Klimaprotest Ist die "Letzte Generation" eine kriminelle Vereinigung?
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23. Mai 2023, 09:03 Uhr
Gegen Mitglieder der Klimaaktivisten-Gruppe "Letzte Generation" laufen zahlreiche Verfahren. Verurteilungen gab es auch schon – da ging es um Nötigung im Straßenverkehr, Sachbeschädigung oder Störung öffentlicher Betriebe. Nun fährt die Justiz in Berlin schärfere Geschütze auf und lässt prüfen, ob es sich bei der "Letzten Generation" um eine sogenannte kriminelle Vereinigung handelt. Doch was ist überhaupt eine kriminelle Vereinigung und wie sieht es in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen aus?
- Um eine kriminelle Vereinigung darzustellen, müssen bestimmte Voraussetzungen gegeben sein, wie z.B. die Ausrichtung auf Straftaten.
- Nach Ansicht von Experten erfüllen die Klimaaktivisten der "Letzten Generation" diese Voraussetzungen nicht ausreichend.
- Die Justizministerin in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen wollen sich nicht auf eine Aussage festlegen.
Der §129 des Strafgesetzbuchs regelt, was eine kriminelle Vereinigung ausmacht. Sie muss unter anderem auf längere Dauer angelegt sein, festgelegte Rollen für die Mitglieder haben und ein Zusammenschluss von mehr als zwei Personen sein, die ein übergeordnetes gemeinsames Interesse verfolgen.
"Das wäre jetzt am Beispiel der 'Letzten Generation' etwa der Klimaschutz", erklärt die Hamburger Rechtswissenschaftlerin Judith Papenfuß. Außerdem muss die Organisation darauf ausgerichtet sein, Straftaten zu begehen. Schaut man sich an, wofür Mitglieder der "Letzten Generation" bereits verurteilt wurden, ist das ebenfalls gegeben.
Experten sehen wenig Anhaltspunkte für den Tatbestand "kriminelle Vereinigung"
Papenfuß hat zusammen mit ihrem Professor Milan Kuhli einen wissenschaftlichen Beitrag zu dem Thema veröffentlicht. Sie kommen zu dem Urteil, dass die "Letzte Generation" – noch – keine kriminelle Vereinigung im Sinne des deutschen Strafrechts ist: "Vielmehr geht es meiner Ansicht nach darum, sich zu fragen, was soll die Norm denn eigentlich schützen? Sie soll vor allem die öffentliche Ordnung und den inneren Frieden schützen."
Die öffentliche Ordnung oder der innere Frieden wären nach Einschätzung von Papenfuß dann in Gefahr, wenn grundlegende Rechtsgüter wie Leib, Leben oder die sexuelle Selbstbestimmung immer gefährdet wären. Sie sehe, dass die Bevölkerung sich belästigt fühle, es Ärger gebe und einen kontroversen Diskurs in der Gesellschaft.
Aber: "Das ist aber alles noch so weit weg von einer Bedrohung des inneren Friedens in der Gesellschaft, die ein Ausmaß annimmt, dass die Bejahung des §129 StGB aus meiner Sicht irgendwie zu rechtfertigen wäre."
Justizministerien in Mitteldeutschland äußern sich vorsichtig
Darauf angesprochen, ob sie bei der "Letzten Generation" Anhaltspunkte für eine kriminelle Vereinigung sehen, reagieren die mitteldeutschen Justizministerien zurückhaltend. Stellung beziehen möchte keine der drei Ministerinnen aus Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen.
Aus allen drei Ministerien heißt es auf Anfrage von MDR AKTUELL schriftlich, die Staatsanwaltschaften prüften im Einzelfall, ob es Anhaltspunkte für den Tatbestand der kriminellen Vereinigung gebe. "Einer ausdrücklichen Weisung durch das Ministerium für Justiz und Verbraucherschutz bedarf es hierfür nicht", heißt es aus Sachsen-Anhalt.
Laut Justizministerium in Erfurt hat Ministerin Doreen Denstedt bislang keine Staatsanwaltschaft angewiesen, zu prüfen, ob die "Letzte Generation" eine kriminelle Vereinigung ist und plant das auch nicht.
Ein Ministeriumssprecher aus Sachsen verweist auf den Koalitionsvertrag. Dort heißt es, dass das Weisungsrecht der Justizministerin bis zu seiner Abschaffung in Sachsen nicht ausgeübt werde.
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL RADIO | 23. Mai 2023 | 06:00 Uhr