Wissenschaft Darum züchten Forscher künstliche Embryos aus Stammzellen
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20. Juni 2023, 05:00 Uhr
Die Nachricht hat für Aufsehen gesorgt: Als erstes berichtete der britische Guardian von künstlich erschaffenen menschlichen Embryonen aus dem Labor. Dahinter stehen eine polnisch-britische Wissenschaftlerin und ihr Team. Auch eine Forschungsgruppe in Israel will das nun geschafft haben. Was steckt genau dahinter, wie ist die Nachricht ethisch zu bewerten und wo liegen rechtliche Grenzen?
- Wissenschaftlern ist es gelungen, aus Stammzellen Strukturen zu züchten, die einem 14-Tage-alten Embryo sehr ähnlich sind.
- Embryoähnliche Strukturen sind sehr wertvoll für Forschung und Wissenschaft.
- Ethische Probleme gibt es, solange nicht menschliches Leben künstlich erzeugt wird, keine.
Menschliche, embryonale Strukturen – künstlich erschaffen. Das klingt wie Science-Fiction. Doch wer Jesse Veenvliet zuhört, erreicht schnell wieder den Boden der Tatsachen. Veenvliet leitet die Arbeitsgruppe Embryogenese am Max-Planck-Institut für molekulare Zellbiologie und Genetik in Dresden. Darum, ein menschliches Lebewesen im Labor herzustellen, gehe es ganz explizit nicht. Sondern, dass man Strukturen züchtet, die sehr embryoähnlich aussehen, erklärt er. "Das heißt nicht, dass das Embryonen sind. Das heißt aber, dass die Strukturen, die man in einer Petrischale züchtet, dass die so aussehen wie ein menschliches Embryo, das etwa 14 Tage alt ist." Vorher sei das nur mit Mäusezellen gelungen.
Was embryoähnliche Strukturen so wertvoll für die Forschung macht
Veenvliet und andere Forscher hoffen durch den neuen Erfolg auf Erkenntnisse über die frühe Schwangerschaft. "Um Modelle zu haben, um die Prozesse, die gerade in einer Blackbox ablaufen, studieren zu können."
Lebensfähig seien diese Modelle nicht. Das heißt, es könnte sich daraus kein Mensch entwickeln. Das sei auch nicht nötig. Aber damit, was man jetzt geschaffen habe, könne man perspektivisch die Reproduktionsmedizin, sprich Kinderwunschbehandlungen, verbessern. Oder zum Beispiel besser erforschen, wie Medikamente, die die Mutter in der Schwangerschaft nimmt, auf das Embryo wirken.
Keine ethischen Probleme, solange nicht menschliches Leben künstlich erzeugt wird
Ist es okay dafür, embryoähnliche Strukturen zu züchten? Erstaunlich, was ein katholischer Moraltheologe darauf antwortet. "Damit hat der Mensch Gott gespielt. Nein! Diese Rhetorik des Alarmismus wollte ich aus dem Raum schaffen." Antonio Autiero ist emeritierter Professor der Uni Münster und Vorsitzender der Zentralen Ethik-Kommission für Stammzellenforschung. Die Nachricht über den Forschungsdurchbruch sieht er pragmatisch. "Dieser Schritt hilft sogar, einen besseren Blick zu haben, im Sinne von besserer Erkenntnisgewinnung der Mechanismen
– sowohl der regulären Entwicklung des embryonalen Lebens, als auch der Entstehung von Anomalien, Pathologien, Erkrankungen etc."
Eine Grenze wäre für Autiero überschritten, wenn man tatsächlich menschliches Leben künstlich erzeugen würde. Rechtlich wäre das in Deutschland nicht möglich, erklärt Henning Rosenau, Professor für Medizinrecht an der Uni Halle-Wittenberg. Ob die nun diskutierte Forschungsarbeit so auch in Deutschland hätte stattfinden können, das lasse sich nicht so einfach beantworten. Zunächst sei zu klären, was da eigentlich im Labor entstanden ist. "Wenn das ein Embryo wäre, dann wäre die Forschung nicht zulässig, sondern strafrechtlich in Deutschland verboten."
Die Frage, die dem zu Grunde liege: Können sich die Zellen zu einem Individuum entwickeln? Das scheine im vorliegenden Fall nicht möglich. Demnach also auch hierzulande erlaubt. Allerdings setze das Stammzellengesetz laut Professor Rosenau einen engen Rahmen. "Dazu gehört, dass man nur mit embryonalen Stammzellen aus sogenannten Stammzelllinien arbeitet, die vor dem ersten Mai 2007 entstanden sind. Und dann muss man diese Forschung genehmigen." Das alles müsse hochwissenschaftlichen Forschungszielen dienen.
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL RADIO | 20. Juni 2023 | 06:00 Uhr
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