Medikamente aus dem Meer Mit Algen gegen Hautkrebs und multiresistente Krankenhauskeime
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17. Juli 2020, 14:50 Uhr
Algen - kennen wir vom Strand und neuerdings auch in der Küche. Aber das Potential der Meerespflanzen ist noch viel größer. Dass Algen auch medizinisch spannend sind, zeigt eine aktuelle Studie aus Kiel.
Beim Spaziergang am Meer gibt es kein Entweichen: Sie liegen meist in großen, bräunlichen, unansehnlichen Haufen am Strand, werden mit den Wellen angespült und riechen je nach Licht und Wind nach salziger Meeresluft oder ranzigem Fisch. Rotalgen, Braunalgen, Grünalgen und Seegras wachsen und leben im Meer, werden - wenn überhaupt - im Vorübergehen wahrgenommen. Inzwischen sind sie aber auch wissenschaftlich und wirtschaftlich interessant: Ein Team in Kiel erforscht Algen als Mittel gegen multiresistente Keime.
Rohstoff der Zukunft
Algen werden als "neuer Rohstoff" angepriesen und mit Innovationsversprechen für Pharma-, Lebensmittel- und Kraftstoffindustrie vermarktet. Kein Wunder, denn an vielen Orten wird an Algenkerosin geforscht. Nahrungsergänzungspräparate aus Spirulina und Chlorella versprechen einen entgifteten Körper und einen wachen Geist und wer weiß, vielleicht werden die zukünftigen Brennstoffzellen mittels Wasserstoff aus Algen betrieben. Auch im pharmakologischen Bereich bringt die Forschung neue, bahnbrechende Erkenntnisse, wie in Kiel am GEOMAR, dem Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung.
Das Team um Deniz Tasdemir und Bicheng Fan hat die Braunalge, auch als Blasentang von jedem Ost- oder Nordseestrand bekannt, untersucht und spezielle Pilzsymbionten gefunden. Die produzieren antibakterielle Wirkstoffe gegen die multiresistenten MRSA-Keime, die Krankenhausinfektionen verursachen, und antikanzerogene Stoffe zur Bekämpfung von Hautkrebs. Diese Mikroorganismen leben in Symbiose, also einem engen und für beide vorteilhaften Verhältnis.
Bei den hierbei durchgeführten Tests handelt es sich um Wirksamkeitsnachweise, also die allerersten Studien, wie Martina Blümel aus dem Forschungsteams betont. Die Entwicklung der dazugehörigen Arzneistoffe steht ganz am Anfang und bedarf noch vieler Studien. Eines der größten bislang ungelösten Probleme ist dabei die Gewinnung von ausreichend Algenmaterial, um daraus Arzneimittel herstellen zu können.
Algenbiotechnologie noch unausgereift
Die Algenbiotechnologie ist verglichen mit dem Gegenstand ihrer Forschung - seit Millionen Jahren existierende Algen -, ein sehr junger Bereich. Noch ist die Produktion von großindustriellen Mengen im Tonnenbereich für die Herstellung von Arzneimitteln ein Problem, weil Aquakulturen auf jede einzelne Alge abgestimmt werden müssen und nicht in jedem Falle so wirtschaftlich erschlossen sind, wie beim Anbau der japanischen Rotalge Nori, die wir vom Sushi kennen, das sie umhüllt.
"Wildsammlungen mariner Organismen sind generell nicht nachhaltig, um große Substanzmengen für die Medikamentenherstellung zu erhalten, denn sie erfordert Mengen im Kilogramm- oder Tonnenmaßstab", erklärt Blümel weiter. Im Falle der Braunalge allerdings gelang es, den Pilzsymbionten isoliert zu kultivieren. "Dies macht es einfacher, die für klinische Arzneimittelstudien benötigten Substanzmengen im Grammbereich zu produzieren." Durch biotechnologische Verfahren kann die Produktion bestimmter Wirkstoffe im Pilz gezielt erhöht werden.
Noch viele Algen unbekannt
Von allen im Meer existierenden Algenarten, sind nur die wenigsten bekannt. Selbst die Zahl der unterschiedlichen Algen ist nur eine Schätzung, je nachdem wen man fragt, erhält man als Antwort 50.000 oder über eine Million. Gleichwohl wird den Algen ein riesiges Potenzial attestiert, da sie bis zu zehnmal schneller als Landpflanzen wachsen, dabei deutlich ressourcenärmer sind und deutlich mehr Öl enthalten als Raps oder Ölpalmen, was zum Beispiel für die Biodieselgewinnung wichtig ist.
Laut GEOMAR haben marine Naturstoffe ein viermal höheres Potenzial für die Arzneistoffentwicklung als andere natürliche oder synthetische Verbindungen. Nicht verwunderlich also, dass bereits zwölf lebensrettende Medikamente aus Meeresorganismen und ihren Symbionten entwickelt wurden. Dazu gehören zum Beispiel Yondelis – zur Behandlung von Eierstockkrebs oder Weichteilsarkomen (bösartige Tumore in Weichteilen); oder Vira-A – zur Behandlung von oberflächlichen Hornhautentzündungen, die durch Herpesviren verursacht werden oder Cytosar-U – zur Behandlung von verschiedenen Krebsarten.
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