Ampel-Krise Kanzler Scholz will mit Vertrauensfrage Weg für Neuwahlen ebnen
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07. November 2024, 00:16 Uhr
Bundeskanzler Olaf Scholz will im Januar im Bundestag die Vertrauensfrage stellen. Damit will er den Weg für Neuwahlen im März freimachen. Zuvor hat Scholz Finanzminister Christian Lindner aus der Regierungsverantwortung entlassen.
- Scholz will am 15. Januar Vertrauensfrage im Bundestag stellen.
- Kanzler sieht keine Vertrauensbasis mehr in Zusammenarbeit mit Lindner.
- Habeck bedauert Bruch des Regierungsbündnisses.
- Zuvor schlug Lindner Vertrauensfrage vor.
- Lindner hatte "Herbst der Entscheidungen" ausgerufen.
- Rückendeckung für Scholz aus der SPD-Fraktion.
Bundeskanzler Olaf Scholz hat Finanzminister Christian Lindner aus seinem Kabinett entlassen. Das teilte Regierungssprecher Steffen Hebestreit am Mittwochabend mit. In einem anschließenden Statement kündigte Olaf Scholz an, am 15. Januar im Bundestag die Vertrauensfrage zu stellen. Neuwahlen könnten bis spätestens Ende März stattfinden.
FDP-Fraktionschef Christian Dürr kündigte daraufhin an, dass die FDP all ihre Minister aus der Bundesregierung zurückziehen werde. Damit beendet die FDP das Dreierbündnis der Ampel-Koalition.
Grüne wollen Teil einer Minderheitsregierung mit SPD bleiben
Scholz sagte am Abend in Berlin, er sei sich mit Vizekanzler Robert Habeck einig, dass Deutschland schnell Klarheit über den weiteren politischen Kurs brauche. In den Sitzungswochen des Bundestags bis Weihnachten wolle er alle Gesetze zur Abstimmung stellen, die keinen Aufschub duldeten. Dazu gehören nach seinen Worten die Stabilisierung der Rente sowie Sofortmaßnahmen für die Industrie.
Die Grünen wollen nach dem Ende der Ampel-Koalition zunächst Teil einer Minderheitsregierung mit der SPD bleiben. Das machte Vizekanzler Robert Habeck am Mittwochabend in Berlin deutlich.
Scholz: Fehlende Vertrauensbasis für Zusammenarbeit mit Lindner
Die Entlassung Lindners begründete Scholz mit einer fehlenden Vertrauensbasis für die weitere Zusammenarbeit. "Zu oft hat Bundesminister Lindner Gesetze sachfremd blockiert", sagte der SPD-Politiker im Kanzleramt. "Zu oft hat er kleinkariert parteipolitisch taktiert. Zu oft hat er mein Vertrauen gebrochen." Eine "ernsthafte Regierungsarbeit" sei so nicht möglich, sagte Scholz. Ein solches Verhalten wolle er dem Land nicht weiter zumuten.
Habeck bedauert Bruch der Ampel-Koalition
Vizekanzler Robert Habeck bedauerte den Bruch des Regierungsbündnisses mit SPD und FDP. Es fühle sich "falsch und nicht richtig" an, sagte Habeck am Mittwochabend vor dem Tor des Kanzleramts. Nach der Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten müssten Deutschland und Europa Handlungsfähigkeit zeigen. Es hätten Lösungsmöglichkeiten auf dem Tisch gelegen. Die größte Lösung wäre nach seinen Worten gewesen, der Ukraine mehr Unterstützung zu geben. Die FDP sei nicht bereit gewesen, diesen Weg zu gehen.
Lindner schlug Vertrauensfrage vor
Kurz zuvor hatte Christian Lindner Kanzler Scholz demnach eine Neuwahl des Bundestags vorgeschlagen. Die Gespräche hätten gezeigt, dass keine ausreichende Gemeinsamkeit in der Wirtschafts- und Finanzpolitik herzustellen sei, zitieren Teilnehmer Lindner. Es sei im Interesse des Landes, schnell Stabilität und Handlungsfähigkeit zurückzugewinnen.
Lindner schlug den Angaben zufolge vor, dass die Ampel-Parteien, wie 2005 gemeinschaftlich schnellstmöglich Neuwahlen für Anfang 2025 anstreben sollten, um "geordnet und in Würde" eine neue Regierung für Deutschland zu ermöglichen. Die FDP wäre bereit, noch den Nachtragshaushalt 2024 gemeinsam zu beschließen und einer geschäftsführenden Bundesregierung anzugehören.
Zuvor hatten die Spitzen von SPD, Grünen und FDP zweieinhalb Stunden beraten, um Wege aus der Ampel-Krise zu finden. Im Kern ging es darum, wie das Milliardenloch im Haushalt 2025 gestopft und die schwer angeschlagene deutsche Wirtschaft wieder auf Trab gebracht werden kann.
Lindner hatte "Herbst der Entscheidungen" ausgerufen
Lindner hatte schon vor einiger Zeit den "Herbst der Entscheidungen" für die Koalition ausgerufen. Er meinte damit vor allem den Haushalt für das nächste Jahr, der am 29. November im Bundestag verabschiedet werden sollte. Daneben ging es ihm um eine Strategie, wie Deutschland aus der Wirtschaftskrise geführt werden soll. Dazu hat er Vorschläge gemacht, die den Streit in der Koalition eskalieren ließen. In seinem Konzept für eine Wirtschaftswende fordert Lindner unter anderem die endgültige Abschaffung des Solidaritätszuschlags auch für Vielverdiener und einen Kurswechsel in der Klimapolitik.
Gegen solche Ideen gab es erheblichen Widerstand bei SPD und Grünen. Habeck war Lindner aber auch einen Schritt entgegengekommen. Er hatte sich am Montag bereiterklärt, die nach der Verschiebung des Baus eines Intel-Werks in Magdeburg frei werdenden Fördermilliarden zum Stopfen von Haushaltslöchern zu verwenden.
Rückendeckung aus der SPD-Fraktion
Für die Entlassung von Finanzminister Lindner hatte Bundeskanzler Scholz Rückendeckung aus der SPD-Fraktion erhalten. Jeder in der Fraktion habe gespürt, dass der Kanzler "eine schwere, aber notwendige Entscheidung" getroffen habe, sagte Fraktionschef Rolf Mützenich nach einer Sitzung der SPD-Abgeordneten. Dass Lindner dem Kanzler Neuwahlen abverlangen wollte, sei ein "schwerwiegender Vertrauensbruch" gewesen. Scholz habe dem Koalitionspartner geduldig einen Weg für die Modernisierung des Landes aufgezeigt.
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL RADIO | 06. November 2024 | 21:00 Uhr