Erste Studie Tonnenweise Antibiotika auch im Pflanzenschutz
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23. Juni 2020, 02:00 Uhr
Wer glaubt, sich durch eine vegane Ernährung vor Antibiotika in Lebensmitteln schützen zu können, der irrt. Denn auch im Pflanzenschutz werden Bakterienkiller eingesetzt, wie eine weltweite Studie der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und der UN-Landwirtschaftsorganisation (FAO) jetzt offenlegt.
Bakterienkulturen, die auf kein bekanntes Antibiotikum mehr reagieren, können für Menschen, die bereits geschwächt sind, lebensbedrohlich werden. Allein in Europa sterben nach Angaben der WHO jährlich rund 33.000 Patienten an diesen sogenannten multiresistenten Keimen. Sie entstehen durch einen übermäßigen Einsatz von Antibiotika in der Humanmedizin, aber auch in der Fleischproduktion. Damit die Tiere trotz kritischer Haltungsbedingungen gesund bleiben, werden ihrem Futter von klein auf Bakterienkiller beigemischt, die der Verbraucher mit verzehrt. Doch auf Fleisch zu verzichten, um sich davor zu schützen, reicht offenbar nicht. Denn auch in der Pflanzenproduktion kommen Antibiotika routinemäßig zum Einsatz.
Studie: Antibiotikaeinsatz bei Pflanzen kaum überwacht
Seit Jahrzehnten werden Bakterienkiller auch bei der Bekämpfung von Pflanzenkrankheiten eingesetzt, zum Beispiel bei Äpfeln und Birnen. Wie weit verbreitet der Einsatz jedoch heute ist, wurde bisher kaum untersucht. Die aktuelle Untersuchung der FAO (Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der UN), der OIE (Organisation für Tiergesundheit) und der WHO ergab, dass nur drei von 158 befragten Ländern den Antibiotikaeinsatz bei Kulturpflanzen dokumentiert und auswertet hatten. Die Verwendung beim Menschen hingegen kontrollierten 41 Staaten, beim Tier 36.
Prophylaktische Anwendung in großen Mengen
Für die Studie wertete das Zentrum für Landwirtschaft und Biowissenschaften International (CABI) mit Sitz in Großbritannien mehr als 436.000 Aufzeichnungen von Plantwise-Pflanzenkliniken in 32 Ländern aus den Jahren 2012 bis 2018 aus. Sie belegen, dass bei über 100 Pflanzenarten große Mengen von Antibiotika eingesetzt wurden, oft auch schon vorbeugend. Einige der dokumentierten Präparate spielen auch in der Humanmedizin eine große Rolle. So werden allein in Südostasien offenbar jährlich 63 Tonnen Streptomycin und sieben Tonnen Tetracyclin auf die Reisernte gesprüht. In den USA erlaubt die Umweltschutzbehörde EPA den Einsatz von Streptomycin auf Plantagen für Zitrusfrüchte dreimal im Jahr. Dabei werden 428 Tonnen verbraucht. Beide Präpaprate sind Breitbandantibiotika, die aufgrund ihrer Wirksamkeit gegen verschiedene Bakterien eingesetzt werden, bevor man überhaupt weiß, woran die Pflanzen überhaupt erkrankt sind. Oftmals helfen sie gar nicht.
Viele Pflanzenberater empfehlen Antibiotika gegen Insektenschädlinge, obwohl sie darauf keine Auswirkungen haben.
Geringere Mengen, schnellere Resistenzen
Im Vergleich zu den Mengen an Antibiotika, die in der Humanmedizin und in der Fleischproduktion angewendet werden, ist der Einsatz im Pflanzenschutz eher gering. Dennoch können die Bakterien in dieser Nische bis zu 100.000 mal schneller eine Resistenz entwickeln. Grund dafür ist die Mischung der Präparate mit anderen Agrochemikalien. Dr. Rob Reeder, Co-Autor der Studie, fordert weitere Untersuchungen dazu, wieviel Antibiotika im Pflanzenbau zum Einsatz kommen.
Das Potenzial für Wechselwirkungen mit anderen Pflanzenschutzmitteln, die die Kreuzresistenz oder die Co-Selektion auf Antibiotikaresistenz fördern könnten, ist beträchtlich.
Studienleiter Philip Taylor vermutet, dass durch die mit Antibiotika behandelte Pflanzen beim Verzehr resistente Bakterien in den menschlichen Darm eindringen und hält daher weitere Untersuchungen für erforderlich.
Über die Entwicklung von Antibiotikaresistenzen wird in Fachkreisen immer noch heftig diskutiert. Diejenigen, die sich für die Verwendung dieser Medikamente in Kulturpflanzen einsetzen, weisen schnell darauf hin, dass es keine nachgewiesenen Hinweise auf Resistenzen gibt, die sich von pflanzenpathogenen Bakterien auf menschliche oder tierische Krankheitserreger ausgebreitet haben.
krm
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