Gesundheitssystem Bundestag beschließt umstrittene Krankenhausreform
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17. Oktober 2024, 20:49 Uhr
Personalmangel und finanzielle Engpässe: Viele Krankenhäuser haben Probleme. In manchen Gemeinden müssen Kliniken sogar ganz schließen. Die Krankenhausreform des Bundesgesundheitsministers will Abhilfe schaffen. Neben Spezialierungen ist auch ein neues Finanzierungssystem für die Kliniken geplant.
- Mit der Krankenhausreform will das Bundesgesundheitsministerium die finanzielle Versorgung von Kliniken verbessern.
- Deutliche Kritik daran kommt unter anderem von der Krankenhausgesellschaft, Verbänden und Gewerkschaft.
- Mehrere Bundesländer wollen wegen der Reform den Vermittungsausschuss anrufen.
In Deutschland gibt es viele kleinere Krankenhäuser wie das Erzgebirgsklinikum, die in finanziellen Schwierigkeiten stecken. Andere, wie die Sternbachklinik im thüringischen Schleiz, müssen sogar Insolvenz anmelden. Experten fordern schon seit Jahren Reformen.
Für den Gesetzentwurf der Reform stimmten in namentlicher Abstimmung 374 Abgeordnete im Bundestag. Es gab 285 Gegenstimmen und eine Enthaltung.
Kliniken sollen sich stärker spezialisieren
Das Großprojekt sieht eine umfassende Veränderung der deutschen Kliniklandschaft vor. So soll die Zahl von derzeit etwa 1.700 Standorten deutlich reduziert werden. Damit einhergehen soll dem Bundesgesundheitsministerium zufolge eine Qualitätssicherung. Bundesweit sollen Qualitätskriterien für sogenannte Leistungsgruppen festgelegt und weiterentwickelt werden.
Was sind Leistungsgruppen?
Leistungen sind u.a. die für eine Krankheit notwendige Behandlungen im Krankenhaus. Bei einem eventuellen stationären Aufenthalt zählen auch Unterkunft und Verpflegung dazu.
Leistungen werden in Leistungsgruppen zusammengefasst. Diese werden den einzelnen Krankenhausstandorten von den Planungsbehörden der Länder zugewiesen. Sie entscheiden darüber, welche Standorte welche Leistungen unter den gesetzten Voraussetzungen erbringen dürfen und wohin folglich die Vergütung fließt.
Quelle: Bundesgesundheitsministerium
Vergütungssystem ändert sich grundlegend
Kernelement der Reform ist ein neues Abrechnungssystem. Über die bisherigen Fallpauschalen hinaus soll es sogenannte Vorhaltepauschalen geben. Unabhängig von der Zahl der Fälle sollen die Kliniken einen festen Sockel von 60 Prozent der Vergütung dafür erhalten, dass sie eine Grundausstattung mit Personal und Geräten für bestimmte Leistungen vorhalten.
In strukturell schwächeren Regionen sollen übergreifende Gesundheitszentren geschaffen werden. Bereiche wie Kinderheilkunde, Geburtshilfe oder Traumatologie sollen zusätzliche Mittel erhalten. Für die Finanzierung der großen Strukturreform ist dem Ministerium zufolge ein Transformationsfonds in Höhe von 50 Milliarden Euro vorgesehen, der zur Hälfte von den Ländern und zur Hälfte aus dem Gesundheitsfonds gespeist werden soll.
Deutliche Kritik der Krankenhausgesellschaft
Aus Sicht vieler gesundheitspolitischer Experten aber ist die Reform unzureichend oder sogar eine Bedrohung für die Patientenversorgung. Besonders lautstark ist die Kritik der Deutschen Krankenhausgesellschaft. Der Vorstandsvorsitzende Gerald Gaß bezeichnete die Reform als "Blindflug".
Im Deutschlandfunk erklärte Gaß, Lauterbach habe es versäumt, für das Vorhaben eine Folgenabschätzung vorzunehmen. Die gesetzten Ziele seien zwar richtig, sie könnten aber mit den vorgeschlagenen Instrumenten nicht erreicht werden. Für Krankenhäuser zur Grundversorgung brauche es eine Finanzierung völlig unabhängig von der Zahl der behandelten Fälle. Die sehe Lauterbachs Reform nicht vor, kritisierte Gaß.
Grundlegend ist Gaß zufolge auch die Krankenhausgesellschaft der Meinung, dass es einen "Transformationsprozess" braucht. Auf 20 bis 30 Prozent der Standorte könnte durch Fusionen oder Umwandlungen verzichtet werden. Allerdings müssten "an der einen Stelle Standorte abgebaut oder umgewandelt werden und gleichzeitig natürlich an anderer Stelle dann Kapazitäten entwickelt werden", sagte Glaß. Das gehe nicht über Nacht und dauere sicher zehn Jahre.
Auch die Krankenhausgesellschaft Sachsen-Anhalt hält nichts von der Reform. Geschäftsführer Gösta Heelemann sagte MDR SACHSEN-ANHALT, die Reform sei ein "bürokratisches Monster". So gebe es "unheimlich viele aufwendige Antrags- und Meldeverfahren" für die Vorhaltepauschalen. Die Krankenhäuser würden durch die Reform auch nicht mehr Geld bekommen, nur mehr Bürokratie. Die Krankenhausgesellschaft werde zusammen mit dem Land Sachsen-Anhalt dafür kämpfen, dass die Krankenhausreform des Bundes so nicht umgesetzt wird.
Kritik auch von Verbänden und Gewerkschaft
Auch die Berliner Caritas übt scharfe Kritik an der geplanten Krankenhausreform. Die Direktorin des Caritasverbandes für das Erzbistum Berlin, Ulrike Kostka, sprach von einer "Mogelpackung". Die Krankenhausreform lebe von Behauptungen, die zum größten Teil nicht wissenschaftlich hinterlegt seien.
Die Gewerkschaft Verdi schloss sich der Kritik an und warnte, es drohe ein Kliniksterben, noch bevor die geplante Reform überhaupt greife. Verdi-Vorstandsmitglied Sylvia Bühler erklärte, Krankenhäuser in wirtschaftlicher Schieflage bräuchten "sofort zweckgebundene Hilfen zur Finanzierung steigender Preise und Personalkosten".
Länder drohen mit Vermittlungsausschuss
Nach der Zustimmung des Bundestages müssen nun noch die Länder im Bundesrat über die Reform abstimmen. Im Vorfeld hatten mehrere Länder bereits angekündigt, den Vermittlungsausschuss anzurufen. Bayerns Gesundheitsministerin Judith Gerlach sagte der "Augsburger Allgemeinen", ihr Land wolle auf diesem Weg notwendige Änderungen durchsetzen. Ein ähnliches Vorgehen kündigten auch Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein an.
MDR/dpa/AFP/epd/KNA (cga, jst)
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL – Das Nachrichtenradio | 17. Oktober 2024 | 15:30 Uhr
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