Erklärung Universität Jena Jenaer Forscher: Menschenrassen gibt es nicht
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07. Oktober 2021, 10:27 Uhr
Menschen nach Rassen zu sortieren, entbehrt jeder wissenschaftlichen Grundlage. Spitzenforscher aus Zoologie und Anthropologie in Jena grenzen sich von ihren wissenschaftlichen Vorgängern ihres Institutes ab.
Das Konzept der Rasse ist das Ergebnis von Rassismus und nicht dessen Voraussetzung.
Mit einer mehrseitigen Schrift grenzt sich das Institut für Zoologie und Evolutionsforschung der Friedrich-Schiller-Universität jetzt von seinen Vorgängern aus dem 20. Jahrhundert ausdrücklich ab. Anlass ist der 100. Todestag des umstrittenen Gelehrten und Evolutionsbiologen Ernst Haeckel, der eng mit der Universität Jena verknüpft ist.
Warum machen die das?
Warum diese Klarstellung von Jenaer Spitzenforschern kommt, zeigt ein Blick in die Thüringer Wissenschaftsgeschichte: In Jena lehrte und forschte der Zoologe und Evolutionsbiologe Ernst Haeckel, der von 1834 bis 1919 lebte, und der als der "deutsche Darwin" galt.
Wer war Ernst Haeckel?
Haeckel beschäftigte sich früh mit den Schriften Darwins und Humboldts. Darwin traf er tatsächlich mehrfach persönlich und verbreitete in seinen Schriften dessen Theorien in Deutschland. An der Universität nannten Studenten Haeckel wegen seiner Vorliebe für Quallen auch den "Medusenprofessor".
Er reiste viel, entdeckte und beschrieb tausende neue Arten. Was ihn bis heute so umstritten macht: Er entwickelte Stammbäume zur Darstellung des Evolutionsverlaufs, aber auch auch die vermeintlich wissenschaftliche Einordnung von Menschen in Rassen. Umstritten ist er auch wegen seiner Beteiligung an Diskussionen über Eugenik. So schreibt er in seinem Werk von 1904 "Die Lebenswunder", die Tötung von verkrüppelten Kindern als "zweckmäßige, sowohl für die Beteiligten wie für die Gesellschaft nützliche Maßregeln" oder über "hunderttausende unheilbar Kranke, namentlich Geisteskranke, die künstlich am Leben erhalten werden ohne Nutzen für sie selbst oder die Gesamtheit." Das, was die Nazis später in ihren Eugenik-Programmen umsetzten, indem sie Menschen töteten, die sie als "lebensunwert" einordneten.
1908 gründete Haeckel in Jena das Museum für Abstammungslehre: Die "Basis", mit der der Nationalsozialismus seinen Rassismus wissenschaftlich begründet hat. Haeckel vermachte seinen Nachlass, darunter seine Villa Medusa, der Universität Jena. Diese gestaltete daraus das nach ihm benannte Ernst-Haeckel-Memorial Museum. Das Haus steht bis heute und wurde kürzlich saniert.
Haeckels Ideen lebten weiter
In das gleiche Horn wie Haeckel tutete nur wenig später, in den 1930er-Jahren in Weimar dann Karl Astel: Der Präsident des "Thüringischen Landesamtes für Rassewesen" in Weimar wollte die Universität Jena zu einer "rassisch einheitlichen SS-Universität" entwickeln, die schließlich vier Professuren zur Rassenkunde bekam.
"Es ist der Rassismus, der Rassen geschaffen hat"
Bis heute grassiert dieses Denken, die Erhöhung von Menschen über andere, auch wenn heutige Rassisten den Begriff "Rasse" meiden und stattdessen von "Ethnopluralismus", "Reinhaltung" und "Selektion" sprechen. Von den Vordenkern dieser rassistischen Überhöhung grenzen sich die Jenaer Wissenschaftler von heute rigoros ab.
Auch die Kennzeichnung 'des Afrikaners' als vermeintliche Bedrohung Europas und die Zuordnung bestimmter biologischer Eigenschaften stehen in direkter Tradition des übelsten Rassismus vergangener Zeiten. Sorgen wir also dafür, dass nie wieder mit scheinbar biologischen Begründungen Menschen diskriminiert werden und erinnern wir uns und andere daran, dass es der Rassismus ist, der Rassen geschaffen hat und die Zoologie/Anthropologie sich unrühmlich an vermeintlich biologischen Begründungen beteiligt hat.
Genetische Vielfalt statt typologischer Konstrukte
Die wissenschaftliche Erforschung der genetischen Vielfalt habe die Rassenlehre als bloßes typologisches Konstrukt entlarvt, so die Erklärung. "Anstelle von definierbaren Grenzen verlaufen zwischen menschlichen Gruppen genetische Gradienten. Es gibt im menschlichen Genom unter den 3,2 Milliarden Basenpaaren keinen einzigen fixierten Unterschied, der zum Beispiel Afrikaner von Nicht-Afrikanern trennt. Es gibt – um es explizit zu sagen — somit nicht nur kein einziges Gen, welches 'rassische' Unterschiede begründet, sondern noch nicht mal ein einziges Basenpaar", so die Jenaer Wissenschaftler.
(lfw)
Dieses Thema im Programm: MDR Thüringen Journal | 09. August 2019 | 19:00 Uhr