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Audio: Die etablierten Parteien kümmerten sich zu wenig um die künftige Krisen wie Rente oder Klima, meint Jonas Hohenforst von der "Stiftung für die Rechte zukünftiger Generationen". Wie bringt man die Politiker zum Umdenken? Bildrechte: IMAGO / photothek

Interview Was die Politik für die Jugend tun sollte

12. August 2024, 17:34 Uhr

Rente, Gesundheit, Klima sind zentrale Themen in Sachen Generationengerechtigkeit. Jonas Hohenforst von der Stiftung Generationengerechtigkeit plädiert an die Politik, stärker auf vorhandene Lösungswege zu verweisen, um weg von Populismus und Angstkultur zu kommen. Aber auch insgesamt sollten Jugendliche stärker eingebunden werden.

MDR AKTUELL: Heute ist der 25. Tag der Jugend. Ist das ein Grund zum Feiern?

Jonas Hohenforst: Auf jeden Fall. Ich finde, wir haben in unserer Gesellschaft viele Fortschritte gemacht, auch Jugendliche. Wir haben einen tollen Lebensstandard. Aber natürlich müssen wir uns auch die Frage stellen: Wie erhalten wir diesen Lebensstandard für die Generationen, die jetzt nachkommen?

Mit dieser großen Feier, die absolut berechtigt ist und die auch gelebt und gefeiert werden sollte, sollten wir trotzdem nicht die Krisen und Herausforderungen, die wir vielleicht gerade noch nicht spüren, aber die perspektivisch auf uns zukommen, mitdenken. Damit wir auch in 45 Jahren wieder feiern können.

Zur Person: Jonas Hohenforst Der 22-jährige Jonas Hohenforst ist Vorstandsvorsitzender der von ihm mitgegründeten NGO Jugend Enquete Kommission e.V. und aktueller Botschafter der Stiftung für die Rechte zukünftiger Generationen. Zu seinen Zielen gehört, mehr Menschen in politischen Prozessen zu beteiligen. Dazu ist er auch regelmäßiger Gast im Deutschen Bundestag.

Porträtaufnahme von Mann mit Brille
Jonas Hohenforst Bildrechte: Rederei/JoinPolitics

Wenn Sie jetzt schon Krisen sagen, wo hakt es denn besonders?

Jugendliche sind genauso divers wie jede Generation. Deswegen will ich auch überhaupt nicht suggerieren, dass es die Jugend schlechthin gibt. Ich glaube, wir begegnen in ganz vielen Krisen, die ältere Menschen auch spüren, nur mit einer anderen Realität und vor allem mit einer anderen Perspektive. Beispielsweise ist gerade das Rentenpaket II rausgekommen, mehr als umstritten, die Gesundheitsversorgung ist ein Thema, aber es sind auch Zukunftsängste.

Wir haben sehr viele Krisen und die sind auch durchaus schaffbar. Das zeigt sich auch in Studien und dass Jugendliche eine hohe Bejahung für Demokratie haben. Allerdings gibt es wenig Vertrauen darin, dass die etablierten Parteien sie lösen können. Von der Politik wäre da nötig, dass da eine Vision porträtiert wird, die schaffbar ist, machbar ist und die auch Hoffnung weckt.

Rente, Gesundheit, Klima sind ja große Themen bei der Generationengerechtigkeit. Werden da die Belastungen einfach auf die nächste Generation verschoben?

Ich glaube, Jugendliche werden zu wenig mitgedacht. So rum würde ich das sagen.

Was heißt das?

So wie ich Jugendliche und Politiker kenne, und so wie ich das auch in meiner Arbeit erlebe, ist es selten ein "Wir wollen den nachfolgenden Generationen Schlechtes tun". Aber natürlich rechnet Politik in Wählerstimmen und hat auch eine eigene Lebensrealität. Wir haben jetzt einen verhältnismäßig jungen Bundestag, aber immer noch reden wir von einer relativ alten repräsentativen Demokratie.

Wir merken auch, dass viele Realitäten, die behandelt werden, eher mit älteren Leuten besetzt sind. Dadurch werden dann natürlich gewisse Sorgen nicht so ernst genommen, weil sie in der Lebensrealität gar nicht wiederkommt. Jugendliche werden zu wenig mitgenommen, und man merkt es auch in den Beteiligungsprozessen, dass Jugendliche einfach zu wenig mitgedacht werden.

Was könnte da helfen?

Es gibt verschiedene Maßnahmen, die man einschlagen könnte. Ganz klassisch ist natürlich, dass man über Quoten geht. Aber ich glaube, das greift am Ende des Tages zu kurz.

Was meiner Meinung nach passieren muss und was auch für eine nachhaltige und langfristig stabile Demokratie sein muss, dass alle Generationen an einen Tisch zusammenkommen, dass wir möglichst wenig Eintrittshürden haben für junge Leute, aber auch insgesamt in einer Demokratie.

Ich halte es für essenziell, dass wir mehr Menschen befähigen, an diesem Tisch zusammenzukommen, wenn sie nicht nur hochgebildet sind, sondern sagen: Okay, ich kann meine Lebensrealität auch so äußern. Ich bin fähig, mich zu artikulieren. Das muss ja gar nicht heißen, dass dann die Person auch das Gesetz dazu schreibt.

Aber das müssen wir erstmal schaffen. Und da gibt es natürlich ganz viele praktische Möglichkeiten, indem man Diskussionsformate, Austauschformate und mehr schafft. Wahlrecht ist natürlich immer eine Debatte schlechthin. Aber da gehört natürlich ganz, ganz viel politische Bewegung dazu.

Fehlt Ihnen denn die Lobby? Was könnte denn ganz schnell passieren? Oder sind wir schon auf dem richtigen Weg?

Wenn ich die perfekte Lösung dafür hätte, glaube ich, dann würde ich mich für den Bundestagswahlkampf aufstellen lassen. Ich glaube, eine der Sachen, die gut läuft, sind außerparlamentarische Beteiligungsformen. Wir merken, dass Jugendliche hochpolitisch sind, dass sie sich mit ganz vielen Themen aktiv auseinandersetzen. Aber nur selten wird auch die Brücke in die klassisch parlamentarischen Formate geschlagen, also dass sich in Parteien engagiert wird.

Aber diese außerparlamentarischen Formate laufen verhältnismäßig gut und sind gut besucht. Jugendliche haben auch gute Ideen, und zum Teil schaffen sie auch, das in die Politik einzubringen. Aber Sie haben eben das Lobbying angesprochen, und da ist zum Beispiel unsere Politik einfach nicht durchlässig genug, um gute Diskussions- und Austausch-Formate irgendwie anzubringen.

Ich habe ja die Jugend-Enquete-Kommission mitgegründet, da versuchen wir genau so etwas, dass wir Jugendliche zu einem Thema zusammenbringen und das in die Politik vermitteln. Es sind trotzdem enorme Hürden, denen wir begegnen, sowohl finanziell als auch strukturell.

Eine aktuelle Studie aus Großbritannien sagt, dass Jugendliche so wenig glücklich sind wie selten. Es gebe einfach wenig Gründe, sich zu freuen. Woher kommt das? Haben junge Menschen so starke Ängste?

Ich glaube, es ist eine Frage der Lebensrealität und der Selbstwahrnehmung. Natürlich können unsere Eltern, vielleicht auch unsere Großeltern noch viel mehr sagen: Wir hatten damals ganz andere Herausforderungen. Uns ging es nominell schlechter, zum Beispiel von den Finanzen her, von dem Lebensstandard her, der Lebensdauer auch, muss man ganz ehrlich sagen. Und ich glaube, das ist eine Frage der Wahrnehmung.

Ich hatte eben das Wort Vision und was Politik vermittelt, diese Hoffnung angesprochen und die ist in gewissen Teilen verloren gegangen, unter anderem auch über Corona. Dass man sagt: Okay, wir werden irgendwie nicht wahrgenommen. Wir werden zum Teil nicht mitgedacht und die Krisen, die auf uns zukommen, wirken nicht handhabbar. Und wenn wir das nicht zurückbekommen, das ist, glaube ich, der Knackpunkt.

Das sieht man auch in anderen europäischen und internationalen Staaten. Wenn man es schafft, eine positive Weltsicht zu vermitteln und zu sagen: Okay, wir kriegen das hin. Und auch die großen, volksnahen Parteien vermitteln das, dann bleibt man weg von Populismus, aber auch von Angstkultur.

Das Interview führte Doreen Jonas.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Das Nachrichtenradio | 12. August 2024 | 13:35 Uhr

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