Medizin CAR-T-Zellen: Das neue Allzweckheilmittel für Autoimmunerkrankungen?
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22. April 2024, 16:51 Uhr
Für die Heilung von Krebs und schweren Autoimmunkrankheiten setzen viele Forschende ihre Hoffnung auf CAR-T-Zellen. Auf einem Kongress der Leopoldina in Halle wurde der aktuelle Forschungsstand vorgestellt.
Menschen, die an Krebs leiden, galten bisher als unheilbar. Seit wenigen Jahren stellen jedoch CAR-T-Zellen eine Heilungsmöglichkeit für bestimmte Formen von Blut- oder Lymphdrüsenkrebs dar. Die Therapie wird in der Wissenschaft als medizinisches Wunder bezeichnet und lässt Forschende, kranke Menschen und Mediziner und Medizinerinnen hoffen.
Am 8. und 9. April sind in der Leopoldina Akademie in Halle internationale Mediziner und Medizinerinnen zusammengekommen, um über die Wirksamkeit und Möglichkeiten der CAR-T-Zelltherapie zu sprechen. Seit 2017 ist die CAR-T-Zelltherapie für die Behandlung von bösartigen B-Zell-Tumoren zugelassen.
Bei der Therapie werden dem Patienten zunächst T-Zellen aus dem Blut entnommen, bevor diese im Labor verändert und mit einem chimärischen Antigenrezeptor) ausgestattet werden. Die entstandenen CAR-T-Zellen werden anschließend künstlich vermehrt und dem Patienten wieder injiziert. Die neuen Zellen sind somit an den Patienten angepasst und können Tumorzellen erkennen und vernichten. Dadurch können Menschen, die unter zuvor unheilbaren Erkrankungen gelitten haben, geheilt werden.
Heilung dank individueller Therapie
Am Universitätsklinikum Erlangen forschen die Mediziner Georg Schett und Andreas Mackensen seit drei Jahren an CAR-T-Zellen. "Wir haben begonnen mit einer schweren Autoimmunerkrankung, die systemischer Lupus erythematodes heißt, der rote Wolf", erklärt Georg Schett im Rahmen des Leopoldina Kongresses. 2021 ist es den Medizinern erstmals gelungen, eine Patientin mit Lupus zu heilen. Bei Lupus richtet sich das Immunsystem gegen den Körper, was zu schweren Organschäden führen kann.
Janina Paech ist eine von den inzwischen 15 geheilten Menschen. Die heutige Medizinstudentin hat mit 16 Jahren die Diagnose Lupus bekommen. Die Krankheit ist bei ihr in Schüben aufgetreten und hat zu Nierenversagen geführt, sowie zu einer Herz- und Leberschädigung. Nachdem sie jahrelang starke Immunsuppressiva nehmen musste und andere Therapien nicht geholfen haben, ist die CAR-T-Zelltherapie ihre letzte Hoffnung gewesen. "Gott sei Dank wurde ich in das Programm aufgenommen, weil diese Therapie hat mir wirklich das Leben gerettet. Also ohne diese Therapie wäre ich ganz sicher nicht mehr hier", sagt sie. Heute ist Paech komplett gesund, Medikamente muss sie nur noch für den Blutdruck nehmen.
CAR-T-Zellforschung in vielen Bereichen
Neben Patienten mit Lupus ist es dem Forschungsteam in Erlangen gelungen, Menschen mit Systemischer Sklerose erfolgreich mit der CAR-T-Zelltherapie zu behandeln. “Darüber hinaus gibt es in anderen Zentren in Deutschland mittlerweile die ersten Patienten mit neurologischen Autoimmunerkrankungen, wie zum Beispiel Myasthenia gravis oder Multiplen Sklerose - bei beiden dieser Erkrankungen wurden bereits jetzt schon CAR-T-Zellen eingesetzt”, sagt Georg Schett.
In München wird außerdem an der Infektionskrankheit Hepatitis B geforscht. Hepatitis betrifft dem Deutschen Zentrum für Infektionsforschung zufolge rund 260 Millionen Menschen weltweit. Die Krankheit kann unter anderem zu einer Leberfibrose oder zu Leberkrebs führen. Die Virologin Ulrike Protzer beschäftigt sich am Helmholtz Zentrum München mit chronischer Hepatitis B. "Momentaner State of the art sind antivirale Therapien, die die Virusvermehrung unterdrücken, die das Ganze aber nicht ausheilen und die das Risiko haben, wenn man sie weglässt, dann ein Leberversagen zu bekommen, weil das Virus halt zurückkommt."
Für Protzer können Immuntherapien die Lösung für chronische Hepatitis B sein. "Das könnte eine therapeutische Impfung sein, das könnten Antikörper-basierte Therapien sein oder eben auch CAR-T-Zellen", sagt die Direktorin des Instituts für Virologie. Derzeit finden erste frühklinische Studien statt, um zu untersuchen, ob die veränderten T-Zellen das Virus unter Kontrolle halten können.
Ein Heilmittel für HIV?
Doch auch bei Krankheiten, die mithilfe von Medikamenten gut behandelbar sind, wird der Einsatz der Therapie erforscht. So beschäftigt sich Steven Deeks an der University of California in San Francisco mit HIV. Menschen, die an dem Virus erkrankt sind, können mithilfe von Medikamenten ihrem Alltag normal nachgehen, so Steven Deeks: "Menschen mit HIV geht es gut, sie haben kein Krebs."
Dennoch hofft Deeks darauf, dass in Zukunft CAR-T-Zellen zur Behandlung eingesetzt werden können. Damit wäre es möglich, das Virus vollständig zu heilen, anstatt es nur mithilfe von Medikamenten unter Kontrolle zu haben. Dafür sollen starke CD8-T-Zellen verwendet werden, denn es gibt jetzt schon Menschen, die dank dieser körpereigenen Zellen HIV kontrollieren können. Könnte man diese Zellen reproduzieren und den Patienten und Patientinnen injizieren, bräuchten sie in Zukunft keine Therapie und Medikamente mehr. "Ziel ist es jetzt, zu beweisen, dass dieser Ansatz sicher durchgeführt werden kann. Außerdem beginnen wir zu untersuchen, ob diese T-Zellen das Virus kontrollieren können, wenn die Patienten die Therapie abbrechen."
Bis es bei HIV zum Einsatz von CAR-T-Zellen kommt, wird es noch einige Jahre dauern, meint Deeks. Der Wissenschaftler ist sich dennoch sicher, dass seine Forschung auch in anderen Bereichen helfen kann, und dass seine Arbeit von anderen Forschenden beeinflusst wird. "Es wurden Menschen mit schlimmen Lupus mit nur einer Spritze geheilt und das ist unglaublich, Ich denke, das ist eine der coolsten Sachen, die es derzeit in der Medizin gibt." Doch die Herstellung ist aufwendig, es kann Nebenwirkungen geben und eine Behandlung ist teuer. All das erschwert den Zugang für viele Menschen und macht die Therapie, Stand jetzt, sehr exklusiv.
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | 17. April 2024 | 10:47 Uhr