Gendermedizin Was von der neuen Professur für geschlechtersensible Medizin an der Uni Magdeburg zu erwarten ist
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05. Mai 2024, 06:40 Uhr
Wie unterscheiden sich die Symptome und die Behandlung von Krankheiten zwischen den verschiedenen Geschlechtern und warum ist es wichtig, diese Unterschiede zu kennen und auch zu berücksichtigen? Mit solchen Fragen befasst sich Ute Seeland im Rahmen ihrer neuen Professur für gendersensible Medizin – und das nicht an der Berliner Charité, wo sie vorher arbeitete, sondern an der Universitätsmedizin Magdeburg. Seit Jahrzehnten sind geschlechtsspezifische Unterschiede in der Medizin kaum erforscht.
- Obwohl sie höchst relevant sind, wurden geschlechterspezifische Unterschiede in der Medizin jahrzehntelang kaum beachtet.
- Hormonelle Unterschiede zwischen den Geschlechtern haben einen erheblichen Einfluss darauf, wie wir erkranken und wieder gesund werden können.
- An der Uni Magdeburg sollen diese Unterschiede aber nicht nur erforscht, sondern auch in der universitären Lehre und in der klinischen Versorgung berücksichtigt werden.
Ute Seeland ist gerade sehr gefragt. Denn in Magdeburg hat sie Anfang März die bundesweit erste Vollzeitprofessur für gendersensible Medizin übernommen. Dafür ist sie extra von der Charité in Berlin nach Magdeburg gekommen.
Ein Grund: An der Spitze der Medizinischen Fakultät sitzt eine Frau. "Erstmal ist hier eine Dekanin. Das hat mir die Sache sehr erleichtert, weil ich endlich mal jemanden gegenüber hatte, die mich sofort verstanden hat. Bei der ich nicht erst drei Anläufe brauchte, um überhaupt das alles zu erkennen. Das hat mir sehr gut getan."
Geschlechtsspezifische Unterschiede in der Medizin jahrzehntelang unbeachtet
An der Medizinischen Fakultät der Otto-von-Guericke-Universität ermöglicht ihr Dekanin Daniela Dieterich viel Spielraum, um das neue Fachgebiet Geschlechtersensible Medizin aufzubauen. Dementsprechend gibt es noch viel zu tun. Für das Gespräch treffen wir uns im Konferenzraum der Dekanin – Ute Seelands Büro ist noch im Umbau.
Daniela Dieterich empfängt die blonde, schlanke Frau freudig. Sie ist stolz, Ute Seeland nach Magdeburg geholt zu haben. "Wir waren gerade bei der Frage: Warum wurde das eigentlich jahrzehntelang fast gar nicht in der Medizin beachtet? Ich glaube, dass die Erde keine Scheibe ist, war auch nicht von heute auf morgen gegeben. Das ist natürlich auch eine Evolution der Gedanken. Und man muss dann einfach mal anerkennen, dass es ein Defizit gab und das gleichen wir jetzt aus."
Meilenstein in der Gendermedizin
Denn der Einfluss der Hormone ist enorm: Er reicht vom Wasserhaushalt, über den Muskelaufbau bis hin zum Fettanteil im Körper – und beeinflusst damit auch, wie Herz, Nieren oder das Gehirn auf Krankheiten und natürlich Medikamente reagieren. Doch das meiste, was an Medikation zugelassen ist, gilt für einen Mann, 70 kg schwer, ungefähr 1,75 Meter groß und zwanzig bis vierzig Jahre alt.
Die neue Vollzeitstelle sei ein Meilenstein, so Dekanin Dieterich. Denn es werden sowohl organische, als auch sozio-kulturelle Einflüsse auf Krankheit und Genesung erforscht. Außerdem sollen die Studierenden schon im Grundstudium mit dem Thema konfrontiert werden und es damit später in die Fachbereiche tragen.
In Deutschland bislang einzigartiger Dreiklang aus Forschung, Lehre und Praxis
Und: Gendersensible Medizin soll auch praktisch angewendet werden: "Es werden hier Patientinnen und Patienten in den Genuss kommen, dass sie eine differenziertere Diagnose, vielleicht die erste wirkliche Diagnose in ihrem Leiden bekommen." Dieser Dreiklang – also Forschung, Lehre und Praxis – das sei deutschlandweit einmalig, so Ute Seeland. "Und das ist das Besondere, weil dieses theoretische Fach jetzt in die Versorgung muss."
Die jüngere Generation müsse nicht mehr überzeugt werden, sagt Ute Seeland. Ihre Studierenden seien schon nach den ersten Vorlesungen begeistert gewesen: "Die Studierenden haben sowohl an der Charité, als auch in Magdeburg einen unglaublichen Esprit, dieses Thema voranzubringen."
Bei ihrem Ansatz gehe es dabei nicht nur um Frauen. Da gäbe es nur extrem viele Wissenslücken, die gefüllt werden müssten. Aber auch Männer seien bei bestimmten Krankheitsbilder unterversorgt. Nicht-binäre Menschen sowieso. Letztlich gehe es darum, die individuellen Einflüsse auf Krankheit und Therapie geltend zu machen – damit die medizinische Versorgung für alle besser wird.
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Das Nachrichtenradio | 05. Mai 2024 | 06:08 Uhr