Antibiotika-Resistenz Igel hatten bereits vor 200 Jahren "Krankenhauskeim" MRSA
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29. Januar 2024, 14:53 Uhr
Nicht der klinische Antibiotika-Einsatz durch den Menschen hat den antibiotikaresistenten Superkeim MRSA erstmals in die Welt gesetzt. Bereits vor 200 Jahren ließ der Überlebenskampf eines Pilzes und eines Bakteriums auf der Haut von Igeln "Krankenhauskeime" entstehen.
Methicillin-resistente Staphylococcus aureus-Stämme, kurz MRSA, gelten als häufige Ursache von Krankenhausinfektionen. Die Superkeime sind – wie ihr Name verrät – gegen das Antibiotikum Methicillin unempfindlich. Aufgrund ihrer Antibiotikaresistenz sind MRSA-Stämme viel schwieriger zu behandeln als andere bakterielle Infektionen. Die Weltgesundheitsorganisation WHO betrachtet sie deshalb inzwischen als eine der weltweit größten Bedrohungen für die menschliche Gesundheit.
MRSA-Keime und Antibiotika-Einsatz
Nachgewiesen wurden MRSA-Keime erstmals bei der klinischen Erprobung von Methicillin in den 1960er-Jahren. Seither verbreiten sich die Bakterienstämme überall dort, wo in erhöhtem Maße Antibiotika eingesetzt wird: in Kliniken und anderen medizinischen Einrichtungen genauso wie in der Nutztierhaltung. Vor diesem Hintergrund war es nur folgerichtig, dass man die Entstehung von MRSA-Superkeimen vor allem mit dem Einsatz von Antibiotika durch den Menschen in Verbindung brachte. Doch das ist falsch, wie eine internationale Studie zur genetischen Geschichte des Bakteriums nun bewiesen hat.
Typ mecC-MRSA seit 200 Jahren bei Igeln
Wissenschaftler von Instituten aus Großbritannien und Dänemark konnten in der Arbeit nachweisen, dass eine bestimmte Art des antibiotikaresistenten Superkeims MRSA längst in der Natur vorhanden war, bevor Antibiotika überhaupt klinisch eingesetzt wurden. Demnach trat bereits vor etwa 200 Jahren ein MRSA-Typ namens mecC-MRSA bei Igeln auf. Die Keimart ist für eine von 200 MRSA-Infektionen beim Menschen verantwortlich. Aktuelle Erhebungen aus Dänemark und Schweden zeigen, dass bis zu 60 Prozent der dort lebenden Igel den mecC-MRSA-Keim mit sich herumschleppen. Auch im restlichen europäischen Verbreitungsgebiet des Igels wurden hohe MRSA-Werte festgestellt.
Kampf zwischen Pilz und Bakterium
Doch wie kamen die Igel zu ihren antibiotikaresistenten mecC-MRSA-Keimen, lange bevor Antibiotika-Präparate in Humanmedizin und Landwirtschaft eingesetzt wurden? Die Forscher stießen bei ihren Untersuchungen auf einen natürlichen biologischen Prozess, der sich auf der Haut von Igeln abspielt. Dort tragen seit etwa 200 Jahren der Pilz Trichophyton erinacei und das Bakterium Staphylococcus aureus einen täglichen Kampf ums Überleben aus. Der Pilz sondert dabei Antibiotika ab, um das Bakterium abzutöten. Aber das Bakterium hat als Reaktion darauf eine Antibiotikaresistenz entwickelt und sich zum MRSA-Superkeim entwickelt.
Mit Sequenzierungstechnologie Genen auf der Spur
Mit Hilfe der Sequenzierungstechnologie gelang es den Forschern, die Gene, die für die Antibiotikaresistenz von mecC-MRSA verantwortlich sind, bis zu ihrem ersten Auftreten zurückzuverfolgen. Dabei stellten sie fest, dass diese Gene bereits im 19. Jahrhundert existierten. Einer der Hauptautoren der Studie, Dr. Ewan Harrison von der Universität Cambridge, kommt deshalb zu dem Schluss: "Unsere Studie deutet darauf hin, dass nicht der Einsatz von Penicillin für das anfängliche Auftreten von MRSA verantwortlich war, sondern ein natürlicher biologischer Prozess. Wir glauben, dass sich MRSA in einem Überlebenskampf auf der Haut von Igeln entwickelt hat und sich dann durch direkten Kontakt auf Nutztiere und Menschen ausgebreitet hat."
Vermutlich alle Antibiotika-Resistenzen auch in der Natur
Da fast alle Antibiotika, die wir heute verwenden, in der Natur entstanden sind, ist es den Forschern zufolge wahrscheinlich, dass auch in der Natur bereits eine Resistenz gegen sie besteht. Da ein übermäßiger Einsatz von Antibiotika resistente Erregerstämme begünstige, sei es nur eine Frage der Zeit, bis das Antibiotikum seine Wirksamkeit verliere. Der Veterinärmediziner Prof. Dr. Mark Holmes von der Universität Cambridge, ein weiterer Hauptautor der Studie, warnt deshalb zur Vorsicht bei der Anwendung von Antibiotika: "Es gibt ein sehr großes Reservoir in der Tierwelt, in dem antibiotikaresistente Bakterien überleben können. Von dort aus ist es nur ein kleiner Schritt, bis sie von Nutztieren aufgenommen werden und dann den Menschen infizieren."
Einen Grund, sich vor Igeln zu fürchten, sehen die Studienautoren jedoch auch weiterhin nicht. Ihr Argument: Menschen infizieren sich nur selten mit mecC-MRSA, obwohl es bei Igeln seit mehr als 200 Jahren vorkommt. Die Studie wurde in der Fachzeitschrift Nature veröffentlicht.
(dn)
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