
CAR-T-Zelle "Neue" Krebstherapie - Hoffnung auf Heilung auch in Jena, Leipzig und Magdeburg
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14. April 2025, 09:14 Uhr
Über einen vermeintlichen Durchbruch in der Krebstherapie in Spanien berichteten dieser Tage mehrere Medien. Dabei sei dies alles gar nicht so neu, wie es klingt - sagt der Direktor des Mitteldeutschen Krebszentrums, Andreas Hochhaus. Wir haben nachgefragt.
Verhaltene Reaktion auf vermeintliche Sensationsmeldung
"Gibt‘s schon." Das ist die kurze Reaktion von Professor Andreas Hochhaus auf eine Sensationsmeldung aus Barcelona hinsichtlich eines vermeintlichen Durchbruchs in der Krebstherapie. Der Direktor des Mitteldeutschen Krebszentrums bezeichnet die Berichterstattung mancher Medien dazu als "oberflächlich". Eine erwähnte konkrete Studie vermisst er auch, und die Beschreibung der sehr guten Situation in Deutschland fehle völlig. Und genau die macht durchaus Hoffnung.
Hochhaus gehört zu den Medizinern in Deutschland, die CAR-T-Zelltherapie nicht nur erklären, sondern auch anwenden. Seit 2018 wird in Deutschland therapiert - derzeit an 45 akkreditierten Zentren, darunter in Jena und Leipzig. Dabei werden die eigenen gewonnenen Immunzellen eines Patienten genetisch so verändert, dass sie Tumorzellen gezielt erkennen und angreifen. Und das wird inzwischen erfolgreich bei verschiedenen Krebsformen eingesetzt.
Das ist nichts von der Stange. Es ist ein individueller Zuschnitt, indem man die eigenen Zellen verwendet.
Krebstherapie: Feine Klinge statt Holzhammer
Um ein verständliches Bild zu zeichnen, vergleicht Hochhaus die klassische Chemotherapie mit einem Holzhammer. Damit werden immer auch Zellen getroffen, die besser erhalten geblieben wären. Die Patienten spüren das auch deutlich, was da im Körper passiert.
Vergleichen wir diese Methode mit einem breiten Brett, das an einen viel schmaleren Balken genagelt werden soll. Wenn man das ganze Brett mit Nägeln bestückt und alle Nägel unkontrolliert einschlägt, werden sicher auch ein paar wenige Nägel das Brett halten. Die meisten allerdings gucken bestenfalls nur sinnlos hinten aus dem Brett heraus und einige erwischen ziemlich sicher die dort liegenden Kabel oder Wasserleitungen.
Markiert man hingegen vorher die relevanten Nägel beziehungsweise den Bereich, in dem der Balken sitzt, kann man sich das Einschlagen der sinnlosen Nägel sparen.
Bei der CAR-T-Zelltherapie geht es ähnlich passgenau zu, bezogen auf die jeweilige Krankheit und den Patienten. Solche individuellen Ansätze gibt es schon seit 25 Jahren, dass man eben spezifische Marker der Tumorzellen erkennt und dann mit spezifischen Medikamenten oder Antikörpern genau diese angreift. Auch die Immuntherapie nutzt solche spezifischen Marker.
CAR-T-Zelltherapie - aufwendig und noch sehr teuer
Insgesamt vier Lieferanten hat der Standort Jena des Mitteldeutschen Krebszentrums bezüglich der CAR-T-Zellen. Bedeutet: entnehmen, einfrieren, versenden, verändern lassen, zurückschicken, Infusion.
Der Prozess ist individuell, aufwendig und deshalb sehr teuer. Rund 300.000 Euro pro Patient. Professor Hochhaus erläutert, dass man mit einer Eigenherstellung - etwa in Kooperation mit Instituten wie dem Fraunhofer-Institut in Leipzig - die Kosten schnell auf 50.000 Euro reduzieren kann.
Hinzu kommt: Wenn es gelingt, die Therapie auf weitere Erkrankungen auszuweiten, sinken auch die Kosten pro Patient weiter. Es ist eben ein Unterschied, ob man Anlagen und hochqualifiziertes Personal für eine Anwendung vorhält, die zweimal jährlich gebraucht werden - oder zweimal am Tag.
Die CAR-T-Zelltherapie
Die CAR-T-Zelltherapie ist aktuell für diese Indikationen zugelassen:
Akute lymphatische Leukämie - eine aggressive Form der Blutkrebs-Erkrankung, bei der sogar schon erste lebensrettende Erfolge, wie etwa bei der Patientin "Emily" dokumentiert sind
Lymphome - Tumorerkrankungen des lymphatischen Systems
Multiples Myelom - eine Erkrankung des Knochenmarks, die vor allem ältere Patienten betrifft
Forschung mit CART-T-Zellen läuft seit Jahren
"Emily" war die erste Patientin, die 2012 erfolgreich mit der CAR-T-Zelltherapie behandelt und damit zur Wegbereiterin wurde, so Professor Hochhaus.
Sie hat die Behandlung als junges Mädchen erhalten und ist inzwischen eine junge Frau, die von akuter lymphoblastischer Leukämie (ALL) geheilt wurde. Auch wenn Hochhaus mit dem Begriff "Heilung" grundsätzlich vorsichtig umgeht.
Die Behandlung weiterer Tumorerkrankungen, wie Weichgewebstumore oder bestimmte Darmkrebsformen, werden derzeit im Labor erprobt. Bei extrem aggressiven Krebsarten wie dem Bauchspeicheldrüsenkrebs sieht Hochhaus aktuell jedoch noch keine ausreichende Datenlage für einen Therapiedurchbruch.
Hoffnung auch für andere Erkrankungen
Überraschenderweise gibt es aber Hoffnungen bei neurologischen Erkrankungen und vor allem bei immunologisch geprägten rheumatischen Systemerkrankungen - wie dem Lupus erythematodes, wo die wesentlichen Symptome reduziert werden könnten.
Hochhaus betont dabei, dass bei Gelenkerkrankungen wie Arthrose nicht der Verschleiß bekämpft werden kann, aber das fehlgeleitete Immunsystem, das quasi Entzündungen wie Arthritis in den Gelenken verursacht, kommt wieder in die richtige Spur.
Er verweist auf Fälle aus Erlangen und Magdeburg. Die Kollegen dort seien als "Erfinder" der Therapie schon zwei Schritte weiter und hätten Patienten, die seit Jahren in Remission sind. Remission heißt, dass die Krankheitszeichen verschwunden sind, wenngleich die ursächliche Überaktivierung des Immunsystems noch irgendwo schlummern kann. Hier brauche es noch weitere klinische Beobachtungen, sagt Hochhaus.
Aber ich denke schon, dass eine Symptomfreiheit für die Patienten schon sehr, sehr wertvoll ist. Und deshalb würde ich diese Richtung der Therapie absolut gern weiterentwickeln. Gemeinsam mit unseren Kollegen in der Rheumatologie.
Wohin nun mit meinem Problem?
Hier hilft das Zweitmeinungssystem. Patienten - ob aus den ländlichen Regionen oder aus den Städten - können sich an zertifizierte Onkologische Zentren wenden, um alternative Therapieansätze prüfen zu lassen, erklärt Professor Hochhaus. Dieses System ermögliche, selbst dann noch Therapieoptionen auf individueller Basis zu prüfen, wenn herkömmliche, zugelassene Behandlungen ausgeschöpft sind. Das wissen aber die behandelnden Ärzte.
Gleichzeitig kritisiert Hochhaus die komplexen regulatorischen Hürden bei klinischen Studien. Er verweist auf laufende Initiativen der Bundesregierung, die - auch im Koalitionsvertrag verankert - darauf abzielen, diese Prozesse zu beschleunigen, um den Fortschritt in der Onkologie und darüber hinaus weiter voranzutreiben.
Und das ist auch das, was die Kollegen in Spanien im Kern eigentlich nur kommuniziert haben - neben ihren Behandlungserfolgen. Nämlich, dass sie die CAR-T-Zellen künftig quasi vor Ort anpassen wollen und das ist auch das, was die Kollegen in Jena und Leipzig zügig anstreben.
MDR (mm)