Ein Sack mit Kartoffeln liegt auf einem Feld 4 min
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Hybridkartoffel Forschende entwickeln Anleitung für die Kartoffel der Zukunft

25. Januar 2025, 10:00 Uhr

Die Hybridkartoffel soll des Deutschen liebste Sättigungsbeilage fit machen gegen Krankheiten und das sich verändernde Klima. Doch die komplexe Genetik der Pflanze ist ein Problem, sie lässt sich nicht so leicht züchten wie Getreide. Eine neue Studie aus China mit Unterstützung aus Sachsen-Anhalt liefert jetzt die Anleitung dafür, wie es trotzdem gelingen kann.

Egal ob als Püree, in Form von Pommes oder ganz klassisch gekocht: Kartoffeln sind aus deutschen Küchen nicht wegzudenken. Und auch für die Landwirtschaft ist es eine der wichtigsten Anbaukulturen. 63,5 Kilogramm pro Kopf essen wir davon in Deutschland, 25,5 Kilo als Frischkartoffeln, der Rest verarbeitet, meldet die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung für das Wirtschaftsjahr 2023/24.

Doch ihr Anbau ist eine Herausforderung, denn die Vermehrung der Kartoffel erfolgt üblicherweise über Pflanzkartoffeln – also Knollen, die direkt eingepflanzt werden.

Anders als bei anderen Feldpflanzen kommen hier also keine Samen zum Einsatz. "Die Kartoffel ist, wenn man sie mit anderen Kulturarten wie Weizen oder Gerste vergleicht, ein Exot", sagt Nils Stein vom Leibniz-Institut für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung (IPK) in Gatersleben. "Obwohl wir hier von Saatkartoffeln sprechen, werden hier vegetative Sprossteile produziert. Die Kartoffelknollen sind verdickte, überdauernde Sprossabschnitte." Lagere man die nun über den Winter im Keller und pflanze sie später wieder ein, wachse der Spross wieder. "Es sind identische Nachkommen der Mutterpflanze. Man spricht hier von Klonen."

Das Problem mit der komplexen Genetik

Doch es gibt ein paar Probleme mit dieser Art der Vermehrung. Pflanzkartoffeln sind etwa anfällig für die Übertragung von Krankheiten wie Viren und Pilzen, was die Ernte gefährden kann. Außerdem sind sie sperrig und schwer, was für den Landwirt Aufwand und Kosten bedeutet. Und da die Knollen genetisch identisch mit der Mutterpflanze sind, können sich Kartoffeln auch noch kaum an sich verändernde Umweltbedingungen – etwa durch die Klimaerwärmung – und Krankheiten anpassen. Doch viele Kartoffelsorten reagieren empfindlich auf das sich verändernde Klima, resistentere Sorten zu entwickeln ist wichtig für die Landwirtschaft der Zukunft.

Forschende und Saatgutproduzenten arbeiten deshalb an Hybridsaatgut für die Kartoffel. Das wären ganz normale Samen, die platzsparend sind, lange haltbar und weniger anfällig für Krankheiten. "Der Vorteil von Hybridsorten ist, dass sie oftmals einen höheren Ertrag als reinerbige Liniensorten produzieren können", ergänzt Stein. Doch was bei Mais bereits die Regel auf dem Acker ist, das ist bei der Kartoffel nicht so einfach. Ihre Genetik macht es den Fachleuten schwer, diese Hybridsorten herzustellen. Es braucht deshalb detailliertes Wissen über die Genomstruktur der Pflanze.

Was ist eine Hybridzüchtung? Eine Hybridzüchtung ist eine Methode, um Pflanzen oder Tiere zu züchten, die besonders gute Eigenschaften haben. Dabei werden zwei verschiedene Elternlinien mit bestimmten, gewünschten Merkmalen miteinander gekreuzt. Bei den Pflanzen handelt es sich dabei um zwei Inzuchtlinien. Da die meisten Pflanzen männliche und weibliche Sexualorgane haben, ist es möglich, sie mit sich selbst zu vermehren, sodass aus dieser Inzucht nahezu reinerbige Nachkommen mit exakt denselben Eigenschaften in allen Folgegenerationen entstehen.

Hybridsorten sind durch ihre genetisch sehr unterschiedlichen Eltern-Pflanzen mit einem besonders breiten Gen-Spektrum ausgestattet. Dadurch profitieren sie vom sogenannten Heterosis-Effekt. Der tritt immer dann auf, wenn aus der Kreuzung zweier Inzuchtlinien deutlich leistungsfähigere Nachkommen entstehen. Das ist auch das Ziel der Hybridzüchtung: Die Pflanzen sollen zum Beispiel vitaler, größer oder widerstandsfähiger gegen Umwelteinflüsse oder Schädlinge werden. Der Effekt ist unter anderem bei Mais, Zuckerrüben, Roggen oder Gurkenpflanzen bekannt.

In der Landwirtschaft werden die Kreuzungen häufig genutzt. Der Maisanbau etwa erfolgt fast ausschließlich mit Hybridsorten. Allerdings können Hybride ihre Vorteile nicht an die Nachkommen weitergeben. Deshalb verwenden Landwirte oft jedes Jahr neues Saatgut von spezialisierten Herstellern.

Auf der Suche nach stabilen Eltern

Hybridsaatgut lässt sich immer dann leicht reproduzieren, wenn man zwei Elternpflanzen miteinander kreuzt, die stabil sind, erläutert Stein. Bei der Genetik der Kartoffel sei diese Stabilität aber kompliziert zu erreichen. Das beginnt mit den Inzuchtlinien: Bei den meisten diploiden Pflanzen lassen sich Pollen und Eizelle derselben Pflanze miteinander befruchten, erklärt der Pflanzengenetiker. "Dann kriegt man homozygote reinerbige Nachkommen, das heißt, es kommt nicht zu einer Aufspaltung von Merkmalen."

Viele Kartoffeln seien aber gar nicht selbst kompatibel – also ließen sich nicht in sich selbst züchten. Außerdem macht die genetische Variabilität die Zucht stabiler Eltern schwierig. "Wenn Sie Kartoffeln im Garten anbauen, dann gibt es diese Beeren, die aussehen wie grüne Tomaten. Die sind vollgestopft mit Samen. Aber wenn Sie dieses Samen aussehen, dann sehen die Nachkommen alle anders aus, weil diese Pflanzen hochgradig heterozygot sind", so Stein. "Durch die Bildung von Keimzellen, die Befruchtung und Samenbildung kommt es zu einer Neukombination dieser elterlichen Merkmale."

Ein Kartoffelfeld
Die Kartoffeln auf den Feldern, die aus Pflanzkartoffeln stammen, sind Klone ihrer Mutterpflanze. Bildrechte: imago images / Nature Picture Library

Ein Forschungsteam der Chinesischen Akademie der Agrarwissenschaften hat nun einen wichtigen Schritt für die Lösung dieses Problems gemacht, sagt IPK-Forscher Stein. Sie hätten eine Art Arbeitsanleitung für die Hybridkartoffel-Forschung vorgelegt. Der Sachsen-Anhalter war in beratender Funktion an der Untersuchung beteiligt, weil er Ähnliches in der Vergangenheit bereits für Getreidesorten gemacht und außerdem großes Interesse an der Arbeit der chinesischen Kollegen habe.

Ein Werkzeug für die Hybridkartoffel-Zucht

Weil der Kartoffel die Voraussetzungen für die Zucht von Hybridsorten also eigentlich fehlen, soll die Genomforschung dabei helfen, eine Reihe von Inzuchtlinien – also einen stabilen Genpool – zu generieren. Denn während man lange Zeit nur reinerbige (homozygote) Pflanzen sequenzieren und ihr Genom vollständig zusammensetzen konnte, erläutert IPK-Forscher Stein, ist es mit heutigen Methoden der Genomsequenzierung sehr gut möglich, dasselbe auch für heterozygote Pflanzen zu machen. "In einer Genomsequenz hat man dann in einer linearen Abfolge alle Merkmale, alle Eigenschaften aufgelistet."

Und genau das hätten die chinesischen Forschenden in ihrer Arbeit getan. Insgesamt 30 Kartoffeln sind dafür sequenziert worden, so Stein. "Und man es geschafft, die Informationen, die auf den elterlichen Chromosomen oder Haplotypen liegen, sauber voneinander getrennt zu assemblieren." Das bedeute, dass man aus den 30 Genomen insgesamt 60 Chromosomen (Haplotypen) generiert habe. "Wenn wir eine von diesen 30 zehnmal hintereinander mit sich selbst befruchten könnten, dann würden wir es schaffen, aus dieser heterozygoten Pflanze eine homozygote Pflanze zu selektieren", erläutert Stein. Das sei aber ein Prozess, der über viele Pflanzengenerationen ablaufe.

Diese Studie ist letztlich eine Art Arbeitsanleitung.

Prof. Dr. Nils Stein, Leibniz-Institut für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung

Die Forschungsarbeit von Steins chinesischen Kollegen sei eine Grundlage für die Hybridkartoffelzucht der Zukunft bilanziert er. "Mit diesen Genomsequenzen haben wir jetzt die Werkzeuge." Denn die wichtigste Voraussetzung für die Hybridkartoffelzucht seien die Inzuchtlinien, die eben erst hergestellt werden müssen. Nur in diesem homozygoten Zustand sehe man nämlich wirklich, welche Eigenschaften und Mutationen sich in einem Genom angesammelt hätten und nur so ließen sich die gewünschten Merkmale für die Zucht selektieren.

Gute Aussichten für die Hybridkartoffel

Im letzten Kapitel der chinesischen Studie ginge es dementsprechend auch schon um den nächsten Schritt: Was muss man tun, um aus den 30 Genomen die idealen Pflanzen-Haplotypen zu selektieren, um so einen ersten Genpool für eine effiziente Hybridzüchtung aufzubauen? Das ist jetzt der nächste Schritt der Forschungsgruppe, erklärt Stein.

Hybridkartoffeln anzubauen sei ihnen sogar schon gelungen: "Sie haben die evaluiert im Feld und können sagen, dass sie nicht so weit entfernt sind von klassischen Kultivaren in der Leistungsfähigkeit und im Geschmack." Tatsächlich gibt es auch bereits die ersten Anbieter, die Saatgut in Form von Samen für Hybridkartoffeln anbieten, aus denen sich eine einjährige Speisekartoffelernte produzieren lassen soll.

Genomforscher Nils Stein vom IPK in Gatersleben interessiert sich aber nicht zuletzt für die Kartoffelforschung, weil sein Haus auch eine umfassende Genbank beherbergt. Die Kartoffeln befinden sich allerdings aufgrund der klimatischen Bedingungen in Groß Lüsewitz in Mecklenburg-Vorpommern, sagt er. Die umfangreiche Sammlung bestehe aus 6.000 Mustern, etwa die Hälfte davon seien Klone von Kulturkartoffeln.

Link zur Studie

Cheng, Lin et al.: Leveraging a phased pangenome for haplotype design of hybrid potato. In: Nature. 2025. DOI: 10.1038/s41586-024-08476-9.

Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 24. Januar 2025 | 18:20 Uhr

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