Adeno-assoziierte Viren Vektorbasierte Gentherapien: Viele Krankheiten können jetzt geheilt werden
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03. April 2025, 15:23 Uhr
In Leipzig sprechen Forscher über Fortschritte bei modernen Therapien mit genetisch veränderten Viren. Diese Ansätze sind zwar teuer. Doch sie können nun zuvor lebenslange Krankheiten mit einer einmaligen Gabe heilen.
In der medizinischen Forschung sind sogenannte virale Vektoren bereits seit einigen Jahren etabliert. Forscher verändern dazu bestimmte Erkältungserreger wie Adenoviren im Labor. Den Viren werden die genetischen Fähigkeiten entzogen, sich in Wirten vermehren zu können. So verlieren sie auch ihre krankmachenden Eigenschaften. Dann fügen die Forscher bestimmte Gene oder Genwerkzeuge wie die Genschere Crispr/CAS-9 hinzu, die den Menschen helfen sollen. Die veränderten Viren funktionieren dann wie eine Fähre, die die gewünschten Gene an die richtigen Stellen im Körper bringen.
In Leipzig haben sich diese Woche Wissenschaftler am Fraunhofer-Institut für Immunologie und Zelltherapie getroffen zum AAV-Meeting. AAV steht für "Adeno assoziierte Viren", ein Typ von viralen Vektoren, der aktuell erforscht wird. Ulrike Köhl ist Professorin am Institut für Klinische Immunologie Leipzig und Direktorin am Fraunhofer IZI und kennt den Stand der Forschung.
Wo steht die Technologie aktuell? Wie häufig werden damit schon neue Medikamente hergestellt?
Ulrike Köhl: Es gibt drei Einsatzmöglichkeiten für Adeno assoziierte Virustherapien (AAV) in der Medizin. Die Erste sind Impfstoffe, wo mittels der Vektorviren in gesunden Menschen das Immunsystem aktiviert wird, um diese vor Infektionen zu schützen. Bei der zweiten Einsatzmöglichkeit dienen AAV als kritischer Ausgangsstoff oder einfach gesagt als Werkzeug zur Herstellung lebender Medikamente, zum Beispiel zur Behandlung diverser Krebserkrankungen. Dabei entnimmt man Immunzellen von einem Patienten, die sogenannten T-Zellen. Die werden außerhalb des Körpers genetisch verändert, unter anderem mithilfe solcher Adeno-assoziierter viraler Vektoren. Diese Viren liefern den T-Zellen eine Art Schlüssel zum Schloss der Krebszellen, einen sogenannten Chimären Antigen Rezeptor. Daher der Name: CAR-T-Zellen. Werden sie dann in den Körper zurückgegeben, können sie an die Krebszellen binden und sie zerstören.
Und was ist dritte Weg?
Die dritte Option adressiert sogenannte monogenetische Erkrankungen, also Krankheiten die maßgeblich auf einem einzelnen Gendefekt basieren. Hierzu gehören zum Beispiel einige seltene angeborene Stoffwechselerkrankungen. AAV werden dabei genutzt, um das defekte Gen zu ersetzen oder gar zu reparieren. Derzeit müssen solche Erkrankungen ein Leben lang symptomatisch behandelt werden. Die Gentherapie bietet die Möglichkeit, die Ursache dieser Erkrankungen dauerhaft oder zumindest langfristig zu beheben.
Was sind aus Ihrer Sicht die größten Erfolge von Therapien auf Basis viraler Vektoren?
Die Möglichkeiten, damit Krankheiten zu heilen, sind sehr vielfältig und deshalb wird der Ansatz inzwischen breit ausgerollt, also auch in der Neurologie oder bei den großen Volkskrankheiten. Ein Durchbruch gab des mit den Adeno-assoziieren Virusvektoren für die im Volksmund Bluterkrankheit genannte Blutgerinnungsstörung (Hämophilie). Die basiert auch auf einem genetischen Defekt, den man nun mit einer einmaligen AAV-Therapie zu heilen versucht. Aktuell müssen die Betroffenen lebenslang Medikamente nehmen, was hunderttausende Euro pro Jahr kostet. Ein anderes Beispiel ist die spinale Muskelatrophie. Die betrifft vor allem Kinder. Nach der Geburt ist meistens erstmal alles normal, die Kinder bewegen sich, krabbeln, fangen an zu laufen. Aber plötzlich kommt der schwere Gendefekt zum Tragen, und sie entwickeln sich auf einmal zurück. Sie erleben eine massive Muskelschwäche, können sich nicht mehr bewegen, das Skelett wird deformiert und durch die Lähmung der Atemmuskulatur führt die Krankheit dann zum Tod. Auch hier gibt es nun eine auf AAV basierte, zugelassene Therapie, die die Behandlungserfolge deutlich verbessern und sogar zu einer Heilung führen kann.
An welchen Krankheiten wird derzeit geforscht, was wird da noch möglich sein?
Ein Beispiel sind genetisch bedingte Augenerkrankungen, die im frühen Kindesalter zu völliger Blindheit führen können. AAV basierte Therapieansätze zeigen hierbei bereits längerfristige Behandlungserfolge, die das Fortschreiten der Erkrankung zwar deutlich verlangsamt, bislang aber noch nicht heilt. Das war eines der Themen auf unserem Kongress diese Woche. Ähnliche Ansätze werden zur Behandlung genetisch bedingter Taubheit verfolgt. Bis heute sind mehrere Tausend monogenetische Erkrankungen bekannt, welche mit dem grundlegenden Ansatz der Gentherapie adressiert werden können. Eine Vielzahl von Studien und Forschungsarbeiten beschäftigt sich deshalb mit dieser Technologie.
Und was sind die größten Schwierigkeiten, solche neuen Heilungsverfahren für alle Patienten verfügbar zu machen?
Für den ganzen Bereich der Zell- und Gentherapien gilt: Das sind sehr teure Therapien. Die Kosten reichen von 250.000 Euro bis zu mehreren Millionen Euro pro Behandlung. Dafür bieten Sie jedoch eine echte Chance auf langfristigen Therapieerfolg und teilweise. sogar auf Heilung. Das kann im Endeffekt mitunter deutlich wirtschaftlicher sein, als Patienten ein lebenslang mit Medikamenten symptomatisch zu behandeln. Trotzdem fallen diese Kosten einmalig in einem bestimmten Jahr an, und das ist für das Gesundheitssystem zunächst eine große Belastung. Das gilt umso mehr, wenn diese Technologie noch für viele andere Erkrankungen verfügbar werden sollte. Deswegen müssen wir die technischen Herausforderungen angehen, um die Therapien preiswerter zu machen. Da sprechen wir über optimierte Herstellungsprozesse, KI-basierte Technologien und Automatisierungen. Da gibt es viele Möglichkeiten. Am Fraunhofer IZI beteiligen wir uns intensiv an entsprechenden Entwicklungsprojekten, zudem bauen wir aktuell unsere Reinrauminfrastruktur aus, um zukünftig auch AAV basierte Medikamente für die klinische Entwicklung herstellen zu können.
Ein anderes Thema ist die viele Bürokratie, die die Übersetzung von Forschungsergebnisse in die klinische Anwendung erschwert, verlangsamt und dadurch auch verteuert. Auf dem Weg zur Zulassung benötigt man deshalb sehr viel Geld und einen langen Atem. Viele interessante Ansätze scheitern an dieser Stelle, was man auch das Todestal der Innovationen nennt. Deutschland und Europa haben da noch Nachteile gegenüber anderen Regionen wie Asien oder den USA, wo deutlich mehr Kapital für klinische Studien verfügbar ist, sei es durch staatliche Förderung oder privates Risikokapital.
Wir begegnen diesen Herausforderungen einerseits durch Vernetzung, zum Beispiel auf Ebene des Bundes mit der Nationalen Strategie Gen- und Zelltherapien, aber auch auf Landesebene mit dem Zukunftscluster SaxoCell. Ziel dieser Initiativen ist der engere Austausch zwischen Akteuren der Forschung, der Wirtschaft und der Politik, einerseits um Synergien bei der Entwicklung neuer Technologien zu nutzen, andererseits um Regularien zu harmonisieren und Bürokratie abzubauen.
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT | 19. März 2025 | 16:30 Uhr
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