Rohrleitungen fuer Wasserstoff und Sauerstoff 4 min
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Energiewende Grüner Wasserstoff zwischen Wunsch und Wirklichkeit: Stahlindustrie ja, Heizkraftwerk nein

15. Januar 2025, 08:58 Uhr

Eine Studie des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) zeichnet ein eher pessimistisches Bild, was die Produktion von grünem Wasserstoff angeht. Bei Ambitionen und Umsetzung gebe es zu viele Lücken. Um die Klimaziele auch mit Hilfe von grünem Wasserstoff zu erreichen, müssten massive Investitionen und politische Maßnahmen ergriffen werden. Grüner Wasserstoff sollte auch nicht überall, sondern gezielt in schwer elektrifizierbaren Sektoren wie etwa der Stahlindustrie eingesetzt werden.

Mann mit Brille und Kopfhörern vor einem Mikrofon
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Grüner Wasserstoff – die Technologie, die laut Theorie die Antwort auf zahlreiche Klimaprobleme sein soll, kämpft in der Praxis mit massiven Hürden. Eine im Fachmagazin "Nature Energy" veröffentlichte neue Studie von zwei Wissenschaftlern des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) zeigt mehrere Lücken auf, die zwischen den weltweiten großen Ambitionen und der nüchternen Realität klaffen.

Die bisherige Umsetzungslücke: Große Pläne blieben klein

"In den vergangenen drei Jahren haben sich die globalen Projektankündigungen für grünen Wasserstoff fast verdreifacht", erklärt zwar Adrian Odenweller, einer der beiden Autoren der Studie, relativiert aber sofort: "Nur sieben Prozent der für 2023 angekündigten Kapazitäten wurden rechtzeitig fertiggestellt." Die Ursachen dafür? Eine Mischung aus gestiegenen Kosten, fehlender Zahlungsbereitschaft und regulatorischen Unsicherheiten.

Dass grüner Wasserstoff teuer ist, ist keine Neuigkeit. Doch wenn man die nackten Zahlen betrachtet, wird die Dramatik deutlich. 1.232 globale Projekte wurden in der Studie untersucht. Aber allein um diese alle bis 2030 zu realisieren, wären laut Studie weltweite Subventionen von 0,8 bis 2,6 Billionen US-Dollar nötig, im angenommenen wahrscheinlichsten Standard-Szenario sind es 1,3 Billionen. Die aktuell weltweit angekündigten Fördermittel belaufen sich aber auf nur 0,3 Billionen US-Dollar.

Die Ambitionslücke: Noch das kleinste Problem

Die beiden PIK-Forscher identifizieren auch eine Lücke bei den Ambitionen, also dem, was sich theoretisch für das Einhalten der Klimaziele vorgenommen wird. Gemeint ist die Diskrepanz zwischen der Wasserstoffmenge, die laut 1,5-Grad-Szenarien bis 2030 notwendig wäre, und den aktuell bis 2030 geplanten Projekten. Von Letzteren müsste es demnach noch etwas mehr geben, wenngleich – und das ist wahrscheinlich die optimistischste Erkenntnis der Studie – die bislang angekündigten Wasserstoffprojekte für den Großteil der betrachteten Szenarien ausreichen. Nein: ausreichen würden. Denn später wartet ja noch die dritte von den Forschern identifizierte Lücke.

Die zukünftige Umsetzungslücke: Bleiben große Pläne wieder klein?

97 Prozent der weltweiten Projekte, die bis 2030 fertig sein sollen, befinden sich laut Studie noch in der Konzept- oder Machbarkeitsstudienphase. Phasen, "die in der Vergangenheit kritisch unzureichende Erfolgsquoten aufgewiesen haben", wie die Autoren schreiben. "Die hohen Misserfolgsquoten in der Vergangenheit deuten auf eine begrenzte Zuverlässigkeit der von der Industrie veröffentlichten Projektankündigungen hin, die möglicherweise aus strategischen Gründen angekündigt werden, um beispielsweise Aufmerksamkeit zu erregen oder Subventionen zu erhalten", heißt es im Studientext.

Grüner Wasserstoff wird aufgrund fehlender Wettbewerbsfähigkeit auch in Zukunft Schwierigkeiten haben, die hohen Erwartungen zu erfüllen.

Falko Ueckerdt, Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung

Odenwellers PIK-Kollege Falko Ueckerdt warnt deshalb: "Grüner Wasserstoff wird aufgrund fehlender Wettbewerbsfähigkeit auch in Zukunft Schwierigkeiten haben, die hohen Erwartungen zu erfüllen." Selbst wenn die politische Unterstützung verstärkt werde, bleibe es ungewiss, ob dies ausreicht, die notwendigen Wasserstoffinvestitionen voranzutreiben. "Die Verwirklichung der derzeitigen Projektankündigungen würde beispiellose Wachstumsraten erfordern, die sogar die am schnellsten wachsende Energietechnologie der Geschichte, nämlich die Photovoltaik, übertreffen", schreiben die Autoren. Und weil grüne Wasserstofftechnologien komplexer und weniger standardisierbar seien sowie eine neue Infrastruktur erfordern – was alles die Verbreitung der Technologie verlangsamt –, sei es unwahrscheinlich, dass ein solch beispielloses Wachstum erreicht wird.

Subventionen und Quoten: Ein zweischneidiges Schwert

Wie also vorgehen? Ein großes Problem ist die Abhängigkeit des Wasserstoff-Marktes von Subventionen. Ohne ehrgeizige CO2-Bepreisung könnten grüner Wasserstoff und seine Derivate wie e-Methanol oder e-Kerosin laut Studie selbst 2050 noch nicht wettbewerbsfähig sein.

Aber: "Dauerhafte Subventionen sind keine Lösung", betont Ueckerdt. Stattdessen schlagen die Forscher nach anfänglichen Subventionen gezielte nachfrageseitige Maßnahmen vor, wie verbindliche Quoten für den Einsatz von grünem Wasserstoff in spezifischen Sektoren. Ein gutes Beispiel dafür liefere die EU: Ab 2030 müssen mindestens 1,2 Prozent aller Flugzeugtreibstoffe synthetische Kraftstoffe auf Wasserstoffbasis sein. Diese Quote soll bis 2050 auf 35 Prozent steigen. Solche regulatorischen Maßnahmen könnten helfen, den Einsatz von Wasserstoff auf die wirklich notwendigen Bereiche zu konzentrieren.

Realistische Erwartungen statt Wasserstoff-Wunder

Die Forscher der PIK-Studie mahnen, dass die Rolle von Wasserstoff nicht überbewertet werden sollte. Mit einem geplanten Anteil von 5 bis 15 Prozent am globalen Energieverbrauch bleibe Wasserstoff eine wichtige, aber dennoch ergänzende Technologie. Die Priorität seines Einsatzes sollte dabei auf schwer elektrifizierbaren Sektoren wie der Stahlproduktion, der Luftfahrt und der Chemieindustrie liegen. Ideen wie der Einsatz von Wasserstoff zur Beheizung von Wohngebäuden seien dagegen kaum sinnvoll, weil Elektrizität dort viel billiger, effizienter und leichter verfügbar sei.

Grüner Wasserstoff hat trotz allem weiterhin das Potenzial, ein Schlüsselbaustein der Energiewende zu werden – aber wohl nur, wenn die Umsetzungslücken geschlossen werden und die Technologie gezielt zum Einsatz gebracht wird. Statt Aktionismus wird laut den PIK-Forschern ein kluger Mix aus Subventionen, Quoten und Marktmechanismen wie einer konsequenten CO2-Bepreisung benötigt. Die zukünftige Strategie müsse dabei aber auf realistischen Erwartungen an den Wasserstoff basieren.

Links / Studien

Die Studie "The green hydrogen ambition and implementation gap" ist im Fachjournal "Nature Energy" erschienen.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | 17. Dezember 2024 | 06:18 Uhr

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