Biodiversität Regenwürmer, Ameisen und Termiten: Die Ökosystemingenieure im Boden
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15. Februar 2025, 05:00 Uhr
Termiten, Ameisen und Regenwürmer tragen zur Durchmischung des Bodens bei, indem sie einzigartige Strukturen wie Termitenhügel, Ameisennester und Regenwurmtunnel schaffen. So verändern sie die Mikroumgebung und bieten anderen biologischen Gruppen sowohl Nahrung als auch Lebensräume. Diese Rolle ist zwar bekannt, doch ein internationales Forschungsteam unter Leipziger Beteiligung konnte jetzt erstmals belegen, wie zentral die wirbellosen Organismen tatsächlich für unsere Ökosysteme sind.
Regenwürmer, Ameisen und Termiten sind regelrechte Ökosystemingenieure, sagt Nico Eisenhauer vom Deutschen Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) und der Universität Leipzig. Sie formten nämlich die Umwelt für andere Tiere, Pflanzen und die Mikroorganismen. "Es werden Strukturen gebildet, die dann auch Lebensraum für andere sind", erklärt der Forscher ihre Rolle im Ökosystem.
Kleine Dinge, die die Welt am Laufen halten. Wie wichtig das ist, könne man sich schlecht vorstellen, weil die wirbellosen Tiere eben so klein seien, so Eisenhauer. "Aber es sind wirklich riesige Biomassen, die da im Boden vorkommen. Und wenn man weiß, wie klein auch andere Organismen sind, wie Mikroorganismen und kleine Lebewesen im Boden, dann kann man auch abschätzen, dass solche Strukturen wie Gebäude oder wie große Gebilde wirken können."
Rolle der Wirbellosen erstmals quantifiziert
Aber wie stark sind diese Effekte der Wirbellosen auf ihre jeweiligen Ökosysteme? Das hat das internationale Forschungsteam nun in Hinblick auf die Nährstoffkreisläufe, das Zusammenspiel mit mikrobiellen Gemeinschaften und das Pflanzenwachstum untersucht.
Gemeinsam mit Forschenden der Sun Yat-sen University in China und von der französischen Sorbonne Université hat Eisenhauer eine umfangreiche Metaanalyse durchgeführt. Mehr als 1.000 Studien mit fast 13.000 Messungen seien eingeflossen, erzählt er. "Da ging es immer um Vergleiche von Bodenbereichen, die nicht direkt beeinflusst waren von Termiten, Ameisen und Regenwürmern und Bereichen, die direkt beeinflusst waren. So konnten Faktoren wie zum Beispiel die Nährstoffverfügbarkeit, die mikrobelle Biomasse und das Pflanzenwachstum verglichen werden."
In unseren heimischen Gefilden haben wir natürlich gar keine Termiten, erläutert Eisenhauer. Die kämen eher in trockenen und subtropischen Regionen vor. Hierzulande seien eher Ameisen und Regenwürmer von Relevanz. Die drei Arten ergänzten sich gegenseitig. "Wir haben da eine gewisse Komplementarität", so der Leipziger. Gemeinsam regieren die drei Arten also gewissermaßen die Welt. "Bei uns sind es vor allem die Regenwürmer, die diese starken Effekte auf Nährstoffe, Mikroben und auch auf die Pflanzenwelt haben."
Zentrale Rolle in den Nährstoffkreisläufen
Das Ergebnis der Analyse: Die Forschenden konnten deutliche Effekte der drei Organismengruppen nachweisen. "Und wir konnten damit zum ersten Mal mit harten Fakten belegen, dass diese Gruppen viel stärker berücksichtigt werden müssen in ihrer bedeutenden Rolle", bilanziert Eisenhauer. Tatsächlich seien Ameisen, Termiten und Regenwürmer die "Schlüsselzersetzungsorganismen" im Boden. Sie seien sozusagen die natürlichen Akteure im Nährstoffkreislauf: Sie zerkleinern das organische Material, verarbeiten es und stellen es den Mikroorganismen zur Verfügung, wodurch wiederum das Pflanzenwachstum bestimmt wird.
"Wir konnten zeigen, dass in den Ökosystemen, in den Termiten, Regenwürmern und Ameisen dominieren, diese auch den stärksten Einfluss auf den Nährstoffkreislauf haben", so Eisenhauer. Sie stellten insbesondere dort, wo Nährstoffe limitiert seien, eben diese für die Pflanzen bereit. "Die Nährstofflimitierung für Pflanzen und Mikroorganismen wird durch die Aktivität dieser wirbellosen Tiere aufgehoben und damit haben wir mehr mikrobielles Wachstum, stärkere Nährstoffumsätze und stärkeres Pflanzenwachstum", bilanziert der Leipziger Forscher.
Im Umkehrschluss hieße das auch: Je weniger von diesen drei wirbellosen Organismen in einem Ökosystem zu finden seien, desto schlechter falle auch die Nährstoffversorgung und somit eben auch das Pflanzenwachstum aus. Regenwürmer, Ameisen und Termiten spielten also eine zentrale Rolle.
Klimaveränderungen lösen Domino-Effekt aus
Auch in Hinblick auf die Klimaveränderung ist dieser Mechanismus extrem wichtig. Denn Pflanzen binden ja den Kohlenstoff aus der Atmosphäre – zunächst in der Pflanzenbiomasse und schließlich auch im Boden. Wenn die Pflanzen durch weniger Aktivität der Wirbellosen also schlechter wachsen, ist hier ein Domino-Effekt zu befürchten, so Eisenhauer: "Also es gibt dann diese kaskadierenden Effekte." Denn wenn die Pflanzen den Kohlenstoff nicht fixierten, gelange auch nicht genug davon in den Boden.
Eisenhauer betont, dass auch der Faktor Klima bereits in die aktuelle Analyse eingeflossen sei. Künftig wolle sich das Forschungsteam diesem Aspekt auch noch eingehender widmen. "In weiteren Studien können wir zukünftig auch zeigen, wie sich diese Verbreitung der Organismengruppen mit dem Klimawandel und mit Klimaextremereignissen verändern wird", sagt Eisenhauer.
Besserer Schutz: Im eigenen Garten anfangen
Neben der Klimaveränderung werden die Wirbellosen auch von anderen Faktoren wie etwa Pestiziden oder intensiver Landbewirtschaftung beeinflusst. Frühere Untersuchungen hätten bereits gezeigt, dass sich hier mit einem guten Management Effekte erzielen ließen, sodass unter anderem die Regenwurmgemeinschaften im Boden und damit auch die natürlichen Nährstoffkreisläufe gefördert werden könnten, so Eisenhauer.
Doch es sei nicht so einfach, den Menschen zu verdeutlichen, wie riesig die Bedeutung der Wirbellosen sei, denn sie hätten leider nicht das Charisma eines Pandabären, bedauert der Forscher. Auf dieses Dilemma und die wichtige Rolle der kleinen Wirbellosen soll auch der Tag des Regenwurms am 15. Februar jedes Jahres aufmerksam machen.
Dabei könne jeder Hobbygärtner im eigenen Garten schon viel für die Tiere tun. "Also bei mir im Garten sieht's relativ wild aus," sagt Eisenhauer. "Das kommt erstmal eher so daher, als ob sich da nicht so viel gekümmert wird, aber ich will solchen Organismen eine Lebensgrundlage bieten."
Dafür brauche es viel organisches Material wie etwa Blätter, die an Ort und Stelle belassen werden. "Man kann Ecken im Garten vielleicht ein bisschen weniger bewirtschaftet lassen, weniger stark oder gar nicht düngen, Pestizide würde ich empfehlen, komplett zu vermeiden", so der Forscher. Und wer dann noch auf einheimische Pflanzen setze und auf Schottergärten und ständiges Rasenmähen verzichte, der könne den heimischen Regenwürmern und Ameisen schon sehr helfen. "Man sieht die Effekte relativ schnell", sagt Eisenhauer. "Dann sieht man nicht nur, dass die Regenwürmer da sind, sondern es kommen auch die Bestäuber und man bekommt auch Besuch von den Schmetterlingen."
Link zur Studie
Wu, Donghao et. al.: Global engineering effects of soil invertebrates on ecosystem functions. In: Nature, 2025. DOI: https://doi.org/10.1038/s41586-025-08594-y.
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | 15. Februar 2025 | 14:52 Uhr
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