Nach Behandlungsfehlern Ärztekammern gegen Beweislastumkehr zugunsten der Patienten
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18. August 2023, 13:25 Uhr
Im letzten Jahr wurden fast 2.700 Behandlungsfehler in Deutschland durch Gutachten belegt. Die Patienten müssen dabei selbst beweisen, dass sie Opfer von solchen Fehlern geworden sind. Patientenschützer fordern, dass dieser Status quo geändert wird, aber die Ärztekammern sind gegen die Beweislastumkehr zugunsten der Patienten.
- Die Stiftung Patientenschutz fordert die Beweislastumkehr bei Behandlungsfehlern zugunsten der Patienten.
- Laut der unabhängigen Patientenberatung sind die Hürden für Patienten bisher zu hoch.
- Die Landesärztekammern befürchten, dass die Beweislastumkehr die Ärzte in ihrer Arbeit zu sehr einschränkt.
Wer Opfer eines Behandlungsfehlers wurde und auf eine Entschädigung aus ist, hat in der Regel einen langen Weg vor sich. Oft müssen Betroffene mehrere Jahre warten, bis es eine finale Entscheidung gibt.
Diesen langwierigen Prozess würde Eugen Brysch, Vorsitzender der Stiftung Patientenschutz, gerne verkürzen. Deshalb fordert er, dass die Patientenrechte gestärkt werden sollen: "Dazu gehört in jedem Fall auch die Beweislastumkehr zugunsten der geschädigten Patientinnen und Patienten."
Brysch will also erreichen, dass Betroffene nicht mehr nachweisen müssen, dass sie Opfer eines Behandlungsfehlers geworden sind, sondern die Beweislast zu den Ärzten wandert. Die müssten dann aufzeigen, dass sie korrekt behandelt haben.
Zustimmung bekommt Brysch von Heike Morris, der juristischen Leiterin der Unabhängigen Patientenberatung Deutschland: "Aus unserer Beratungserfahrung heraus können wir sagen, dass die Hürde heutzutage viel zu hoch ist und wir definitiv für Beweiserleichterungen sind. So kann es nicht bleiben."
Kritik von den Landesärztekammern
Anders sieht es unter anderem die Landesärztekammer Thüringen. Deren Hauptgeschäftsführer Matthias Zenker findet, dass die aktuelle Regelung beibehalten werden sollte: "Wir denken, dass es eine gute Unterstützung der Betroffenen gibt. Sowohl durch die Landesärztekammer, also durch die Ärzteschaft selbst, die kostenfrei von unabhängigen, besten Gutachtern anbietet, im Vorfeld eines Verfahrens zu klären und gutachterlich feststellen zu lassen, wie es hier ist und ob wirklich die Behandlung grundlegend für den Schaden war, den der Patient hat." Laut Zenker gibt es entsprechende Hilfsangebote.
Ähnlich sieht das die Landesärztekammer Sachsen-Anhalt. Sprecher Tobias Brehme befürchtet, dass eine Beweislastumkehr die Ärzte zu sehr einschränken würde: "Wenn ich generell als Arzt nachweisen müsste, dass ich keinerlei Fehler gemacht habe und dass alles in der Behandlung fehlerfrei lief, würde das die Ärzte sehr in ihren Behandlungen und ihren Schritten behindern und eine normal durchgeführte Behandlung unmöglich machen."
Tatsächlich liegt die Beweislast aber schon jetzt in bestimmten Fällen bei den Ärzten. Unter anderem dann, wenn klar ist, dass der Patient vor einer OP nicht aufgeklärt wurde oder wenn der Arzt gar nicht die notwendige Ausbildung für die Operation hatte – also nicht in seinem eigentlichen Spezialgebiet eingesetzt wurde.
Das Bundesgesundheitsministerium wollte auf Anfrage von MDR AKTUELL keine klare Position beziehen. Das Ministerium teilte lediglich mit, dass aktuell an der Weiterentwicklung des Patientenrechtegesetzes gearbeitet wird – mit dem Ziel, die Rechte der Patienten auch im Fall eines Behandlungsfehlers zu stärken.
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Das Nachrichtenradio | 18. August 2023 | 06:06 Uhr