Wirtschaftspsychologie Warum Krankmeldungen ohne Krankheit auch etwas Gutes haben können
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29. Januar 2024, 09:18 Uhr
Sechs von zehn Beschäftigte haben in einer repräsentativen Umfrage der Krankenkasse Pronova BKK angegeben, sich auch mal krank zu melden, obwohl sie eigentlich fit sind. Wirtschaftspsychologen beobachten ein Umdenken in der Gesellschaft. Außerdem sei das Betriebsklima immer wichtiger für die Menschen bei der Entscheidung zuhause zu bleiben.
- Dass sich sechs von zehn Beschäftigte einer Umfrage zufolge trotz Gesundheit krank melden, sieht eine Wirtschaftspsychologin nicht als etwas Schlechtes an
- Der Allgemeine Arbeitgeberverband Thüringen kritisiert einen Anstieg an Ausfällen
- Die Entscheidung sich krank zu melden, obwohl man in der Lage wäre zu arbeiten, kann häufig mit dem Betriebsklima zu tun haben
Heute mal nicht zur Arbeit – es kribbelt in der Nase, vielleicht ist mir heute aber auch einfach nicht danach: Sechs von zehn Beschäftigte haben in einer repräsentativen Umfrage der Krankenkasse Pronova BKK angegeben, sich selten, manchmal oder häufig krank zu melden, obwohl sie eigentlich fit sind. Die Wirtschaftspsychologin Patrizia Thamm von der Pronova BKK beobachtet ein Umdenken: "Dass man sich da eher mal rausnimmt, das ist auch sehr wertvoll. Früher war es vielleicht auch üblicher, auch ungesunde Arbeitsbedingungen hinzunehmen und Prozesse weniger infrage zu stellen."
Arbeitgeberverband: Ausfallzahlen in den Betrieben steigen an
Gerade bei der jüngeren Generation werde heute sehr viel stärker auf die mentale Balance geachtet. Blaumachen für mehr Selbstfürsorge? Ute Zacharias, Sprecherin des Allgemeinen Arbeitgeberverbandes Thüringen, hat dafür kein Verständnis: "Das teilen wir nicht. Das kann ich Ihnen gleich mal ganz klar beantworten. Weil wir auch festgestellt haben, dass in den letzten Jahren die Ausfallzeiten in den Betrieben sehr stark gestiegen sind. Thüringen hat sowieso die höchste Krankheitsquote in ganz Deutschland – unverändert seit vielen Jahren. Das ist keine gute Situation für die Betriebe."
Klar: Jeder solle sich um sich selbst kümmern – zu Hause bleiben, wenn er oder sie krank sei, aber "wenn er es nicht ist und sich einfach nur kurz eine Auszeit nehmen will: Dafür gibt es ja Urlaub."
Gesund daheim? Wer es darauf anlege, komme damit in der Regel auch durch, erklärt Sebastian May, langjähriger Hausarzt aus Leipzig: "Wir Ärzte können da nichts tun. Wenn da jemand kommt und sagt, er fühlt sich nicht in der Lage, seiner Tätigkeit nachzukommen – weil wir ja auch nicht nachprüfen können, was er tut – sind wir Ärzte da außen vor." Das sei ein Diskurs, den man führen könne – mit den Krankenkassen, mit der Gesellschaft.
Das Betriebsklima spielt eine große Rolle bei der Krankmeldung
Aus Sicht von Prof. Bernhard Badura ist allerdings gar nicht das größte Problem, dass sich gesunde Leute krankmeldeten, sondern dass kranke Leute arbeiten gingen. Badura arbeitet an der Fakultät für Gesundheitswissenschaften der Uni Bielefeld. Sein Schwerpunkt: Arbeit und Gesundheit. Eine Erkenntnis, die er dabei gewonnen hat: "Ein sehr starker Einfluss hat die Beziehung zum Vorgesetzten oder die Teambeziehung. Wenn die nicht stimmt, kann das schon mal sein, dass man dann mal zu Hause bleibt, auch wenn man im Prinzip arbeitsfähig wäre."
Salopp gesagt: Die Führungskraft trägt selbst schuld, wenn sich die Fehltage häufen. Wieder eine Annahme, der Uta Zacharias vom Arbeitgeberverband heftig widerspricht. "Weil der Fachkräftemangel in aller Munde ist." Ein schlechtes Betriebsklima könne sich da kein Unternehmen leisten.
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Das Nachrichtenradio | 25. Januar 2024 | 06:38 Uhr
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