Drei Minuten Zukunft Warum Gentechnik nachhaltig sein kann
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28. Juni 2022, 15:25 Uhr
Gentechnisch veränderte Pflanzen sind höchst umstritten und hierzulande einer scharfen gesetzlichen Regulierung unterworfen. Ohnehin findet sie wenig gesellschaftliche Akzeptanz, auf dem Teller und im Futtertrog. Genom-Editierung verspricht, viel sanfter und zielgerichteter vorzugehen als konventionelle Gentechnik. Das sagt Nicolaus von Wirén, der in Sachsen-Anhalt daran forscht.
Am Anfang steht die ganz grundsätzliche Frage: Ist es eine gute Idee, auch Pflanzen zu verändern, nur weil wir das Klima verändern, was ja an sich schon keine sonderlich gute Idee ist?
Aber der Reihe nach: Fakt ist, dass die Menschheit arg zu kämpfen haben wird, das 1,5-Grad-Ziel bis Ende des Jahrhunderts zu erreichen. Selbst ein Zwei-Grad-Ziel wird sportlich. Und denken Sie nur an die klimatischen Auf-und-Abs, die in den kommenden Jahren erwartet werden. Selbst wenn mit den Klimazielen am Ende alles gut wird: Unser Planet erwärmt sich so oder so. Und alles, was so kreucht und fleucht (Menschen, Vögel, Tiefseefische) und alles was wächst und gedeiht (Dinkel, Mammutbaum und Passionsblume) wird sich auf geänderte Witterungsverhältnisse einstellen müssen. Auf Situationen, in denen statt mit einem sanften Landregen all das Wasser auf einmal runterkommt oder es monatelang überhaupt keinen Niederschlag gibt.
Selbst jene, die sich bevorzugt von Würstchen mit Spiegelei ernähren, werden beipflichten, dass dieses Gericht ohne eine zum Dreieck halbierte Scheibe Toastbrot nur die halbe Wahrheit ist. Und Toastbrot ist ein pflanzliches Lebensmittel, so schwer diese Vorstellung auch sein mag. Pflanzen sind die Nahrungsgrundlage der Menschheit – unabhängig davon, ob sie dem Veganismus frönt.
Die Klimakrise schadet unserer Nahrungsgrundlage
"In Zukunft haben wir damit zu rechnen, dass es Ertragseinbußen geben wird – und zwar an fast allen Standorten weltweit. Einfach deshalb, weil die Witterungsverhältnisse viel dramatischer und drastischer werden." Das sagt Nicolas von Wirén. Er ist Agrarbiologe und Pflanzengenetiker am Leibniz-Institut für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung (IPK) im west-sachsen-anhaltischen Gatersleben, einem Teil der Gemeinde Seeland.
Vor allem zwei Herausforderungen gibt es für (Nahrungsmittel-)Pflanzen in Zukunft zu meistern: Die Nährstoffaufnahme zu verbessern und resistenter gegen Eindringlinge wie Bakterien und Parasiten zu werden. Hier hilft im Grunde schon die konventionelle Gentechnik. Die hat allerdings ein Problem: Das Hinzufügen von fremden Genen, etwa um Mais fitter gegen Schädlinge zu machen, wird lebhaft diskutiert und sorgt für eine wissenschaftliche Kontroverse. Und nicht zuletzt eine gesellschaftliche. Fakt ist: Sogenannte transgene Pflanzen mit fremden Erbgut müssen durch aufwendige Sicherheitschecks, bevor sie auf dem Teller (oder im Trog) landen. Zumindest hierzulande dürfte es den meisten Menschen recht sein, wenn weder der Maiskolben in Butter vor Ihnen gentechnisch verändert ist, noch das zu verspeisende Tier sich vorher auf diese Art ernährt hat.
Prof. Dr. Nicolaus von Wirén … ist ein deutsch-schwedischer Agrarbiologe mit den Schwerpunkten Pflanzenernährung, Wurzelentwicklung, Hormonphysiologie und Nährstofftransportprozesse. Am IPK leitet er die Abteilung für Physiologie und Zellbiologie. Seit 2021 ist er Leopoldina-Mitglied.
Aus diesem Grund verfolgen Nicolaus von Wirén und seine Kolleginnen und Kollegen das Konzept der Genom-Editierung, das keine Gentechnik im herkömmlichen Sinne ist. Sie sei zielgerichteter, kosteneffizienter und mit minimalen Eingriffen verbunden: "Schon mit der Veränderung von einem Buchstaben im pflanzlichen Genom – also letztendlich einer Base von Milliarden von Basen – kann man Merkmale deutlichen verändern", so der Biologe.
Durch Genom-Editierung kann man den Bakterien den Hahn abdrehen.
Zum Beispiel bakterielle Erreger, die in pflanzlichen Zellen Gene für den Zuckertransport anschalten: "Diese Zuckertransporter sorgen dann dafür, dass mehr Zucker in den Zellen ausgeschüttet wird, die von diesen Bakterien befallen sind", erklärt von Wirén. "Das heißt also: Durch die Genom-Editierung kann man die Schalter von diesen Genen so verändern, dass man diesen Zuckertransport stilllegt und den Bakterien den Hahn abdreht."
Neue Diskussion: Genom-Editierung = Gentechnik?
Das klappt aber noch nicht überall so gut wie am Zuckerhahn. Zum Beispiel hapert es noch an der Kombination von morphologischen und physiologischen Eigenschaften. "Das heißt also: Wie man längere Wurzeln macht und gleichzeitig die Aktivität der Nährstoffaufnahme erhöht." Allerdings ist die Genom-Editierung noch eine verhältnismäßig junge Disziplin. Das sieht man auch daran, dass es dafür noch keine regulatorische Grundlage gibt.
So ist bisher unklar, ob Genom-editierte Pflanzen so zu behandeln sind, wie es bei herkömmlicher Gentechnik der Fall ist. Ein Urteil des Europäischen Gerichtshof von 2018 setzt beide Techniken gleich. Eine Auffassung, die von Forschenden kritisiert wird. Sie verweisen auf präzisere Veränderungsergebnisse als etwa bei der klassischen Pflanzenzüchtung. Der Zusammenschluss europäischer Wissenschaftsakademien, zu dem auch die Leopoldina gehört, empfiehlt hingegen, man möge nicht die Technik an sich regulieren, sondern die einzelnen spezifischen Anwendungen. Fakt ist: Die Kontroverse um Gentechnik macht auch vor den neuen Möglichkeiten nicht halt.
Aber nicht zu lange diskutieren …
Die Zeit wird aber knappt, erklärt Nicolaus von Wirén: "Der Klimawandel spielt da eine besonders dramatische Rolle." Die Standortbedingungen würden sich so schnell verändern, dass über die konventionelle Pflanzenzüchtung die Zeiträume zu groß sind, um die pflanzlichen Eigenschaften zu verbessern. "Und hier bietet die Genom-Editierung eine neue Alternative, die es erlaubt, diese vorteilhaften Eigenschaften in Kulturpflanzen schneller einzubringen."
Damit ist sie ein Werkzeug von vielen, um ein bestmögliches Bewältigen der Klimakrise sicherzustellen. Eine Alternative zum Begrenzen der Erderwärmung bietet sie freilich nicht. Und auch keine zum Ziel, dass am Ende möglichst viele Nutzpflanzen so bleiben können, wie sie Mutter Natur geschaffen hat. Vielleicht ja sogar der Weizen im Toastbrot-Dreieck.
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