Demografie UN-Weltbevölkerungstag: 10 Milliarden – und Afrika steht im Mittelpunkt
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11. Juli 2024, 18:30 Uhr
Trotz rückläufiger Geburten: Gut 10,3 Milliarden Menschen soll es Mitte der 2080er-Jahre auf der Welt geben, zeigt die neueste Prognose der Vereinten Nationen. Erst dann werden die Zahlen wieder sinken. Deshalb geht es nicht nur darum, zu staunen, wie groß der Menschheitsbestand einmal sein wird. Sondern wo es künftig Investitionen in Bildung, Ernährung und soziale Absicherung braucht. Mit Afrika steht besonders ein Kontinent im Fokus.
Nun, so schließt sich also der Kreis: Afrika ist eben nicht nur die leidenschaftlich oft zitierte Wiege der Menschheit, sondern auch der Ort, an dem sich die Zukunft unserer Spezies abspielen wird. In der UN-Weltbevölkerungsprognose 2024 ist der Kontinent zumindest der einzige, der bis ins nächste Jahrhundert hinein eine starke Bevölkerungszunahme verzeichnen wird. Grund: Noch immer werden in afrikanischen Staaten verhältnismäßig viele Kinder geboren, sagt Nele Disselkamp vom Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung. "Das führt dazu, dass hier Bevölkerungen eben immer noch sehr jung sind und eben auch weiterhin viele Kinder bekommen."
Denn gerade in ungesicherten Lebensverhältnissen seien Kinder für viele Menschen eine Form der Absicherung fürs Alter. "Und aus der Entwicklung, zum Beispiel europäischer Staaten, wissen wir, dass die Kinderzahlen anfangen zu sinken, wenn sich auch die Lebensbedingungen verbessern."
Etwas, das sich auch im westafrikanischen Nigeria zeigt. Bei allen statistischen Unsicherheiten – und eine so langfristige Bevölkerungsprognose bringt davon allerhand mit sich – wird das Land Ende des Jahrhunderts nach Indien, China und Pakistan immerhin das viertgrößte der Welt sein. Ende der 1970er hat eine Frau dort noch gut sieben Kinder zur Welt gebracht, zurzeit sind es etwas mehr als vier, gegen Ende des Jahrhunderts wohl zwei. Im Vergleich zur letzten Bevölkerungsprognose 2022 wurde der Trend nun etwas nach unten korrigiert.
Die neuen Zahlen der UN sind nicht nur ein nettes Goodie, das die Wissbegierde zu befriedigen versucht, wie viele von Unseresgleichen nun auf dem Planeten hausen. Sie zeigen auch, wo welche Investitionen nötig sein werden, sagt Nele Disselkamp: "Vor allem Bildung, Ernährung, existenzsichernde Beschäftigung, aber auch der Ausbau von sozialen Sicherungssystemen sind sehr wichtig, um eben eine größere Zahl an Menschen auch gut versorgen zu können."
UN-Bevölkerungsprognose leicht nach unten korrigiert
Nicht nur die Zahl der Geburten pro Frau, auch die generelle Bevölkerungsentwicklung in afrikanischen Ländern wurde leicht nach unten korrigiert. Das Wachstum ist jetzt eben nicht mehr ganz so stark, wie noch vor zwei Jahren erwartet. Das bedeutet aber nicht, dass die Annahmen im vergangenen Report fehlerhaft waren, sondern ist vielmehr ein normaler Prozess, sagt Frank Swiaczny vom Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung in Wiesbaden: "Die Korrektur der UN-Daten ergibt sich aus der Verfügbarkeit neuer statistischer Daten. In vielen Ländern, in denen die Statistiksysteme nicht sehr gut ausgebaut sind, dauert es oft viele Jahre, bis verlässliche Daten verfügbar werden."
Demografische Entwicklungen sind zudem träge, ein Supertanker, wie Swiaczny sagt. Das betrifft vor allem Staaten mit hohen Geburtenraten und generell das Problem, dass Melde- und bevölkerungsstatistische Systeme in den einzelnen Staaten sehr unterschiedlich ausgeprägt sind. Auch zum aktuellen Zeitpunkt weiß niemand genau, wie viele Menschen exakt auf der Erde leben. Selbst in Deutschland hat der aktuelle Zensus erst kürzlich gezeigt, dass das Fortschreiben von Bevölkerungszahlen mitunter tückisch sein kann und zuweilen ein Korrektiv braucht – in dem Fall war's nach unten.
Bevölkerungsprojektionen sind keine Glaskugel
Ein Blick auf die erst zu Jahresbeginn veröffentlichten Prognosen des Wittgenstein Centres zeigt zudem, dass die Prognosen auch längst nicht übereinstimmen müssen. Das Wachstum der Weltbevölkerung fällt hier nicht ganz so hoch aus und der Höhepunkt ist bereits 2080 erreicht. So im großen Ganzen sind sich die statistischen Kurven aber wohlgesonnen und gehen davon aus, dass wir die zehn Milliarden noch knacken werden.
Eine solche Annahmesetzung kann natürlich nie besondere Krisen oder ähnliche Ereignisse berücksichtigen.
Eine Bevölkerungsprognose ist also nie fertig, sondern ein fortlaufender Prozess, in den neben historischen Trends auch aktuelle Daten zu Geburten und Lebenserwartung einfließen. Oder zu Migration. Die ist auch der Grund, warum für das wohlhabende Nordamerika das Bevölkerungswachstum nach oben korrigiert wurde. Und auch, warum der Rückgang im bekanntlich alternden Deutschland auf siebzig Millionen Ende des Jahrhunderts moderat ausfällt.
Eine Glaskugel ist eine Bevölkerungsprognose sowieso nicht, betont Frank Swiaczny: "Eine solche Annahmesetzung kann natürlich nie besondere Krisen oder ähnliche Ereignisse berücksichtigen." Dennoch würden Effekte wie eine erhöhte Sterblichkeit durch Corona über lange Sicht wieder ausgeglichen. Allerdings ist auch nach der Pandemie die Geburtenrate in Ländern wie China, Taiwan und Südkorea noch einmal zurückgegangen, obwohl das Niveau dort ohnehin schon niedrig ist. Selbst das bevölkerungsreiche Asien schrumpft stark. Auch deshalb wird Afrika zum Ende des Jahrhunderts in der gleichen Liga spielen.
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | 11. Juli 2024 | 19:49 Uhr
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