Irreguläre Migration Polen will Asylrecht vorübergehend aussetzen
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15. Oktober 2024, 22:31 Uhr
Polen will das Asylrecht zeitweise aussetzen. Hintergund sind Vorwürfe an Russland und Belarus, dass sie Asylbewerber in organisierter Form an die polnische Grenze bringen. Der Vorschlag des polnischen Ministerpräsidenten Tusk stieß in der EU auf Kritik. Das Kabinett stimmte dem Vorschlag nun in Warschau zu.
- EU und Polen werfen Russland und Belarus vor, irreguläre Migration zu fördern, um Druck auf den Westen auszuüben.
- Der polnische Ministerpräsident Tusk kündigte die zeitweise Aussetzung des Asylrechts bereits am Wochenende an.
- Das Kabinett in Warschau nahm den Vorschlag trotz Meinungsverschiedenheiten nun an.
Polen will mit einem neuen Gesetz das Recht auf Asyl an der Grenze zu Belarus vorübergehend aussetzen. Der Kanzleichef von Ministerpräsident Donald Tusk, Jan Grabiec, sagte dem Sender TVN24, der Gesetzentwurf werde in einigen Wochen vorliegen. "Das Gesetz besagt: Wenn jemand illegal die polnische Grenze überquert, der von belarussischen Diensten dorthin gebracht wurde, wenn es sich um ein Element der hybriden Kriegsführung handelt, dann ist der polnische Grenzschutz nicht verpflichtet, Asylanträge dieser Personen anzunehmen", erklärte Grabiec.
Vorwürfe gegen Russland und Belarus
Hintergrund sind die Anschuldigungen, die Polen und die EU gegenüber Russlands Präsidenten Wladimir Putin und seinem Verbündeten, dem belarussischen Machthaber Alexander Lukaschenko, erheben. Sie sollen in organisierter Form Migranten aus Krisenregionen an die EU-Außengrenze bringen, um Druck auf den Westen auszuüben. Trotz des Baus eines mehr als fünf Meter hohen Zauns und eines elektronischen Überwachungssystems versuchen Migranten täglich, irregulär die Grenze zu überqueren. Seit Beginn des Jahres hat der Grenzschutz knapp 28.000 solcher Versuche registriert. Polen hat rund 37 Millionen Einwohner.
Ministerpräsident Tusk hatte am Wochenende auf einem Parteitag seiner liberalkonservativen Bürgerkoalition angekündigt, sein Land plane die vorübergehende Aussetzung des Asylrechts. Dies hatte ihm von der EU-Kommission und von Menschenrechtsorganisationen im In- und Ausland Kritik eingebracht.
Spannungen bei Kabinettssitzung
Das Kabinett befasste sich in Warschau in einer sechsstündigen Sitzung mit einem Papier zur Migrationspolitik. Darin heißt es: "Wenn die Gefahr einer Destabilisierung des Landes durch den Zustrom von Migranten besteht, soll es möglich sein, das Recht auf Annahme von Asylanträgen vorübergehend und territorial auszusetzen."
Nach der Kabinettssitzung schrieb Tusk auf der Plattform X, die Regierung habe das Papier in einer "schweren, aber äußerst notwendigen Entscheidung" angenommen. Offenbar traten aber während der Sitzung Spannungen zwischen den Koalitionspartnern von Tusks Mitte-Links-Bündnis in der Asylfrage zutage.
Die vier Minister des Linksbündnisses Lewica hätten eine abweichende Meinung formuliert, sagte Digitalisierungsminister Krzysztof Gawkowski dem Portal Onet.pl. "Wir halten die Verschärfung der Verfahren für illegale Migranten für nötig, aber wir wollen nicht, dass Elemente wie die Aussetzung des Asylrechts in der Strategie auftauchen."
dpa/MDR (lik)
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN – Das Sachsenradio | 15. Oktober 2024 | 18:00 Uhr