"Tschüss Kohle, hallo Zukunft" – 2022 Ein Ingenieur träumt von grünem Gas
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07. März 2022, 05:00 Uhr
Im Süden von Leipzig planen die Stadtwerke Leipzig für die Zeit nach der Kohle. Ein Kraftwerk entsteht, das auch komplett mit Wasserstoff laufen könnte. Im fünften Teil der Serie "Tschüss Kohle, hallo Zukunft" treffen wir Kraftwerksplaner Thomas Brandenburg.
Kräne drehen sich, Bagger dröhnen, als Thomas Brandenburg im dunkelblauen Mantel über seine Baustelle läuft. Der Manager der Stadtwerke Leipzig mäandert um ein paar Pfützen herum, seine braunen Lederschuhe sind für den Matsch eigentlich zu schick. Doch der 39-Jährige will etwas zeigen: "Wir stehen hier zwischen Alt und Neu. Auf der linken Seite ist das alte Kraftwerk, 1910 in Betrieb gegangen. Und auf der rechten Seite bauen wir gerade das neue Kraftwerk, das dann dieses Jahr in Betrieb geht."
Das neue Kraftwerk soll einmal halb Leipzig mit Strom und Fernwärme versorgen. Dafür wird es zunächst Erdgas verbrennen. Aber Brandenburg denkt schon weiter. "Wir bauen das erste Kraftwerk in Deutschland, das komplett wasserstofffähig ist", sagt er. Das neue Kraftwerk werde bis zu 100 Prozent mit Wasserstoff betrieben werden können.
Ein Kraftwerk, das nur mit grünem Wasserstoff läuft, ist klimaneutral. Denn den Wasserstoff gewinnt man per Elektrolyse aus Ökostrom und Wasser. Das Verfahren ist nicht neu, aber energieintensiv und teuer. Es lohnt sich, wenn Ökostrom im Überfluss vorhanden ist. Dann kann man sich Wasserstoffvorräte anlegen – und sie wieder zu Strom machen, wenn Windräder und Solaranlagen zu wenig liefern.
Die Kohle-Serie und der Ukraine-Krieg Seit dem Angriff der russischen Armee auf die Ukraine wird wieder über den Kohleausstieg diskutiert. Die Bundesregierung prüft, ob ein vorgezogener Ausstieg bis 2030 überhaupt möglich ist, sollten Russlands Gaslieferungen ausbleiben. Die Interviews mit den Protagonisten unserer Serie fanden alle vor Beginn des Krieges statt.
Ein solches Kraftwerk mit grünem Wasserstoff zu betreiben, sei "absolut realistisch", sagt Brandenburg. "Man weiß genau, welche Stähle man nutzen muss, welche Ventile man braucht, um Wasserstoff dicht durch so eine Anlage zu bekommen." Neu sei nur, dass man den Wasserstoff in eine Gasturbine füllt und da verbrennt.
Am Anfang sind die Verbrenner allerdings nur für 30 Prozent Wasserstoff ausgelegt – als Beimischung. Und Thomas Brandenburg räumt ein, dass es sich womöglich erst 2035 lohnt, das Kraftwerk ausschließlich mit Wasserstoff zu betreiben. Doch er hat noch mehr vor.
Brandenburg fährt mit seinem Elektroauto übers Gelände. Früher stand hier in Leipzig Lößnig nicht nur ein Kohlekraftwerk. Gleich daneben war der Kohle-Umschlagplatz. Dort seien viele Zuggleise gewesen, ein riesengroßes Stellwerk der Bahn. "Und das diente einfach nur dazu, die alten Kohlezüge hier anzulanden aus den diversen Tagebauen und dann hier zu entladen, riesengroße Kohlehaufen aufzuschütten und die dann nach und nach in dieses Kraftwerk rein zu schütten."
Energiewende beschleunigen
Brandenburg will auf dem Gelände Kollektoren aufstellen lassen. Sie sollen Sonnenenergie einfangen und als Wärme zur Verfügung stellen. Der Plan ist ehrgeizig. Doch aus Sicht des Kraftwerksingenieurs geht es mit der Energiewende viel zu langsam voran. "Und rein persönlich muss ich sagen, verstehe ich nicht, wieso die Kohlekraftwerksbetreiber noch so wahnsinnig entschädigt werden über letztendlich Steuergelder", sagt Brandenburg. Die Technologie werde absehbar sowieso nicht mehr zur Verfügung stehen und habe der Menschheit geschadet, seitdem sie existiere.
Thomas Brandenburg steigt wieder in sein Elektroauto. Ein schon betagtes Modell. Als er es sich zugelegt hat, war er damit etwas Besonderes, heute sind Elektroautos Mainstream. Wenn es nach Brandenburg geht, sollte es so auch mit wasserstoffbetriebenen Gaskraftwerken so laufen. Heute noch ungewöhnlich, bald Standard.
Hier können Sie sich alle Folgen der Serie anhören:
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Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL Radio | 07. März 2022 | 05:00 Uhr