"Tschüss Kohle, hallo Zukunft" - 2022 Der Mann der Gruben
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07. März 2022, 05:00 Uhr
Der Kohleausstieg geriet in der Pandemie erst in Vergessenheit, dann durch den Krieg in der Ukraine wieder in den Fokus. Fest steht: Bleibt es beim Kohle-Aus, wird das einige Regionen Mitteldeutschlands sehr verändern. Wir stellen fünf Menschen vor, die der Wandel betrifft. Diese Menschen begleiten wir langfristig – zehn Jahre lang. Jedes Jahr wird "Tschüss Kohle, hallo Zukunft!" fortgesetzt. Zum Auftakt hat Ralf Geißler den Planungschef der Mitteldeutschen Braunkohlengesellschaft getroffen.
Kohle, so weit das Auge reicht. Ausgebaggert und in Stücke gebrochen liegt sie am Rand des Tagebaus Profen bereit für den Abtransport. Eine endlos erscheinende schwarze Hügelkette auf einem ausgedehnten Platz, begrenzt von Förderbändern. Hin und wieder übertönen Lkw und Güterzüge die Worte von Bastian Zimmer, dem Planungschef der Mibrag: "Pro Tag fördern wir hier ungefähr zwölf bis fünfzehn Züge, die hier verladen werden. Zur Zeit ist der Absatz sehr hoch, entgegen unserer Prognosen. Wir haben uns auf weniger eingestellt." Kohlekraftwerke seien stark im Einsatz. Das liege am Weltmarktpreis für Gas.
Trotz Corona-Pandemie: Die Welt hungert nach Energie. Sie soll billig und zuverlässig verfügbar sein. Man fördere derzeit das maximal Mögliche, sagt Zimmer. Nach Kohleausstieg klingt das nicht. Und doch weiß auch er: Die Zeit läuft ab. Spätestens 2038 soll Schluss mit der Kohle sein. Und danach?
Dann werde man hoffentlich mit etwas anderem Geld verdienen, sagt Mibrag-Geschäftsführer Armin Eichholz: "Wir haben heute schon Geschäftsfelder, die noch klein sind, in die wir aber hineinwachsen. Das sind Ingenieurdienstleistungen. Auch Dienstleistungen zum Beispiel bei der Spezialvermessung. Die benötigen wir heute, um unsere Böschungen zu beobachten." Außerdem sei das Unternehmen im Recycling tätig und bei der Verwertung von Reststoffen.
Die Kohle-Serie und der Ukraine-Krieg Seit dem Angriff der russischen Armee auf die Ukraine wird wieder über den Kohleausstieg diskutiert. Die Bundesregierung prüft, ob ein vorgezogener Ausstieg bis 2030 überhaupt möglich ist, sollten Russlands Gaslieferungen ausbleiben. Die Interviews mit den Protagonisten unserer Serie fanden alle vor Beginn des Krieges statt.
Arbeitsplätze gehen verloren, neue entstehen
Alle Jobs der Mibrag wird das vermutlich nicht retten. Für Bastian Zimmer gibt es aber definitiv auch nach dem Kohleausstieg noch Arbeit. Der Planungschef verantwortet dann die Rekultivierung der Tagebaue. Er fährt mit seinem Auto zu einer großen Halde am Tagebauloch. Von oben blickt man ins nahezu ausgekohlte Abbaufeld Schwerzau: "Hier vor uns wird eine Seefläche entstehen. Vor uns direkt, wir stehen jetzt hier auf einer alten Halde, werden noch Bäume angepflanzt. Hier haben wir eine ganze Weile diskutiert, ob hier nicht vielleicht doch ein größerer Weinberg entstehen kann."
Bastian Zimmer ist selbst Hobby-Winzer, wohnt in Naumburg. Für seine Tagebaulöcher denkt er Jahre im Voraus. Deswegen hält er auch nichts davon, den Kohleausstieg vorzuziehen. Dann müsse die teils schon genehmigte Rekultivierung angepasst werden. "Es entstehen dann auch andere Endkonturen und andere Seen. Und auch die Seen müssen natürlich in der Bergbau-Folgelandschaft funktionieren." So müsse es etwa einen Zulauf für die Flutung geben.
Zimmer steigt wieder in sein Auto und rollt die Halde hinab. Rechts und links liegen abgeknickte Nadelbäume im noch jungen Wald. Der Borkenkäfer hat ihnen zugesetzt. Trotzdem lässt die Mibrag nur einen Teil des Totholzes abholen und pflanzt zaghaft Laubbäume nach. Die Natur soll so weit wie möglich von alleine wieder kommen. Ein paar Orchideen, Vogel- und Fledermausarten sind schon da. Die Rückeroberung des Reviers hat begonnen.
Hier können Sie sich alle Folgen der Serie anhören:
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Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL Radio | 07. März 2022 | 05:00 Uhr