Hochrisikospiele Vereine sollen Kosten mittragen: Wird nun Geld für die Polizei frei?
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21. Februar 2025, 16:27 Uhr
Vor wenigen Wochen hatte das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass Mehrkosten für Polizeieinsätze bei Hochrisikospielen an die Vereine weitergegeben werden dürfen. Kosten, die zum Beispiel anfallen, wenn Hooligans gewalttätig werden und die Polizei Stadien oder Bahnhöfe absichern muss. Eine Hörerin von MDR AKTUELL hat sich deswegen gefragt, ob jetzt Geld für die Polizei frei wird.
- Nach Rechnungen von MDR AKTUELL müssen Vereine für Hochrisikospiele circa 100.000 Euro zahlen.
- Die Gewerkschaft der Polizei Sachsen fordert, dass die freigesetzten Gelder in den Polizeihaushalt fließen.
- Die Innenministerien der Bundesländer haben angekündigt, das Urteil zunächst prüfen zu wollen.
Klären wir vorab eine Frage: Um wie viel Geld, um wie viele Mehrkosten, geht es eigentlich? Die kurze Antwort: Bei den Spielen in Mitteldeutschland geht es um ungefähr 100.000 Euro, die die Vereine pro Spiel zahlen müssten. Das kann variieren, je nachdem, wer gegen wen spielt. Diese Zahl hat MDR AKTUELL anhand von Kostenverordnungen, Einsatzstunden und Gesprächen mit Polizisten und Experten in der Verwaltung geschätzt.
Polizei will Geld für Digitalisierung und Personal
100.000 Euro pro Spiel – das ist Geld, das die Polizei gut gebrauchen könne, sagt Jan Krumlovsky, Chef der Gewerkschaft der Polizei in Sachsen: "Wir brauchen dringend zusätzliche Investitionen. Zum Beispiel in Ausstattung, Liegenschaft, Digitalisierung und Personal, um wirklich den täglichen Herausforderungen im Polizeidienst Herr zu werden."
In Sachsen gab es in der vergangenen Saison 20 Hochrisikospiele – am häufigsten bei Dynamo Dresden, Erzgebirge Aue oder dem Chemnitzer FC. Die Mehrkosten dafür dürften nach unserer Schätzung bei rund zwei Millionen Euro liegen.
In Thüringen und in Sachsen-Anhalt ging es im vergangenen Jahr um 80.000 beziehungsweise um rund 1,5 Millionen Euro. Würde also zum Beispiel Sachsen-Anhalt dieses Geld eintreiben, könnte das Land das Jahresgehalt von über 30 Polizistinnen und Polizisten zahlen oder 1.400 neue Dienst-PCs kaufen.
Die Innenministerien sollten sich kümmern, sagt Jan Krumlovsky. Er fordert: "Dass die Kostenbeteiligung der Vereine tatsächlich auch in den Polizeihaushalt geht und nicht im Großen und Ganzen verschwindet und zum Beispiel Haushaltslöcher damit gestopft werden."
Thema ist ein Politikum
Auffallend bei unserer Recherche war: Während Thüringen bereitwillig Zahlen mitteilte, verweigerten die Innenministerien in Sachsen-Anhalt und Sachsen hartnäckig fast jede Zuarbeit. Trotz mehrfacher Nachfrage wollten sie die Kosten für die Polizeieinsätze nicht nennen. Selbst die Einsatzstunden rückten sie nicht raus, obwohl diese vorliegen, wie MDR AKTUELL aus anderer Quelle erfuhr.
Warum? Hat die Hörerin in ein Wespennest gestochen? Das Thema sei ein Politikum sagt ein Polizeigewerkschafter hinter vorgehaltener Hand. Vor allem die CDU spiele auf Zeit, da sie die Vereine lieber nicht belasten wolle. Welche Gründe die CDU hat, wissen wir natürlich nicht.
Aber auch Ronny Wähner, der innenpolitische Sprecher der CDU-Fraktion in Sachsen, lehnt die Idee ab: "Wir sind momentan in einem intensiven Austausch über den Umgang mit dem Urteil. Das ist noch ein stückweise ergebnisoffen. Aber das wird nicht so weit führen, dass ich da in nennenswerter Größe eine Einnahme für den Staatshaushalt habe."
Länder wollen Urteil zunächst prüfen
Wie die Länder mit dem Urteil umgehen werden, ist also offen. Die Innenministerien kündigten an, es zunächst prüfen wollen. Fest steht: Das Bundesverwaltungsgericht hatte mit seiner Entscheidung zwar die DFL und damit die Vereine der 1. und 2. Bundesliga im Blick. Doch es handelt sich um ein Grundsatzurteil. Auch in der 3. Liga und Regionalliga oder bei sonstigen Sport- und Kultur-Ereignissen ist daher eine Anwendung denkbar, die laut Gericht jedoch "einschränkend ausgelegt" werden müsse. Eine Gebührenerhebung wäre in den tieferen Klassen nur dann zulässig, wenn sie nicht dazu führt, dass Spiele ausfallen müssen.
Anmerkung der Redaktion: Wir haben den letzten Absatz dieses Beitrags nach einer ersten Veröffentlichung ergänzt, um herauszustellen, dass noch offen ist, wie die Bundesländer mit dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts umgehen werden.
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Das Nachrichtenradio | 21. Februar 2025 | 06:21 Uhr