Ausstellung in Halle Neue Fakten und was wir über die Himmelsscheibe von Nebra noch nicht wissen
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04. Juni 2021, 10:33 Uhr
Wohl kein anderes archäologisches Objekt ist so gründlich untersucht, wie die Himmelsscheibe von Nebra. Nicht zuletzt, weil immer wieder die Echtheit des einzigartigen Gegenstandes bezweifelt wurde. In der Vorbereitung zur neuen Landesausstellung "Die Welt der Himmelsscheibe von Nebra - Neue Horizonte" wurde nun Sonnenbarke, Plejaden und Mond und Scheibe noch einmal genau unter die Lupe genommen. Mit welchen Ergebnissen erzählt MDR WISSEN Reporter Hartmut Schade.
Gibt es wirklich noch neues zu entdecken auf oder in der Himmelsscheibe? Wohl kein archäologisches Objekt ist in den vergangenen knapp 20 Jahren gründlicher untersucht. Man weiß, die rund 4.000 Jahre alte Himmelscheibe wurde mehrfach umgearbeitet. Die Sonnenbögen kamen als erstes hinzu, später die Sonnenbarke und der Rand wurde gelocht. Das Gold kam aus dem englisch Cornwall, ebenso das Zinn, Mittenwald bei Salzburg lieferte Kupfer für die Bronze erzählt der Chemiker Christian-Heinrich Wunderlich vom Landesamt für Archäologie in Halle.
Aber wo der Barren gegossen worden ist, der dann später ausgeschmiedet worden ist, das wissen wir nicht. Aber wir vermuten schon, das muss schon unsere Region gewesen sein.
Es gibt also noch offene Fragen. Und neue Techniken, die weitere Aufschlüsse liefern können. In einem kleinen Labor liegt die Himmelsscheibe auf schwarzem Stoff unter einem digitalen Mikroskop. Unablässig schießt eine angeschlossene Kamera hochauflösende und dreidimensionale Bilder. Zwei Stunden braucht sie, um einen der fünf Millimeter großen Sterne abzulichten. Auf einem großen Monitor erscheint das Bild. Christian-Heinrich Wunderlich zoomt tief in das Bild hinein. Tiefe Furchen werden sichtbar.
Das sind die Kratzer der Stahlwolle, die einer der Hehler hier erzeugt hat. Wir sehen hier aber solche Löcher, das sind noch Reste des antiken Hammers, die von der Stahlwolle nicht getroffen wurde, weil sie einfach tiefer liegen.
Bearbeitet mit dem Hauer eines Ebers
Der raue Untergrund der winzigen Dellen verrät den Archäologen, der Schmied der Himmelsscheibe verwendete ein nicht poliertes, leicht gerundetes Hämmerchen. Die glatten Flächen neben den Einschlägen zeugen vom Polieren des Goldes vor 4.000 Jahren. Dazu nutzte der Goldschmied den Hauer eines Ebers. Solche Sauzähne waren von der Steinzeit bis ins 19. Jahrhundert in Gebrauch. Auch das weitere Vorgehen des Künstlers machte die 3D Mikroskopie sichtbar.
Wir sehen, dass dieser Meister, die Meisterin zwei Werkzeuge benutzt hat. Dass er die Linie zunächst erst mal ganz einfach vorgespurt hat, wie eine Loipe mit einem leicht stumpfen, gerundeten Meißel und zwar senkrecht eingeschlagen, und erst als diese Vorspur hergestellt war, da hat er diese Spur dann benutzt, um dort einen spitzen Meißel einzusetzen, den er dann schräg unter das Material setzen konnte.
In die so entstandenen feinen Rillen wurden die Goldbleche geschoben und festgehämmert. An einer Stelle änderte der Künstler sein Konzept, zeigten neue digitale Röntgenaufnahmen der Himmelsscheibe.
Eine dieser Planken der Barke sieht im Röntgenbild anders aus, also viel enger. Das heißt, man hat nicht nur vorgezeichnet, sondern auch schon richtig vorgeschrieben, und dann das Gold aufgelegt. Danach festgestellt, das sieht irgendwie komisch aus, und es gefällt uns nicht. Dann hat man diese mit Mühe vorpunzierte Linie einfach ignoriert, die offenbar mit irgendetwas ausgefüllt, was wir nicht genau im Röntgenbild sehen können, und eine neue Linie nur in das Gold reingedrückt. Man hat also sozusagen auch ästhetisch gearbeitet, hat auch ästhetisch Korrekturen an diesem Bild vorgenommen.
Hatte die Himmelscheibe eine Hülle - wie unsere Handys?
Doch es gibt auch Spuren, die die Hallenser Forscher nicht fanden: die von Nägeln. Bisher waren sie davon ausgegangen, dass die Himmelsscheibe in ihrer Spätphase irgendwo aufgenagelt war.
Nun sehen wir aber selbst mit dem Digitalmikroskop keinerlei Abdrücke dieser Nägel. Wir sehen nur die Spuren des Werkzeuges, mit dem die Löcher geschlagen worden sind. Und das ist die spannende Frage: wozu dienen die Löcher? Irgendwas wird man schon da durchgezogen haben. Ist es vielleicht doch irgendein organisches Material? Sind es vielleicht Lederschnüre, mit einer ledernen Umhüllung, einer Art Schutzhülle sozusagen? Die man wie eine Handyhülle sozusagen festgebunden hat? Da schwimmen wir noch, da tappen wir völlig im Dunkeln.
Doch die größte Überraschung barg die Bronze. Schon mit bloßen Auge waren dunkle Flecken erkennbar. Chemische Verfärbungen durch den Boden, meinten die Archäologen bislang. Mineralogen der Hallenser Uni untersuchten nun eine winzige Probe und identifizierten das Schwarz als Tenorit. Ein Kupferoxid, das entsteht, wenn das Metall auf 800 Grad erhitzt wird.
Aber ein Schmied entfernt diese schwarzen Spuren normalerweise, und zwar sehr sorgfältig. Aber wir sehen, dass sie stehen geblieben sind. Das macht man nur, wenn man anschließend das vereinheitlichen will und schwarz färben will. Und dieses Schwarzfärben, das haben wir immer schon vermutet. Das ist so ein Auberginen-Metallic, changiert je nach Lichtrichtung. Also sieht auf jeden Fall sehr, sehr schick aus.
Und so kann man die Himmelscheibe nun in der aktuellen Landesausstellung "Die Welt der Himmelsscheibe von Nebra - Neue Horizonte" auch sehen. Als Duplikat. Die echte Himmelscheibe trägt weiterhin das uns vertraute Malachitgrün.
(hs)
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