Carsten Schneider (SPD), Staatsminister für die neuen Bundesländer und Beauftragter der Bundesregierung für Ostdeutschland, präsentiert in der Bundespressekonferenz ein Dokument
Der Ostbeauftragte Carsten Schneider findet, dass ostdeutsche Perspektiven noch zu wenig vorkommen. Bildrechte: picture alliance/dpa | Bernd von Jutrczenka

Bericht zum Stand der deutschen Einheit Ostdeutsche in Chefetagen der Behörden noch stark unterrepräsentiert

25. September 2024, 22:23 Uhr

Der Anteil der Ostdeutschen in den Chefetagen der Bundesbehörden ist zuletzt nur leicht gestiegen. Das geht aus dem diesjährigen Bericht zum Stand der deutschen Einheit hervor. Der Ostbeauftragte Carsten Schneider beklagt, noch immer mangele es an ostdeutschen Perspektiven in der öffentlichen Debatte. Zugleich zeigt der Bericht auch, dass sich Ost und West in Grundprinzipien der Gesellschaft wie der Gleichberechtigung der Geschlechter und einem sozialen Miteinander weitgehend einig sind.

Die Behörden des Bundes werden weiterhin überwiegend von gebürtigen Westdeutschen geleitet, der Anteil der Ostdeutschen ist jedoch zuletzt leicht gestiegen. Das ist ein Ergebnis des am Mittwoch vorgestellten Berichts des Ostbeauftragten der Bundesregierung, Carsten Schneider, zum Stand der deutschen Einheit. Demnach waren zum Stichtag 30. Juni dieses Jahres 81,2 Prozent des Führungspersonals der obersten Bundesbehörden gebürtig aus den westdeutschen Bundesländern und 15 Prozent aus den ostdeutschen Ländern inklusive Berlin.

Nur geringfügig mehr ostdeutsches Führungspersonal in Bundesbehörden

Gegenüber dem Vorjahr ist das nur eine kleine Veränderung: Nach Abzug der gebürtigen Berliner ergibt sich nur noch ein Ost-Anteil von 7,8 Prozent (2024) und 7,3 Prozent (2023). Zu den obersten Bundesbehörden zählen etwa die Bundesministerien, das Bundeskanzler- und das Bundespräsidialamt. In den direkt unterstellten sogenannten oberen Bundesbehörden – etwa dem Statistischen Bundesamt, dem Umweltbundesamt oder der Bundesagentur für Arbeit – sieht das Bild ähnlich aus. Hier verschob sich das Verhältnis im Vergleich zum Vorjahr sogar noch minimal zugunsten Westdeutschlands.

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Der Bericht sieht einen Grund für die Unterrepräsentation von Ostdeutschen in Führungspositionen darin, dass der Hauptsitz dieser Behörden größtenteils in Westdeutschland liegt. "Dadurch erfolgten die Personalrekrutierung und Karriereförderung über viele Jahre hinweg überwiegend dort", heißt es in dem Dokument.

Ostbeauftragter Schneider: Land verschenkt wertvolles Potenzial

Der Bericht unter dem Titel "Ost und West. Frei, vereint und unvollkommen" soll unterschiedliche Perspektiven auf Ostdeutschland geben. "Noch immer fließen ostdeutsche Perspektiven zu selten in die öffentliche Debatte ein", beklagt Schneider in seinem Vorwort. Das liege auch daran, dass zu wenige Ostdeutsche Führungspositionen innehätten. Das betreffe Medien, Wirtschaft und die Rechtsprechung – "überall sind die Chefetagen weit überdurchschnittlich mit Westdeutschen besetzt."

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Ostdeutsche machten fast 20 Prozent der deutschen Bevölkerung aus, aber nur acht Prozent der führenden Medienmacher und nur vier Prozent der Wirtschaftsbosse seien in Ostdeutschland geboren. "So verschenkt unser Land viel wertvolles Potenzial", schreibt Schneider. Die Unterrepräsentation sei auch einer der Gründe, warum sich Ostdeutsche noch immer als Bürger zweiter Klasse fühlten, betonte Schneider bei der Vorstellung des Berichts.

Viele Befragte für Chancengleichheit – Klimaneutralität und Zuwanderung umstritten

Zugleich präsentierte der Ostbeauftragte neue Erkenntnisse aus dem Deutschland-Monitor, einer Umfrage mit knapp 4.000 Teilnehmern in Ost- und Westdeutschland vom Frühjahr. Demnach sind neun von zehn Befragten in Ost und West für eine Gesellschaft mit gleichberechtigten Geschlechtern, mit gleichen Chancen auf Entfaltung der Persönlichkeit, mit einem friedlichen Zusammenleben der Religionen, einem "gelebten sozialen Miteinander" und sozialer Gerechtigkeit – all diese Fragen erhielten einheitlich um die 90 Prozent Zustimmung. Hinter das "Leistungsprinzip" stellten sich 81 Prozent.

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Eine knappere Mehrheit bundesweit unterstützt die Ziele, in einer "klimaneutralen Gesellschaft" zu leben (57 Prozent) oder in einer Gesellschaft, "in der Zuwanderung als Chance begriffen wird" (56 Prozent). Und diese Ziele werden dem Bericht zufolge in Westdeutschland stärker unterstützt als in Ostdeutschland. Allerdings heißt es auch: "Diese Ost-West-Unterschiede zeigen sich jedoch nur bei jenen Personen, die vor 1972 in der ehemaligen DDR beziehungsweise in Westdeutschland geboren und sozialisiert wurden." Bei Menschen, die ab 1972 geboren sind und somit überwiegend im wiedervereinigten Deutschland sozialisiert wurden, gebe es hinsichtlich der bevorzugten Gesellschaft kaum Unterschiede zwischen Ost und West.

"Wir-Gefühl" fehlt

Eine andere Erkenntnis aus dem "Deutschland-Monitor": 35 Jahre nach dem Mauerfall empfindet eine große Mehrheit der Menschen in Ost und West kein "Wir-Gefühl". Lediglich etwa ein Drittel der Befragten habe Vertrauen in andere Menschen. Nur ein Viertel glaube, dass sich die Mitmenschen gegenseitig unterstützen. Nicht einmal jeder Achte bewerte den gesellschaftlichen Zusammenhalt noch als positiv. Ein gesamtgesellschaftliches "Wir-Gefühl" werde zudem von Ostdeutschen im Schnitt seltener als von Westdeutschen bejaht. Auch bei Menschen mit mittlerer und niedriger Schulbildung, populistischen Neigungen, Parteinähe zu AfD und BSW und dem Empfinden sozialer Benachteiligung gebe es nur ein unterdurchschnittlich ausgeprägtes "Wir-Gefühl".

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dpa, epd, afp (mze)

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL RADIO | 25. September 2024 | 15:30 Uhr

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