Bis zu 10.000 Euro Bußgeld Trans Personen "misgendern" oder "deadnamen" kann teuer werden
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26. November 2024, 08:12 Uhr
Auf TikTok wird erzählt, "Misgendern" und "Deadnaming" von transgeschlechtlichen Personen könne durch das Selbstbestimmungsgesetz strafrechtlich verfolgt werden. Tatsächlich kann beides hohe Bußgelder nach sich ziehen.
- Eine transgeschlechtliche (trans) Person zu outen, um ihr zu schaden, kann durch das Selbstbestimmungsgesetz mit einem Bußgeld von bis zu 10.000 Euro geahndet werden.
- Nicht jedes absichtliche "misgendern" und "deadnamen" fällt unter das Offenbarungsverbot.
- Eine Interessensvertretung für trans Menschen fordert, Beleidigungen auf Basis von Geschlecht und geschlechtlicher Identität in den "Hassrede-Paragraphen" aufzunehmen.
"Das absichtliche deadnamen und misgendern einer trans Person ist seit dem Inkrafttreten des Selbstbestimmungsgesetzes illegal", erklärt trans Frau Saoirse bei TikTok. Sie sagt, dass Menschen, die ihr schrieben, sie sei ein Mann oder solle "er"-Pronomen benutzen, strafrechtlich verfolgt werden könnten. Stimmt das?
Was ist Deadnaming?
Der Deadname einer trans- beziehungsweise intergeschlechtlichen oder non-binären Person ist der ihr bei der Geburt gegebene Vorname – in Unkenntnis der später erkannten Geschlechtsidentität. Bei trans Personen passt dieser Name nicht, weshalb sie ihn durch einen passenden Namen ersetzen. Das Ansprechen einer solchen Person mit ihrem alten, bei der Geburt zugewiesenen Vornamen bezeichnet man als Deadnaming, missachtet das Selbstbestimmungsrecht der so angesprochenen Person und kommt einem Fremd-Outing gleich.
Was ist Misgendern?
Misgendern bedeutet, dass eine Person einem falschen Geschlecht zugeordnet und/oder über sie mit dem falschen Pronomen oder falschen vergeschlechtlichten Bezeichnungen (wie "Frau") gesprochen wird. Das kann manchmal unabsichtlich passieren. Es kann aber auch absichtlich – etwa als Abwertung oder Ablehnung – gemeint sein. Misgendering betrifft vor allem Trans- und nichtbinäre Menschen.
Warum schreibt ihr "trans Person" statt Transperson?
"Trans" ist die Kurzform von "transgeschlechtlich", einem Adjektiv. Wir benutzen im Text bevorzugt diese Form, deren Verwendung auch durch den Duden gedeckt ist. Das Substantiv "Transperson" wird von den Betroffenen eher abgelehnt, da die Transgeschlechtlichkeit nur einen Teil der Persönlichkeit ausmacht, der andere Charakteristika nicht überstrahlen soll.
Bußgeld bis zu 10.000 Euro für Zwangsouting
Tatsächlich fällt im Selbstbestimmungsgesetz (SBGG) weder das Wort "Misgendern" noch "Deadnaming". Was es gibt, ist ein sogenanntes "Offenbarungsverbot" in Absatz 13. Das ist als Schutz gegen ein Zwangs-Outing gedacht, erklärt das Bundesfamilienministerium auf seiner Webseite. Es verbiete, frühere Geschlechtseinträge ohne Zustimmung der betroffenen Person anderen Leuten mitzuteilen.
Wer das trotzdem tut und der Person damit absichtlich schadet, begeht eine Ordnungswidrigkeit, die mit einer Geldbuße bis zu 10.000 Euro geahndet werden kann. Die "Deutsche Gesellschaft für Trans*- und Inter*geschlechtlichkeit e.V." (dgti) schreibt dazu, so werde sichergestellt, dass "trans*, inter* und nicht-binäre Menschen" in ihrer neuen Identität respektiert werden. Es gehe um den Schutz der Privatsphäre und die Wahrung der persönlichen Würde.
Misgendern und deadnaming nicht immer von Selbstbestimmungsgesetz erfasst
Rechtsanwalt Oliver Tolmein erklärt, Misgendern und Deadnaming könne unter dieses Offenbarungsverbot fallen, müsse es aber nicht. "Es ist keine Offenbarung, wenn sich zwei Nachbarn über einen Zaun unterhalten, die die Person von früher kennen. Es ist auch keine Offenbarung, wenn ich der Person, die ihren Geschlechtseintrag geändert hat, sage 'Hey, du bist doch ein Mann'." Denn die Person selbst wisse ja um ihren früheren Geschlechtseintrag.
Was TikTokerin Saoirse als Beispiel anführt – nämlich, dass Menschen ihr schrieben, sie sei ein Mann – kann also nach dem SBGG nicht bestraft werden. Es könnte aber Tolmein zufolge als "Beleidigung" strafrechtlich verfolgt werden. Da greife dann Paragraph 185 des Strafgesetzbuches. "Diese Möglichkeit existiert schon seit vielen Jahren, ist aber kein scharfes Schwert".
Ein Offenbarungsverbot gab es übrigens in ähnlicher Form auch schon im Transsexuellengesetz. Im Selbstbestimmungsgesetz neu ist das Bußgeld von 10.000 Euro, das verhängt werden kann.
Es gibt also Möglichkeiten für trans Menschen dagegen vorzugehen, wenn sie jemand misgendert oder ihren Deadname verwendet. "Leicht ist es aber nicht", sagt Tolmein. Und es geschehe meist eher im zivil- und nicht im strafrechtlichen Bereich – das habe sich auch mit dem Selbstbestimmungsgesetz nicht geändert.
Trans Menschen nicht durch Hassrede-Paragraph geschützt
Die oben bereits zitierte dgti sieht deshalb Nachbesserungsbedarf beim Selbstbestimmungsgesetz. Der Verband kritisierte bei MDR AKTUELL, dass vorsätzliches Misgendern im Gesetz nicht explizit mitgeregelt worden sei und maximal als Ordnungswidrigkeit geahndet werden könne.
Die dgti kritisiert auch die Ausnahmen des Offenbarungsverbots. "Trans*feindliche Ehepartner*innen und weitere Angehörige sind im Entwurf ausgenommen und können nicht belangt werden. Auch wenn eine Person in der Öffentlichkeit steht, greift das Verbot nicht."
Außerdem fordert die dgti, das Merkmal Geschlecht und geschlechtliche Identität in den Paragraphen 192a im Strafgesetzbuch aufzunehmen. Paragraph 192a stellt "verhetzende Beleidigungen" unter Strafe. Als verhetzend gelten dabei Beleidigungen wegen Herkunft, Weltanschauung, Behinderung oder sexueller Orientierung. Sie können mit einer Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren bestraft werden.
Beleidigungen auf Basis von Geschlecht oder geschlechtlicher Identität werden in Paragraph 192a nicht genannt. Deswegen ist er eher nicht für die strafrechtliche Verfolgung von trans-feindlichen Äußerungen anwendbar, sagt auch Anwalt Oliver Tolmein.
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL RADIO | 23. November 2024 | 09:48 Uhr