiel. Till Steffen ist Rechtspolitiker und parlamentarischer Geschäftsführer der Grünen-Fraktion im Bundestag.

Steffen betont: "Wir haben ganz viele Fälle, wo dann Richterinnen und Richter gar nicht so entschieden haben, wie das der Partei gefallen würde, die sie ursprünglich mal vorgeschlagen haben. Die haben sich dann immer im Kollegium im Gericht sehr unabhängig gemacht."

Das solle so bleiben. Die Ampel würde deshalb gerne wichtige Regelungen, wie die zur Länge der Richteramtszeit und die Wahl der Richterinnen und Richter mit Zweidrittelmehrheit ins Grundgesetz aufnehmen. Das lässt sich nämlich, anders als das Bundesverfassungsgerichtsgesetz, nur mit einer Zweidrittelmehrheit statt mit einfacher Mehrheit ändern.

Denn Steffen fürchtet, dass die stärker werdende AfD versuchen könnte, die Unabhängigkeit des Bundesverfassungsgerichts anzutasten. 

Auch Sabine Leutheusser-Schnarrenberger sagt: "Die Debatte ist aktuell vor dem Hintergrund in vielen anderen Staaten eindeutig verbunden mit rechtspopulistischen, teilweise auch rechtsradikalen bis hin zum Rechtsextremen neigenden Parteien, weil die eine Justiz nicht wollen, die Regierungen wirklich unabhängig kontrolliert."

Kluth: Parteien müssen gleich behandelt werden

Doch Verfassungsrechtler Winfried Kluth hält genau diese Argumentation für schwierig: "Weil sie auf eine Benachteiligung einzelner Akteure abzielen und das ist angreifbar, auch verfassungsrechtlich angreifbar."

Eine Partei muss gleichbehandelt werden, solange sie nicht verboten ist.

Verfassungsrechtler Winfried Kluth

Er betont: "Ich bin der Meinung, eine Lösung auch dieses Problems kann man nur durch ein Parteiverbotsverfahren bekommen."

Ob einige Regelungen tatsächlich vom Bundesverfassungsgerichtsgesetz ins Grundgesetz wandern, ist inzwischen allerdings fraglich. Denn die Union hat ihre Zustimmung zu den aktuellen Vorschlägen zurückgezogen.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Das Nachrichtenradio | 04. März 2024 | 06:20 Uhr

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