Studieren Bafög-Anteil in Sachsen am höchsten
Hauptinhalt
17. Dezember 2022, 07:00 Uhr
Seit Jahren verliert das Bafög als Studienfinanzierung kontinuierlich an Bedeutung. Neueste Zahlen dazu gibt es vom Centrum für Hochschulentwicklung. Überraschend dabei: In Sachsen ist der Bafög-Anteil am höchsten, in Thüringen mit am niedrigsten.
Das Bafög hat als Studienfinanzierung deutlich an Bedeutung verloren. Das ist das Ergebnis einer neuen Studie vom Centrum für Hochschulentwicklung (CHE) in Gütersloh. Der Leiter der Studie, Ulrich Müller, sagte dem MDR dazu: "Seit ungefähr zwölf Jahren ist die Bafög-Quote bundesweit am Absacken." Der Anteil der Bafög-Empfänger in Deutschland liegt laut der Studie bei elf Prozent, das sind rund 333.000 Studierende.
Unterschiede zwischen den Bundesländern sind groß
Überraschend dabei: Die Unterschiede zwischen den Bundesländern sind teilweise erstaunlich groß. "Damit hätten wir nicht gerechnet", sagt Ulrich Müller. So weist Sachsen mit 18 Prozent den höchsten Anteil von Studierenden auf, die Bafög beziehen. Ähnlich hohe Werte erreichten Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt mit Anteilen von 17,3 bzw. 16,7 Prozent. In Thüringen dagegen bekommen lediglich 9,2 Prozent der Studierenden Bafög. Geringer ist der Anteil nur im Saarland mit 8,3 und in Hamburg mit 8,7 Prozent.
Es ist nicht so, dass reiche Bundesländer per se eine geringere Bafög-Quote haben als ärmere.
Woher diese Unterschiede rühren, könne man derzeit nur vermuten, sagt Ulrich Müller. Seine erste Vermutung sei gewesen, dass es an der Wirtschaftskraft des Bundeslandes liege, wie viele Studierende Bafög erhalten. Etwas ähnliches vermutet auch Sabine Giese, Sprecherin der Konferenz Sächsischer Studierendenschaften. Sie sagte dem MDR: "Ich gehe davon aus, dass aufgrund der vergleichsweise günstigen Lebenshaltungskosten das Bafög in den meisten Fällen in Sachsen zumindest zum Leben reicht (wenn auch sehr knapp und sparsam) und es sich daher nochmal ein wenig mehr lohnt, einen Antrag zu stellen." Doch "es ist nicht so, dass reiche Bundesländer per se eine geringere Bafög-Quote haben als ärmere", erklärt Ulrich Müller, der Leiter der Studie.
Meine Vermutung ist, dass manche Länder es besser schaffen als andere, das Bafög bekannt zu machen.
Vielmehr sei es vermutlich so, dass die Bekanntheit und die Akzeptanz des Bafög in den Ländern unterschiedlich verteilt sei. Es gibt keine Behörde, die bundesweit für das Bafög zuständig ist. "Das läuft über die einzelnen Studentenwerke", so Müller. "Meine Vermutung ist, dass manche Länder es besser schaffen als andere, das Bafög bekannt zu machen. Das ist für mich die einzige Erklärung."
Zumindest die Zahlen für Sachsen könnten zu dieser These passen. Ulrich Müller: "Seit 2005 können wir sagen, dass Sachsen immer deutlich über dem Bundesdurchschnitt der Bafög-Quote liegt." Die Quote liegt seit Jahren mindestens sechs Prozentpunkte über dem Bundesdurchschnitt des Bafög-Anteils.
Aufwändiges Bafög-Antragsverfahren
Weshalb das Bafög in seiner Bedeutung als Studienfinanzierung so verloren hat, habe viele Gründe, sagt Sabine Giese. "Allen voran würde ich die Hürden anbringen, die das Bafög mit sich bringt." Wer Bafög beantragt, muss das Einkommen der Eltern angeben. Auf dieser Grundlage wird eine Berechtigung für diese Art der Studienfinanzierung berechnet. "Das Antragsverfahren ist aufwendig", sagt Sabine Giese. So versuchten viele Studierende erst gar nicht, Bafög zu beantragen.
Die Realität vieler Studenten ist, dass sie einen Nebenjob haben, weil das Geld nicht reicht.
Dem pflichtet Anton Borrmann, Vorsitzender des Studierendenrates an der Martin-Luther-Universität Halle, bei. "Die Antragstellung ist ein riesiger bürokratischer Aufwand, vor allem im Vergleich zur Höhe des Bafögs." Der Höchstsatz liegt derzeit bei 934 Euro monatlich. Die Hälfte davon ist ein Darlehen, dass später zurückgezahlt werde muss, und zwar "maximal 10.000 Euro", sagt Studienleiter Müller. Anton Borrmann aus Halle stellt klar: "Die Realität vieler Studenten ist, dass sie einen Nebenjob haben, weil das Geld nicht reicht." Auch die Elternabhängigkeit sei dafür verantwortlich, dass viele Studierende das Bafög erst gar nicht beantragen. "Von der Idee her ist es gut gedacht, aber es ist nicht an den Bedarfen angepasst", sagt Borrmann.
Das CHE fand heraus, dass Studierende stattdessen hauptsächlich auf die Unterstützung durch Eltern (86 Prozent), Nebenjobs (61 Prozent) oder eigene Ersparnisse (18 Prozent) zurückgreifen, um die Studienkosten zu stemmen. Schlechter als das Bafög schnitten nur andere Optionen wie Studienkredite (drei Prozent), das Deutschlandstipendium oder Stipendien der Begabtenförderwerke (jeweils ein Prozent) ab.
Studienleiter Müller: Bafög hat ein Akzeptanzproblem
"Angesichts der finanziellen Herausforderungen, denen Studierende in diesen unruhigen und unsicheren Zeiten ausgesetzt sind, können wir uns in Deutschland eine Bafög-Dauerbaustelle nicht länger leisten", urteilt Ulrich Müller. "Die dramatisch geringe Förderquote zeigt: Das Bafög hat in seiner jetzigen Form sowohl ein Ausgestaltungs- als auch ein Akzeptanzproblem. Wenn ein Tool, das Hilfe und Sicherheit bieten soll, selbst in Schwierigkeiten steckt, hat das gravierende Folgen", so der Experte für Studienfinanzierung.
Die amtierende Bundesregierung hat sich im Koalitionsvertrag darauf geeinigt, mit "einem grundlegend reformierten BAföG […] den Grundstein für ein Jahrzehnt der Bildungschancen" zu legen. Dieser Anspruch wurde laut CHE bislang aber nur zu einem kleinen Teil eingelöst. Aus Sicht des CHE muss über die erfolgte Anpassung von BAföG-Fördersätzen und Bemessungsgrenzen hinaus die staatliche Studienförderung insgesamt neu konzipiert werden.
Studierende fordern elternunabhängiges Bafög
Die Studierenden in Sachsen haben einen Bafög-Forderungskatalog erarbeitet, in dem sie unter anderem ein elternunabhängiges Bafög, höhere Freibeträge für Zuverdienste und eine Lehrmittelunterstützung fordern.
Denn dass die finanzielle Situation der Studierenden Anlass zur Besorgnis gebe, habe das Statistische Bundesamt, so das CHE, jüngst wieder festgestellt. Laut aktueller Berechnungen liege die relative Armutsgefährdung bei Studierenden in Deutschland mehr als doppelt so hoch wie bei der Bevölkerung insgesamt.
MDR AKTUELL (caf)
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | recap – bei Youtube | 25. November 2022 | 17:00 Uhr