Mathias Döpfner, Vorstandsvorsitzender Axel Springer, spricht zum 80. Geburtstag von Friede Springer
Springer-Chef Mathias Döpfner polarisiert immer wieder. Bildrechte: IMAGO/Chris Emil Janssen

Ost-feindliche Aussagen von Springer-Chef Autorin Schönian: "Döpfner kennt offenbar keine einzige ostdeutsche Person"

14. April 2023, 20:33 Uhr

Springer-Chef Döpfner steht nach Enthüllungen der "Zeit" stark in der öffentlichen Kritik. Seine Äußerungen unter anderem über Ostdeutsche sorgen für Empörung und Kopfschütteln. Aus Sicht der Autorin Valerie Schönian braucht es vor allem mehr Ostdeutsche in Führungspositionen, um Vorurteile abzubauen. Insbesondere die hohe Machtkonzentration des Springer-Chefs sorgt für Kritik. Der DJV hält seine politischen Einflussmöglichkeiten aber auch für begrenzt.

MDR AKTUELL Mitarbeiterin Rebecca Nordin Mencke
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Valerie Schönian zählt zu den jungen Gesichtern des Ostens. Mit ihrem Buch "Ostbewusstsein. Warum Nachwendekinder für den Osten streiten und was das für die Deutsche Einheit bedeutet" setzte die gebürtige Magdeburgerin bereits vor drei Jahren einen Gegenpol zum Klischee des "Jammer-Ossis". Die abfälligen Äußerungen von Springer-Chef Mathias-Döpfner über Ostdeutsche machen die Autorin und Journalistin vom Leipziger Büro der "Zeit" vor allem wütend.

Erschreckend sei neben der Zuspitzung aber auch die Kontinuität, die sich darin erkennen lasse, sagt Schönian MDR AKTUELL. So verweist Döpfner in den internen Dokumenten, die die "Zeit" am Donnerstag enthüllte, mehrfach auch auf seine Mutter: Sie habe ihn "immer vor den Ossis gewarnt" und "Meine Mutter hat es schon immer gesagt. Die Ossis werden nie Demokraten", heißt es darin etwa. Erschreckend und bitter, nennt das Schönian, "Aber ich finde, der entscheidende Punkt ist nicht, dass Mathias Döpfner das Problem ist, sondern dass dieses Denken ein Problem ist."

Mehr Repräsentation gegen Vorurteile

Als Nachwendekind sieht die Anfang 30-Jährige sich zwar weniger persönlich getroffen und fürchtet vor allem Verletzungen bei der Generation ihrer Eltern und Großeltern. Das Weltbild, das Döpfners nun veröffentlichten Aussagen zeigen, wirft aus ihrer Sicht aber grundlegende Fragen auf. "Offenbar kennt er keine einzige ostdeutsche Person, sonst kann man nicht so pauschal darüber reden", sagt Schönian. Um solche Vorurteile aufzubrechen, brauche es mehr Ostdeutsche in den Führungsetagen.

Insgesamt habe sich in den vergangenen 20 Jahren zwar einiges getan, ist die Beobachtung der Autorin. Es werde nicht mehr so öffentlich auf den Osten geschimpft wie damals. Dass dieses Denken aber nicht verschwunden sei, machten die Enthüllungen von Döpfners Äußerungen nun sichtbar. "Das ist kein Rückschritt, sondern ich glaube, das muss ein Ansporn sein: Jetzt müssen wir mit diesem Denken umgehen und wie machen wir das. Da ist aus meiner Sicht der wichtigste Punkt die Repräsentanz."

Kritik an hoher Machtkonzentration

Noch erschreckender als die pauschalen Vorurteile über Ostdeutsche findet Schönian die Machtkonzentration, die bei Döpfner in einer Person zusammenkomme – und "dass er so eindeutig versucht hat, Einfluss auf die Politik zu nehmen mit seiner Vorliebe für die FDP. Dass er so eindeutig Trump-Unterstützer ist, das hat mich auch erschrocken, genau wie die Aussagen zum Klimawandel."

Einschätzungen, die auch der Demokratieforscher Oliver Decker von der Universität Leipzig teilt. Er verwies bei MDR AKTUELL insbesondere auf die große Meinungsmacht der von Döpfner geleiteten Medien. "Wenn an der Stelle selbst auf einer Leitungsebene diese Ressentiments geteilt werden und Demokratieverständnisse existieren, die im höchsten Maß problematisch sind, dann muss sich eine demokratisch verfasste Gesellschaft die Frage stellen: Wie weit reicht der Einfluss an der Stelle, welche Konsequenzen gibt es deshalb?"

Seit Jahrzehnten bestimmt diese Berichterstattung die politische Atmosphäre.

Oliver Decker Demokratieforscher an der Uni Leipzig

Dass Medienhäuser mit bestimmten politischen Richtungen assoziiert seien, sei zwar zunächst Teil der demokratischen Vielfalt und Pluralität. Problematisch werde es aber, wenn es auf dem Medienmarkt zu einer Konzentration komme. "Und das ist etwas, das wir hier in dem Zusammenhang mit dem Springer-Verlag sehr deutlich sehen können. Seit Jahrzehnten bestimmt diese Berichterstattung die politische Atmosphäre." Und die sei schon in den vergangenen Jahren immer wieder ressentimentgeladen – gegen Ostdeutsche ebenso wie etwa gegen Muslime oder benachteiligte Menschen.

Rücktritt von Döpfner gefordert

Der Deutsche Journalisten-Verband hält die politischen Einflussmöglichkeiten von Döpfner allerdings für begrenzt. Vorsitzender Frank Überall sagte MDR AKTUELL, Döpfner habe zwar offenbar beim Versuch politischer Einflussnahme Grenzen überschritten. Er sei letzten Endes aber nicht erfolgreich gewesen.

Aus der Politik wurden dennoch bereits Forderungen laut, Döpfner müsse seinen Posten räumen. Der Bürgerrechtler Frank Richter betonte bei MDR AKTUELL, die Verachtung und Beleidigungen schadeten nicht nur dem Osten, sondern der Gesellschaft im Ganzen. Damit werde die schwierige Beziehung der Menschen im Osten zu denen im Westen weiter problematisiert.

Was ich mir wünsche, ist, dass sich jetzt nicht alle zwei, drei Tage lang empören und dann aber so tun, als ob es dieses Denken nicht mehr geben würde.

Valerie Schönian Autorin und Journalistin

Die Autorin Schönian verbindet die aktuelle Debatte aber auch mit einer Hoffnung: "Was ich mir wünsche, ist, dass die Aussagen nicht dafür sorgen, dass sich jetzt alle zwei, drei Tage lang empören, wie so etwas stattfinden kann und dann aber so tun, als ob es dieses Denken nicht mehr geben würde." Denn in Döpfner sieht sie gerade mit Blick auf dessen Aussagen zu Ostdeutschen keinen Einzelfall, sondern Symptom eines größeren strukturellen Problems.

MDR (rnm)

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Das Nachrichtenradio | 14. April 2023 | 14:48 Uhr

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