Yssykköl-See und Tian Shan-Gebirge in Kirgisien
Am Yssykköl-See grassierte 1338 und 1339 die erste Welle der Pestpandemie, die wenige Jahre später über das Mittelmeer in Europa ankam und dort etwa 60 Prozent der Bevölkerung tötete. Bildrechte: IMAGO / robertharding

Pandemie Forscher finden Ursprung der Pest in Zentralasien

15. Juni 2022, 17:00 Uhr

Die mittelalterliche Pest ist die bislang schwerste bekannte Pandemie der Menschheitsgeschichte. Forscher unter Leipziger Beteiligung haben nun den gemeinsamen Verwandten aller Pestbakterien in Zentralasien nachgewiesen.

Ein internationales Forscherteam unter Beteiligung des Leipziger Max-Planck-Instituts für Evolutionäre Anthropologie hat den Ursprung des Schwarzen Todes identifiziert. Das seit dem Mittelalter zirkulierende Bakterium "Yersinia pestis" ist der Vorläufer aller heute bekannten Stämme der Pest. (Frühere Pestausbrüche in der Bronzezeit und Antike gingen wahrscheinlich auf Erreger zurück, die später ausstarben).

Wie das Team um Maria Spyrou von der Universität Tübingen, MPI-Forscher Johannes Krause und Philip Slavin von der Universität Stirling in Großbritannien im Fachjournal Nature darstellt, konnten sie durch genetische Analysen nachweisen, dass "Yersinia pestis" im Jahr 1338 im heutigen Kirgisistan in Zentralasien von Tieren auf den Menschen übersprang.

Die zweite Pestpandemie kam nicht aus China

Der sogenannte schwarze Tod wird oft durch Flöhe und andere Vektoren von Ratten auf Menschen übertragen, kann über Tröpfchen aber auch zwischen Menschen durch die Luft übertragen werden. Seit ihrem Auftreten im Mittelalter führte die Pest bis in das 19. Jahrhundert hinein immer wieder zur schweren Ausbrüchen und vielen Todesopfern. Inzwischen kann der Erreger durch Antibiotika sicher bekämpft werden.

In den Jahren 1346 bis 1353 verursachte "Yersinia pestis" in Europa eine der schwersten Pandemiewellen der Menschheitsgeschichte, bei der schätzungsweise 60 Prozent der Bevölkerung starben. Über den Ursprung dieser zweiten Pestpandemie haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler lange diskutiert. Als wahrscheinlich galt ein Ursprung in China. Dem widersprechen die Forschenden jetzt mit Blick auf ausgewertete archäologische Funde und rekonstruierte Erbinformation.

Jetzt sequenziertes Genom offenbar genetischer Vorfahre aller modernen Pest-Stämme

In einem Gebiet nahe des Yssykköl-Sees in den Ausläufern des Tian Shan-Gebirges hatten Forschende Gräber mit menschlichen Überresten entdeckt, deren Inschriften auf die Pest als mögliche Todesursache hinwiesen. Bei einer genetischen Analyse der Überreste der Toten konnte das Team das Pestbakterium "Yersinia pestis" identifizieren.

Doch nicht nur das. Als die Forschenden die DNA verglichen und einordneten in die genetische Vielfalt zahlreicher Stämme der Pest konnten sie erkennen, dass sich das vorliegende Genom praktisch an der Schnittstelle aller bekannten Genome befand. Sie hatten also den gemeinsamen Vorfahren aller späteren Peststämme entdeckt.

Heutige Pestbakterien in der Region eng verwandt mit ursprünglichem Stamm

Diese Bakterien stammen aller Wahrscheinlichkeit nach aus Nagetierpopulationen. Rund um den Fundort am Tian Shan-Gebirge fanden die Forscher in Nagetieren Pestbakterien, die eng mit dem ursprünglichen Stamm verwandt sind. "Der Vorfahre des Schwarzen Todes scheint also in Zentralasien entstanden zu sein", sagt Johannes Krause.

(ens)

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