Sind Krankschreibungen für Kinder sinnvoll? Kinderärztinnen und Kinderärzte melden Überlastung

17. November 2022, 13:37 Uhr

Kinderarztpraxen klagen über eine Flut von Attesten, die von Kitas und Schulen verlangt werden. Der Bundesverband der Kinderärzte teilte MDR AKTUELL mit, das Bescheinigen der Kitatauglichkeit raube Kapazitäten, die für kranke Kinder gebraucht würden. Auch Krankschreibungen für Schulkinder seien unnötige Atteste. Der Kitafachkräfteverband Sachsen und Sachsen-Anhalt erklärte, Atteste und Gesundschreibungen seien wichtig, um andere zu schützen. Zudem seien Eltern kein medizinisches Fachpersonal.

Wenn Kinderärztin Tanja Brunnert aus Göttingen die Kitatauglichkeit für kleine Kinder attestieren soll, ärgert sie sich. Diese Momentaufnahme des Gesundheitszustandes sei sinnlos und raube Kapazitäten, die sie für kranke Kinder brauche, erklärt die Medizinerin. Auch Krankschreibungen für Schulkinder seien unnötige Atteste.

Wunsch nach Einigung zwischen Arztpraxen und Kitas

Eltern sollten den Gesundheitszustand ihrer Kinder selbst einschätzen können und gegebenenfalls eine Entschuldigung für die Schule schreiben. Schon die telefonische Nachfrage nach Attesten stelle ein Problem dar, so Brunnert: "Die Erreichbarkeit unserer Praxen wird schlechter, weil Eltern reihenweise anrufen, diese Atteste zu beantragen, Termine zu vereinbaren." Das sei Zeit, die den Praxis-Mitarbeiterinnen auch nicht zur Verfügung stehe, um sich um kranke Kinder zu kümmern "und natürlich auch für uns auf ärztlicher Seite fehlt, und deswegen ist das was, das wir uns ganz stark wünschen von den Einrichtungen im Gespräch mit uns zu einer Regelung zu kommen."

Kathrin Klähn, vom Kitafachkräfteverband Sachsen und Sachsen-Anhalt, entgegnet: "Ich höre das tatsächlich heute zum ersten Mal. Wir hatten bisher noch keine Kontakte zu Kinderärzten, da ist bisher noch niemand auf uns zugekommen."

Kitas fordern Sicherheit

Klähn leitet selbst eine Kita in Salzwedel und sieht in den Attesten und Gesundschreibungen durchaus auch eine Sicherheit: "Ich bin auch für weniger Bürokratie. Aber hier geht es ja auch ein Stück weit um den Schutz der anderen. Von daher finde ich ist es ganz, ganz wichtig, dass man da doch irgendwo dran festhält, die Fachkräfte, aber auch die Eltern sind eben kein medizinisches Fachpersonal."

Genau deshalb möchte Tanja Brunnert vom Bundesverband der Kinderärzte Fortbildungen für Kitaleitungen anbieten, um hier mehr Klarheit über notwendige und unnötige Bescheinigungen zu schaffen. Hat ein Kind beispielsweise Windpocken oder eine großflächige Borkenflechte, braucht es eine Gesundschreibung. Bei Magen-Darm- oder Hand-Mund-Fuß-Erkrankungen sollte auf das Attest verzichtet werden.

Medizinische Versorgung vor dem Kollaps?

Tanja Brunnert sagt: "Es gibt zunehmend Bezirke, wo die Kolleginnen kurz vorm Kollaps stehen, die laute Hilfesignale senden und die zum Teil jetzt in der Infektwelle Vorsorgeuntersuchungen auch kurzfristig ausbestellen müssen, damit sie die kranken Kinder behandeln können."

Man sei jetzt gesellschaftlich gefragt, so Brunnert, und müsse "unnützen Ballast über Bord werfen, damit wir hier die gesundheitliche Versorgung der Kinder und Jugendlichen nicht gefährden.“

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL RADIO | 17. November 2022 | 07:00 Uhr

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