Faktencheck Hetzjagd nach Tiktok-Fakenews: Keine Hinweise auf Kindesmissbrauch an Freiburger Kita
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23. August 2024, 13:41 Uhr
Auf TikTok verbreitet die Nutzerin @elmicaella4.0 in einem Video schwere Missbrauchsvorwürfe gegen eine Freiburger Kindertagesstätte. Infolge dessen bricht im Internet eine regelrechte Hetzjagd aus. Polizei und Staatsanwaltschaft weisen die Vorwürfe als falsch ab. Tatsächlich gab es jedoch im Frühjahr an einer Freiburger Kita entsprechende Ermittlungen. Diese ergaben abschließend keinerlei tatsächliche Anhaltspunkte für die erhobenen Vorwürfe und wurden eingestellt.
- In einem inzwischen gelöschten TikTok-Clip verbreitet die Nutzerin @elmicaella4.0 Vorwürfe massiven Kindesmissbrauchs an einer Freiburger Kindertagesstätte.
- Polizei und Staatsanwaltschaft haben eingeräumt, dass es im Frühjahr tatsächlich Ermittlungen gegen Mitarbeiter einer Freiburger Kita gab.
- Nach umfangreichen Untersuchungen stellten die Ermittlungsbehörden das Verfahren ein, da sich keine Anhaltspunkte für die Vorwürfe fanden.
- In einer Videobotschaft hat der Freiburger Oberbürgermeister Martin Horn die Vorwürfe dementiert, auch das Freiburger Uniklinikum wies die Anschuldigungen zurück.
Es sind schockierende Vorwürfe, die die Userin @elmicaella4.0 In einem tausendfach geteilten Video auf TikTok äußert. "Du hast dein Kind um neun Uhr in den Kindergarten gebracht. Was du nicht weißt: um zehn Uhr fährt ein Auto vor, ein Mann steigt aus und geht in den Kindergarten deines Kindes." Dieser würde sich anschließend Kinder aussuchen und diese unter Kenntnis der Kita-Leitung mitnehmen. "Sie werden zu Menschen gebracht die mit Kindern – ihr wisst schon – machen wollen."
Es sind schwere Anschuldigungen systematischen Kindesmissbrauchs an einer zunächst nicht näher benannten Kindertagesstätte in Baden-Württemberg. Das Video geht viral, wird tausendfach geteilt und kommentiert. Einige Kinder hätten nun ihr Schweigen gebrochen, mehrere Mütter hätten Anzeige gestellt, schließlich sei ihnen vor Gericht jedoch "der Mund verboten" worden, sagt die Frau im Video. In den Kommentaren zu dem viralen TikTok-Clip wird später der Name einer Kita in der Stadt Freiburg genannt. Dieser verbreitet sich rasend schnell, letztlich wird sogar das Foto eines Kita-Leiters geteilt und zum Mord aufgerufen. Belege für ihre enormen Anschuldigungen führt die Creatorin nicht an. TikTok hat den Account inzwischen gesperrt. Das Video liegt MDR AKTUELL vor.
Polizei und Staatsanwaltschaft: Bevölkerung stark verunsichert
In einer gemeinsamen Pressemitteilung weisen Polizei und Staatsanwaltschaft Freiburg die Anschuldigungen zurück. Das Video habe zu einer "starken Verunsicherung in der Bevölkerung" geführt. "Die Anschuldigungen entsprechen nicht der Wahrheit", teilen die Ermittlungsbehörden mit.
Demnach hat es in der Stadt Freiburg im Frühjahr 2024 jedoch tatsächlich ein Ermittlungsverfahren "wegen des Verdachts des schweren sexuellen Missbrauchs und der Körperverletzung zum Nachteil von Kindern" gegeben, welches den Darstellungen der TikTok-Creatorin zumindest in Teilen ähnelt.
Ermittlungen nach umfangreichen Untersuchungen eingestellt
Die Vorwürfe richteten sich damals jedoch gegen eine andere Kita, als im derzeitigen Fall im Netz behauptet wird. Drei Mütter hätten damals Vorwürfe gegen zwei Mitarbeiter einer Kita in Freiburg erhoben. Wie die Staatsanwaltschaft Freiburg MDR AKTUELL schriftlich mitteilte, habe es keine weiteren Beschuldigten gegeben. Der nun im Internet genannte Erzieher sei von den damaligen Ermittlungen nicht betroffen gewesen. Die Untersuchungen der Kriminalpolizei hätten letztlich keine Anhaltspunkte für die Anschuldigungen gefunden, weshalb das Verfahren eingestellt worden sei. Da eine der Mütter ihre Vorwürfe jedoch weiter öffentlich äußerte, "erwirkte die Kindertagesstätte die Abgabe einer zivilgerichtlichen Unterlassungserklärung" gegen die Frau.
Im Internet kursieren inzwischen Schriftstücke der Staatsanwaltschaft, welche von Nutzern als angebliche Belege für die Aussagen der TikTok-Creatorin herangezogen werden. Diese liegen MDR AKTUELL vor. Auf Nachfrage bestätigte die Staatsanwaltschaft Freiburg, dass die angeführten Dokumente dem eingestellten Ermittlungsverfahren zuzuordnen sind.
Oberbürgermeister Martin Horn dementiert Vorwürfe
Aufgrund des enormen öffentlichen Drucks hat sich auch der Freiburger Oberbürgermeister Martin Horn mit einem emotionalen Statement auf Instagram zu Wort gemeldet und die schweren Vorwürfe dementiert. "Fakt ist, dass der Polizei kein einziger Fall bekannt ist. Dass uns, als Arbeitgeber dieser Erzieherinnen und Erzieher, kein einziger Fall bekannt ist. Dass die Uniklinik klar gesagt hat: es gibt keinen einzigen Fall", sagt Horn gleich zu Beginn der dreiminütigen Videobotschaft. Aus Sicherheitsgründen hätte der betroffene Mitarbeiter freigestellt werden müssen. "Wir mussten Polizei in die Kita mitschicken." Die Stadt habe Anzeige gestellt.
In einer Pressemitteilung bekräftigt die Stadt Freiburg die Aussagen des Oberbürgermeisters. "Die Stadt stellt klar, dass gegen die Mitarbeitenden ihrer Kita keine Vorwürfe im Raum stehen und keine Strafanzeigen vorliegen", heißt es darin. Auch gegen Kitas in freier Trägerschaft lägen keine entsprechenden Hinweise vor. Es handele sich um "böswillige Verleumdungen".
Der Anwalt des nun im Netz beschuldigten Trägers stellte ebenfalls gegenüber MDR AKTUELL klar, dass kein Verfahren gegen den Träger oder einen seiner Mitarbeiter anhängig ist.
Anschuldigungen treffen auch das Freiburger Uniklinikum
In einem späteren Video geriet schließlich auch das Freiburger Uniklinikum ins Visier der TikTokerin. Dieses halte entsprechende Untersuchungsergebnisse zurück. Auf MDR-Anfrage weist das Krankenhaus "die Anschuldigungen aufs Deutlichste zurück (…)". So würden Eltern bzw. Sorgeberechtigte direkt im Anschluss an derartige Untersuchungen eine erste mündliche Einschätzung erhalten.
"Sollte sich in der Untersuchung der Verdacht auf Missbrauch erhärten, leiten Mitarbeiter*innen des Universitätsklinikums in Rücksprache mit den Sorgeberechtigten unverzüglich weitere Maßnahmen ein, etwa die Information des Jugendamtes oder der Polizei. Sollte sich der Verdacht nicht erhärten und auch anderweitig kein eiliger Versand erforderlich sein, wird der Arztbrief in der Regel innerhalb von 6-8 Wochen verschickt", teilt ein Kliniksprecher schriftlich mit.
Keine Anhaltspunkte für Kindesmissbrauch
Somit ist klar: Die schweren Vorwürfe der Frau lassen sich nicht bestätigen. Zwar gab es in der jüngeren Vergangenheit tatsächlich Ermittlungen zu einem möglichen Fall des Kindesmissbrauchs an einer Freiburger Kita – diese ergaben jedoch abschließend keinerlei tatsächliche Anhaltspunkte für die erhobenen Vorwürfe und wurden eingestellt. Die betroffene Kindertagesstätte erwirkte daraufhin eine Unterlassungserklärung gegen eine der Mütter. Im Internet kursierende Dokumente der Staatsanwaltschaft, welche als vermeintliche Beweise für die Aussagen der TikTok-Creatorin herangezogen werden, beziehen sich auf diese Ermittlungen. Weitere aktuelle Fälle sind derzeit in Freiburg nicht bekannt.
Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version des Artikels hieß es an zwei Stellen im Text, die Ermittlungen seien aufgrund mangelnder Beweise eingestellt worden. Nach Angaben von Polizei und Staatsanwaltschaft ergaben die Ermittlungen "abschließend keinerlei tatsächliche Anhaltspunkte für die erhobenen Vorwürfe. Das Ermittlungsverfahren wurde daher im Mai 2024 gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt."
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