Vorsichtig werden Proben von Knochen frühmittelalterlicher Menschen genommen, die in Lauchheim "Mittelhofen" bestattet wurden.
Vorsichtig werden Proben von Knochen frühmittelalterlicher Menschen genommen, die in Lauchheim "Mittelhofen" bestattet wurden. Bildrechte: Katharina Fuchs

DNA-Analysen Lepra, Pocken, Hepatitis B: Die Krankheiten des Frühmittelalters

17. Dezember 2022, 15:00 Uhr

Die DNA-Analyse von 1.300 Jahre alten Skeletten aus einer Merowinger-Siedlung zeigt eine hohe Infektionshäufigkeit mit verschiedenen Erregern. Ein Klimawandel könnte die Krankheiten gefördert haben.

Man ist früh gestorben, vor etwa 1.300 Jahren in Lauchheim "Mittelhofen". Von den 70 Menschen, deren knöcherne Überreste eine DNA-Analyse zuließen, wurden wahrscheinlich nur etwa fünf 60 Jahre oder älter. Die allermeisten starben als Jugendliche oder junge Erwachsene.

Unter Reinraumbedingungen werden die Knochenproben auf alte DNA hin analysiert.
Unter Reinraumbedingungen wurden die Knochenproben auf alte DNA hin analysiert. Bildrechte: Katharina Fuchs

Forscherinnen und Forscher der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel konnten für die Studie DNA aus 70 der 77 menschlichen Skelette isolieren, welche innerhalb der Siedlung im heutigen Baden-Württemberg bestattet wurden. Die Gräber liegen in der Nähe von Gehöften und wurden in die späte Merowingerzeit datiert, also ins 7. bis 8. Jahrhundert unserer Zeit.

Fast ein Drittel der untersuchten Toten (22 von 70) hatte nachweisbare Krankheitserreger in sich. "Die Analyseergebnisse zeigen, dass die Bewohner an Infektionen mit verschiedenen Krankheitserregern litten, darunter das Mycobacterium leprae, das Hepatitis-B-Virus (kurz HBV), das Parvovirus B19 und das Variola-Virus VARV", sagt Prof. Dr. Ben Krause-Kyora, Leiter der Forschungsgruppe.

Lepra, Pocken, Hepatitis B

Die nachgewiesenen Infektionserreger verursachen sowohl chronische als auch akute Erkrankungen unterschiedlichen Schweregrades. Eine Infektion mit M. leprae kann zur Entwicklung einer hartnäckigen und stark beeinträchtigenden Lepra führen. Die Symptome einer HBV-Infektion reichen von leichten Bauchschmerzen und Fieber bis hin zu Leberfibrose und sogar Leberkrebs.

B19 scheint weniger gefährlich zu sein, da die Infektion in der Regel asymptomatisch verläuft und schwere Komplikationen selten sind.Im Gegensatz dazu verursachte das Variola-Virus bis zur seiner Ausrottung im Jahr 1980 die Pocken - eine akute Krankheit mit hoher Sterblichkeit.


"Aufgrund der genetischen Unterschiede zwischen dem modernen und dem mittelalterlichen VARV können wir jedoch nicht sagen, wie die Symptome der Infektion im Mittelalter aussahen und ob der Erreger so gefährlich war wie das moderne Variola-Virus", so Forschungsleiter Krause-Kyora.

Mehrfachinfektionen

Schädel aus einem Grab der Merowinger-Siedlung Lauchheim "Mittelhofen". Bei diesem toten Jugendlichen konnten gleich drei Infektionen nachgewiesen werden.
Schädel aus einem Grab der Merowinger-Siedlung Lauchheim "Mittelhofen". Bei diesem toten Jugendlichen konnten gleich drei Infektionen nachgewiesen werden. Bildrechte: Isabelle Jasch-Boley

Besonders schwer erwischt hatte es einen männlichen Jugendlichen, der wahrscheinlich nur 13 bis 15 Jahre alt wurde. In seinen Knochen konnten gleich drei Erreger nachgewiesen werden: die von Lepra und Hepatitis B sowie das Parvovirus B19.

Wahrscheinlich ist außerdem, dass die DNA-Analysen längst nicht alle Infektionen der damaligen Zeit nachweisen konnten. "Wenn alle Weichteile zerstört sind, können in den Knochen nur noch durch Blut übertragene Krankheitserreger zuverlässig nachgewiesen werden", erklärt Forschungsleiter Krause-Kyora. Berücksichtige man diese Einschränkung zusammen mit dem Abbau von DNA-Molekülen, der im Laufe der Zeit stattfindet, blieben einige Infektionen wahrscheinlich unentdeckt.

Klimatischer Wandel, schlechter Gesundheitszustand

Außer Infektionen zeigten viele Skelette auch Zeichen von Unterernährung. Für Almut Nebel vom Institut für klinische Molekularbiologie in Kiel sind dafür wahrscheinlich klimatische Veränderungen mitverantwortlich. "Zu dieser Zeit erlebte Europa einen rapiden Klimaverfall, der als spätantike kleine Eiszeit bekannt ist", sagt die Professorin. "Klimaveränderungen können zu Ernteausfällen und schließlich zu Hungersnöten führen. Theoretisch würde eine Hungersnot die unterernährte Bevölkerung schwächen und die Verbreitung von Krankheitserregern in der Gemeinschaft erleichtern. Diese Menschen waren in einem sehr schlechten Gesundheitszustand, und die Bedingungen schienen die Ausbreitung von Krankheiten und die Entwicklung von Krankheitserregern zu begünstigen."

Laut den Autorinnen und Autoren der Studie lassen sich die damals herrschenden Bedingungen bis zu einem gewissen Grad auf die heutige Zeit übertragen - mit neu aufkommenden und wieder zurückkehrenden Infektionskrankheiten und dem Klimawandel.

(rr / idw)

Künstlerische Darstellung der Großsiedlung Maidanetske
Künstlerische Darstellung der Großsiedlung Maidanetske, einer frühen Großstadt auf dem Gebiet der heutigen Ukraine, in um 4.000 vor Christus wahrscheinlich bis zu 18.000 Menschen gelebt haben. Aus der Vogelperspektive dargestellt sind die Häuser der Siedlung in mehreren Ringen um einen großen, runden großen Platz in der Mitte angelegt. Die Siedlung wird außen durch einen Wall und einen Fluss begrenzt. Bildrechte: Susanne Beyer, Institut UFG, Uni Kiel
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