Angesprochen - Ausgesprochen Protestforscherin: "Protest muss nicht weh tun"

18. Februar 2023, 06:00 Uhr

Die Aktionen der Klimaaktivisten "Letzte Generation" sorgen seit einiger Zeit regelmäßig für Aufsehen. Die Aktionen wurden als Terror bezeichnet, "Klimaterroristen" zum Unwort des Jahres 2022 gewählt. Die Protestforscherin Nina Wienkoop sagt, unsere Gesellschaft handele zurzeit aus, was möglich sei und erlaubt, um eigene Ziele durchzusetzen.

Öffentlicher Protest müsse, so sagt Nina Wienkoop, "definitiv nicht wehtun". Er müsse auch nicht radikal sein, um erfolgreich zu sein. Innerhalb unserer Demokratie hänge es von verschiedenen Faktoren ab, welche Mittel Protestgruppen anwenden, um auf sich und ihre Ziele aufmerksam zu machen, etwa politische Gelegenheiten oder Möglichkeiten.

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Klimastreit auch von "Fridays for Future"

Besonders große Aufmerksamkeit erzielen gegenwärtig die Klimaaktivisten der Gruppe "Letzte Generation". Bei der Bewertung ihrer Aktionen, so sagt Wienkoop, müsse beachtet werden, dass Klimaschützer bereits etliche andere Protestformen ausgeübt und möglicherweise ausgeschöpft hätten.

"Es gab viele Petitionen von Umweltgruppen", sagt die Forscherin, "schon lange. Wir hatten Großdemonstrationen von Fridays for Future". Eine Partei, die "ganz klar" für Umweltpolitik stehe, sei in der Regierungsverantwortung. Offensichtlich reichten den Aktivisten all diese Zugänge nicht aus, um auf ihre Ziele aufmerksam zu machen. Also würden sie neue Protestmittel suchen, die mehr Erfolg versprechen würden.

Passen Aktion und Forderung zusammen?

Ob die Protestmittel letztlich erfolgreich sind, hänge auch damit zusammen, ob die Aktionen und die Forderung zusammenpassten. Als in Lützerath Klimaschützer gegen den Abriss des Dorfes protestierten, um damit den Abbau von Braunkohle zu verhindern, kämpften sie direkt gegen die eigentlichen Widersacher oder Institutionen.

Wenn sich Aktivisten im Berufsverkehr auf die Straße klebten, dann sei es gut möglich, dass sie damit Menschen behindern, die die eigenen Ziele unterstützen. Insofern müssten sich Aktivistengruppen fragen, welche Protestform strategisch zum Erreichen der Ziele sinnvoll sei.

Gesellschaft verhandelt über Umgang mit Protest

Sie denke, sagt Wissenschaftlerin Wienkoop, dass die Gesellschaft gegenwärtig "verhandele", welcher Protest möglich sei. Wo seien Grenzen, wo beginne ziviler Ungehorsam, wo sei Protest noch legitim und wo nicht mehr?

Verstärkt worden sei diese gesellschaftliche Neuausrichtung durch die Pandemie, durch den Krieg mit seinen Folgen sowie durch das Erstarken von Rechtspopulisten, die inzwischen in einigen europäischen Ländern in der Regierung sitzen. Die Menschen unserer Gesellschaft schauten, sagt Wienkoop, "wo ist unser Standing, wie ist unsere demokratische Kultur".

Demonstranten haben ihre Hände auf der Straße festgeklebt.
Die "Letzte Generation" legte erst jüngst den Verkehr in der Leipziger Innenstadt lahm. Bildrechte: mdr

Medien in der Kritik

Kritisch sieht die Forscherin die Rolle der Medien. Viele Protestformen würden wir nicht wahrnehmen. Dabei gebe es in einer lebendigen Demokratie alltäglich Protest - etwa auf regionaler Ebene oder als Petition. Medien würden in der Regel über Großdemonstrationen berichten, zunehmend jedoch auch über Proteste, die besonders stark störten.

Gleichzeitig hätte die Forschung gezeigt, dass die Sprache in Medien gewaltsamer geworden sei. Journalisten sollten sich im Klaren darüber sein, dass sie so die Protestkultur in Deutschland mitprägten.

MDR (dvs)

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Nachrichten | 18. Februar 2023 | 06:00 Uhr

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