Glückliche ältere Frau mit kinnlangen, eher dünneren Haaren mit lachendem sich ankuschelnden Mädchen auf Schoß 2 min
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Demografie Lebenserwartung: Deutschland verliert Anschluss in Europa, besonders Männer im Osten

23. Mai 2024, 09:30 Uhr

Deutschland ist ein hochentwickeltes Land: Im Vergleich zu ähnlich privilegierten Ländern in Europa ist die Lebenserwartung allerdings niedrig. Und auch 34 Jahre nach der Wende gibt es hierzulande Unterschiede. Denn gerade die Umbruchszeit hat ihre Spuren hinterlassen.

Junger Mann mit Bart, runder schwarzer Brille, schwarzem Basecap vor Roll-Up-Plane mit Logo von MDR WISSEN
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Ja, wenn das Wörtchen wenn nicht wäre, dann könnte es so schön sein – das Saus und Braus im wohlhabenden und hochentwickelten Deutschland. Ist es ja auch, wer in Deutschland geboren wird, könnte es im internationalen Vergleich kaum besser treffen. Und so ist es auch wenig verwunderlich, dass die Bundesrepublik die besten Voraussetzungen hat, den Menschen im Land ein langes Leben zu ermöglichen.

Deshalb würde Sebastian Klüsener auch am liebsten in Deutschland leben, wenn er es sich raussuchen könnte und hier nicht ohnehin schon leben würde. Trotzdem: "Im westeuropäischen Vergleich sind wir leider Schlusslicht und haben da auch in den letzten Jahren noch mal am Boden verloren", resümiert der Forschungsdirektor am Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung (BiB).

Schweden, Schweiz und Spanien haben besonders hohe Lebenserwartungen

Westeuropa meint in diesem Fall die Länder, die bereits vor der Osterweiterung 2004 Mitglied der EU waren. Ohne Griechenland allerdings, dafür sind die Schweiz und Großbritannien Teil der Statistik. Norwegen ist als Nicht-EU-Land trotzdem außen vor.

Ein Blick auf die Daten, die Sebastian Klüsener und Team jetzt veröffentlicht haben, zeigt: Der Abstand zu den Nord-, Süd- und westeuropäischen Nachbarn ist größer geworden, 1,7 Jahre liegt die Bundesrepublik derzeit unterm Schnitt. In Ländern mit "S" lebt es sich dafür besonders lange: Schweden, die Schweiz und Spanien führen das Treppchen. Für ihre Analyse nutzt das Forschungsteam am BiB Datensätze von Eurostat und der Human-Motality-Database am Rostocker Max-Planck-Institut für demografische Forschung. Hinzu kommen Informationen aus dem Mikrozensus.

Geburtenjahrgänge von 1950 bis 1975 besonders stark von der Wende getroffen

Beim Blick auf die jetzt vorliegenden Ergebnisse fällt auf: Besonders abgeschlagen sind nach wie vor die östlichen Bundesländer, obgleich der gewaltige Unterschied, der zu Zeiten der deutschen Teilung existierte, längst überwunden ist. Während Frauen im "Osten" in ihrer Lebenserwartung sogar komplett aufgeholt haben, sterben Männer im Schnitt ein Jahr früher als im "Westen".

Das hat freilich nichts mit den Genen zu tun und ist auch kein selbst verantwortetes Schicksal. Der Grund liegt Klüsener zufolge vor allem im Trauma durch die Wendejahre: "Das konzentriert sich überwiegend in den Geburtsjahrgängen, die besonders stark von dem Umbruch um 1990 herum betroffen waren, also die Jahrgänge 1950 bis 1975."

Wendejahre drücken Lebenserwartung bei "Ostdeutschen"

Die biografischen Veränderungen wie etwa Arbeitslosigkeit oder fehlender Wohlstand führen zu einer Übersterblichkeit, die auch in anderen osteuropäischen Gesellschaften sichtbar sei. So könnte ein Jobverlust oder -wechsel dazu geführt haben, dass sowohl Wohlstand als auch Rente geringer ausfallen, was sich auch mit einem ungesünderen Lebensstil einhergehen kann.

Zwar sind auch Frauen von der Umbruchszeit betroffen, trotz anderer Rollenbilder als in westlichen Ländern sei der Druck auf "Männer als Ernährer" aber höher gewesen, argumentiert Klüsener. "Frauen reagieren da weniger mit Stress auf so eine Situation als Männer und dadurch ist es gerade bei Männern in einigen Ländern zu einem extremen Rückgang der Lebenserwartung gekommen."

Deutschland schlecht bei Prävention von Herz-Kreislauf-Erkrankungen

Zudem sei das Rauchen von Zigaretten in der DDR bei Frauen weniger üblich gewesen als in der BRD, was sich positiv auf die Zahlen auswirke, so Klüsener. Die derzeitigen Herausforderungen seien in Deutschland allerdings grundsätzlich dieselben – Stichwort Gesundheitsprävention, die in anderen Ländern besser laufe: "Wir sind halt sehr gut darin, kranke Personen zu behandeln und dann wieder aufzupäppeln, während wir wenig Fokus darauf legen, darauf zu achten, dass Personen überhaupt nicht krank werden." Sebastian Klüsener verweist dabei auf Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Eine frühe Erkennung und Behandlung könne helfen, gesundheitlichen Problemen im Alter vorzubeugen und Deutschlands Rückständen bei der Sterblichkeit entgegenzuwirken. Zum Beispiel bei Bluthochdruck, so Klüsener: "Dass halt dann die Venen und Aterien gar nicht so belastet werden, weil das sich dann im höheren Alter natürlich rächt."

Letztendlich sei aber jeder Mensch im Einzelnen gefragt, im Ranking der Lebenserwartung ein bisschen mitzuhelfen: "Da spielen ja viele Faktoren, eine Rolle, die ich auch selbst beeinflussen kann, wie zum Beispiel, wie ich mich ernähre, ob ich rauche, ob ich Alkohol in hohem Maße konsumiere." Und was das betrifft, sei es im Grunde ganz egal, in welchem Land man lebt.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | 23. Mai 2024 | 06:09 Uhr

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