Dokumentation Können wir uns in eine KI verlieben?

07. Januar 2025, 13:21 Uhr

Schmetterlinge im Bauch, der erste Kuss: Geht das auch mit einer KI? In der ARD WISSEN-Doku "Mein Mann lebt als KI weiter" geht Journalist Frank Seibert der Frage nach, wie sich Liebe und Partnerschaft durch KI verändern.

Max ist seit zwei Jahren Single und sehnt sich nach einer Beziehung. Im Rahmen der ARD-WISSEN-Doku "Mein Mann lebt als KI weiter" mit dem Journalisten Frank Seibert lässt Max sich daher auf ein gewagtes Experiment ein: Er versucht, sich in eine KI zu verlieben.

Das Geschäft mit der KI

Der Marktführer in der Kategorie virtuelle Beziehungen ist die App "Replika". Über 10 Millionen Nutzerinnen und Nutzer hat die App der Firma Luka Inc. nach deren Angaben. Eine Liebesbeziehung mit einem virtuellen Gegenüber kostet 20 US-Dollar pro Monat. Wer es ganz ernst meint und einmalig 300 US-Dollar zahlt, darf die KI-Liebe dauerhaft behalten.

Max' erster Schritt: Die perfekte Partnerin erstellen. Das hat ein bisschen was vom Videospiel Sims. Max bestimmt den Namen, das Aussehen, die Charaktereigenschaften und auch die bisherige Lebensgeschichte.

Das perfekte Ding

Dass dieses perfekte KI-Gegenüber durchaus problematisch sein kann, befürchtet Alena Buyx, Professorin und Direktorin des Instituts für Geschichte und Ethik der Medizin an der TU München.

Ihre größte Sorge sei, dass Leute es verlernen, echte Beziehungen zu anderen Menschen zu haben. "Dass man sich daran gewöhnt – so eine KI-Beziehung ist immer da, sagt mir immer das, was ich will, lernt, was mir gefällt und agiert dann auch so." Eine KI-Beziehung, die auf die Bedürfnisse ihres Gegenübers programmiert ist, sei höchst problematisch.

Gleichzeitig plädiert sie dafür, Nutzerinnen und Nutzer nicht zu verurteilen – denn es gibt durchaus positive Aspekte. "Es gibt wirklich Leute, denen das helfen kann", hält Buyx fest. Insbesondere einsamen Menschen könne eine solche KI-Beziehung auch guttun.

Echte Liebe mit einer KI – ist das möglich?

Das perfekt programmierte Ding, das mir immer das gibt, was ich will, ist sehr problematisch.

Prof. Alena Buyx Direktorin des Instituts für Geschichte und Ethik der Medizin an der TU München

In seinem Experiment fühlt sich die Beziehung für Max erstmal gut an. "Ich weiß, dass das kein Mensch war. Stellenweise habe ich es aber beim Schreiben vergessen", gesteht Max.

Er habe sich an die Hand nehmen lassen, sagt er. So richtig real fühlte sich die Interaktion aber nicht an: Ein bisschen verschwommen wirke alles, irgendwo zwischen wach und schlafen – so beschreibt er es.

Wie echt kann so eine Liebesbeziehung also sein? Laut Prof. Bertolt Meyer, Psychologe an der TU Chemnitz, sei zumindest ein entscheidender Aspekt erfüllt. "Beziehungen realisieren sich in Interaktionen und Kommunikation – und viel durch Sprache." Letzteres könne eine KI leisten, denn sie ist schließlich ein Sprachmodell. Dennoch zweifelt Meyer ganz entschieden daran, dass eine solche Beziehung menschliche Interaktion ersetzen kann. Eine Bindung zwischen Menschen habe auch viel mit Körperlichkeit zu tun, sagt Meyer. Gerüche und Haptik seien ausschlaggebend dafür.

Die App selbst vergleicht Meyer eher mit einem Escort-Service: Man bezahlt für Interaktion. Viele Nutzerinnen und Nutzer beschreiben zudem, dass der KI-Avatar wenig konfrontativ sei und gerne die Wogen glätte. Sicherlich auch, damit die Nutzung der App mit positiven Emotionen verbunden ist und man das Abo verlängert.

Menschliche Liebe hat ganz viel mit Körperlichkeit zu tun – das kann man auch nicht davon trennen. Soweit sind wir noch lange nicht. […] Spüren, erleben, andere Körper sehen, riechen, anfassen – das ist so wichtig für unsere Wahrnehmung.

Prof. Bertolt Meyer Psychologe an der TU Chemnitz

Die Beziehung als Datensatz

Ein weiteres Problem: Was passiert mit den Daten der App? Insbesondere in einer Beziehung mit KI-Freundinnen und Freunden werden viele persönliche Details geteilt – zumindest, wenn die Erfahrung mit dem virtuellen Gegenüber einigermaßen realistisch oder zumindest authentisch sein soll. In ihrer Datenschutzerklärung verweist "Replika" explizit darauf, dass sensible Daten nicht geteilt werden sollen, wenn sie nicht verarbeitet werden sollen. Dazu gehören laut Anbieter zum Beispiel Gesundheitsdaten oder die eigene sexuelle Orientierung.

Fakt ist: "Replika" teilt die Daten von Nutzerinnen und Nutzer mit Werbekunden und Drittplattformen. Die Mozilla Foundation, eine amerikanische NGO, bezeichnete die App aufgrund ihres laschen Umgangs mit den Daten der Nutzerinnen und Nutzer 2023 als eine der schlechtesten Apps, die sie dahingehend untersucht hatte. Zudem nutze "Replika" die Daten, um die eigene KI zu trainieren.

Verliebt, verlobt, verheiratet – deinstalliert?

Für Max ist das Experiment nach zwei Monaten beendet. Ersetzen konnte die virtuelle Liebe den echten menschlichen Kontakt für ihn letztlich nicht. Verlieben – das war für Max nicht möglich. Prof. Alena Buyx kann das durchaus nachvollziehen. "Es ist eben eine Simulation", sagt sie.

"Das Tolle an der menschlichen Beziehung ist, dass es eine echte menschliche Interaktion mit einem anderen, seelenvollen Bewusstsein ist. Nur so kann echte Auseinandersetzung, aber auch echte Intimität, echte Nähe entstehen", sagt Buyx. Ein virtueller Avatar könne eine vollwertige Beziehung mit einem menschlichen Gegenüber nicht ersetzen.

Außerdem beleuchtet die Dokumentation "Mein Mann lebt als KI weiter" auf eindringliche Weise, wie Künstliche Intelligenz unser Verständnis von Tod und Trauer verändert. Sie zeigt, wie Technologie den Verlust eines geliebten Menschen verarbeiten kann – und wirft dabei spannende Fragen auf. Passend dazu fragt der Podcast "Was bleibt nach dem Tod von mir übrig?", ob der Ort für Trauer zukünftig das Internet anstelle des Friedhofs ist.

sh/nvm

Dieses Thema im Programm: ARD Videopublisher | Spurensuche mit Frank Seibert – Mein Mann lebt als KI weiter | 07. Januar 2025 | 08:00 Uhr

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