
Medizin Tuberkulose in Sachsen und Thüringen: Wie gefährlich ist das?
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05. März 2025, 08:52 Uhr
Die Lungenkrankheit Tuberkulose war einst eine der tödlichsten Krankheiten – auch in Europa. In Deutschland ist sie in den vergangenen Jahrzehnten sehr selten geworden. Jetzt steigen die Zahlen jedoch wieder etwas. Vor zwei Wochen ein Fall in Thüringen, am Montag (3.3.) zwei Tuberkulose-Fälle in einer Dresdner Kita. MDR WISSEN sprach mit Kinderarzt und Infektiologe Professor Reinhard Berner. Er leitet die Kinderklinik am Uniklinikum Dresden, an dem die Kinder aus Dresden behandelt werden.
Professor Berner, wie gefährlich ist Tuberkulose?
Tuberkulose ist eine gefährliche Erkrankung. Wenn sie nicht behandelt wird, kann sie zum Tod führen. Üblicherweise reden wir von einer Lungentuberkulose. Sie kann schwer verlaufen und die Lunge dabei so zerstören, dass kein Atmen und kein Gasaustausch mehr möglich sind. Man sprach früher vom "weißen Tod".
Wie viel Zeit bleibt hier?
Tuberkulose ist keine Infektionskrankheit, bei der man heute krank wird und morgen stirbt, wie zum Beispiel bei einer Blutvergiftung oder Sepsis. Wir kennen das aus der Geschichte, auch die Literatur hat Tuberkulose beschrieben, denken wir an Thomas Mann und den Zauberberg. Es ist eine Erkrankung, die schleichend zum Tod führen kann, wenn sie nicht rechtzeitig diagnostiziert wird.
Doch heute diagnostizieren Mediziner rechtzeitig, oder nicht?
Heute stellt man die Diagnose relativ zügig – wie jetzt auch im Falle der zwei Kinder aus Dresden. Dann ist das auch eine relativ gut behandelbare Krankheit – wenn wir es mit Tuberkulose-Erregern zu tun haben, die empfindlich gegenüber Antibiotika sind.
Tuberkulose wird also mit Antibiotika therapiert?
Ja, Tuberkulose wird mit Antibiotika behandelt. Allerdings gibt es nicht so viele Antibiotika, die hier wirksam sind. Es sind auch meist andere, als wir sie von Harnwegsinfektionen und Mittelohrentzündung kennen. Die Auswahl ist begrenzt, es gibt jedoch noch unterschiedliche Substanzklassen. Weil relativ schnell Antibiotikaresistenzen entstehen, ist eine Kombinationsbehandlung entscheidend. Sie muss nicht über wenige Wochen oder wenige Tage, sondern über viele Wochen und Monate durchgeführt werden.
Tuberkulose wird mit Antibiotika behandelt. Allerdings gibt es nicht so viele Antibiotika, die hier wirksam sind.
Wie hoch ist die Ansteckungsgefahr bei Tuberkulose?
In der Regel geht von Kindern keine Ansteckungsgefahr aus. Erwachsene sind ansteckend, wenn sie sogenannte Kavernen in der Lunge haben. Man hat es früher offene Tuberkulose genannt. Tuberkelbakterien haben hier in der Lunge schon so viel Zerstörung angerichtet, dass Höhlen entstehen, aus denen diese Tuberkelbakterien ausgehustet werden. Ärztinnen und Ärzte müssen Erwachsene mit Tuberkulose immer daraufhin untersuchen, ob sie ansteckungsfähige Bakterien aushusten. In solchen Fällen ist Tuberkulose sehr ansteckend, das kann man nicht anders sagen.
Bei Kindern ist Tuberkulose aber nicht ansteckend?
Bei den Kindern, besonders bei Kleinkindern, ist sie bis auf ganz, ganz wenige Ausnahmen nicht ansteckend.
Tuberkulose-Fälle in Dresden fast verdoppelt In Dresden wurden laut Stadtverwaltung im vergangenen Jahr 34 Infektionen nachgewiesen. Im Jahr 2023 waren es 18 Fälle. Sachsenweit wurden im Januar und Februar 2025 sechs TBC-Fälle registriert. Im gleichen Zeitraum des Vorjahres waren es 24 Fälle, wie aus einem Bericht der Landesuntersuchungsanstalt hervorgeht.
Tuberkulose gehörte einst mit zu den häufigsten Todesursachen – auch in Europa. Später verschwand sie fast. Warum haben wir es plötzlich wieder mit Tuberkulose zu tun?
Tuberkulose ist mit den verändernden Lebensbedingungen, also mit Hygiene und Wohlstand in Deutschland zu einer seltenen Erkrankung geworden. Aber es gibt sie und es hat sie immer gegeben. Es hat sie auch immer in allen Altersgruppen gegeben - je nach Lebensbedingungen und Grunderkrankungen. Es gab auch immer Menschen, die ein höheres Risiko für eine Tuberkulose hatten als andere.
Doch warum taucht Tuberkulose plötzlich wieder auf?
Wir haben heute weltweit Migrationsbewegungen und auch große touristische Ströme. Heute Bangkok morgen Frankfurt, das gehört zur Normalität und holt solche Erreger blitzschnell nach Deutschland. Ja, wir erleben eine wieder etwas zunehmende Zahl von Tuberkuloseerkrankungen. Ausgerottet war Tuberkulose allerdings nie: es hat sie immer gegeben, in allen Altersgruppen, auch bei Kindern.
Sie meinten, es gebe nicht viele Antibiotika, die bei Tuberkulose wirken. Welche Rolle spielen Antibiotikaresistenzen?
Multiresistenten Bakterien, gegen die übliche Tuberkulose-Medikamente nicht wirken, sind weltweit ein großes Problem. In Deutschland ist das glücklicherweise ein seltenes Ereignis. Die meisten Fälle lassen sich normal behandeln, wie man sie vor 50 oder 60 Jahren auch behandelt hat. Aber es gibt eben diese einzelnen Fälle multiresistenter Tuberkulose-Bakterien bei denen Tuberkulostatika, also spezifischen Antibiotika gegen Tuberkulose, nicht mehr wirken. Das ist weltweit ein enormes Problem.
In welchen Regionen ist die Wahrscheinlichkeit für resistente Tuberkulose-Erreger am höchsten?
Da sprechen wir von den gleichen Regionen, die grundsätzlich mit hohen Antibiotikaresistenzen zu kämpfen haben. Das gilt unter anderem für die ehemaligen GUS-Staaten, darunter auch Russland und die Ukraine. Das gilt für Staaten auf dem afrikanischen Kontinent und auch für Südostasien.
Tuberkulose verursacht weltweit die meisten Todesfälle durch einen Erreger Weltweit erkranken nach Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation jedes Jahr fast elf Millionen Menschen an Tuberkulose. Obwohl Tuberkulose vermeidbar und heilbar ist, sterben jährlich weit über eine Millionen Menschen daran. Kurzzeitig durch Covid-19 abgelöst, ist die Tuberkulose daher jetzt wieder die Infektionskrankheit, welche weltweit die meisten Todesfälle durch einen einzigen Erreger verursacht. Quelle: RKI
Warum heißt Tuberkulose auch "weiße Pest"
Die Bezeichnung "weiße Pest" für Tuberkulose stammt aus der Zeit, als die Krankheit im 19. und frühen 20. Jahrhundert eine weit verbreitete und gefürchtete Seuche war. Der Begriff entstand, weil Tuberkulose ähnlich wie die Pest viele Menschen dahinraffte, jedoch ohne die auffälligen äußeren Symptome der Pest wie dunkle Hautverfärbungen. Stattdessen waren die Erkrankten oft extrem blass, was zur Bezeichnung "weiß" führte.
Warum heißt Tuberkulose auch "Schwindsucht"?
Der Begriff "Schwindsucht" leitet sich von einem der auffälligsten Symptome der Tuberkulose ab: dem starken Gewichtsverlust und der allgemeinen körperlichen Schwächung der Betroffenen. Das mittelhochdeutsche Wort "swinden" bedeutet "schwinden, abnehmen, abmagern", was den Zustand der Erkrankten treffend beschreibt. Zusammenfassend spiegeln beide Begriffe – "weiße Pest" und "Schwindsucht" – die verheerenden Auswirkungen der Tuberkulose auf die Betroffenen und die Gesellschaft wider.
(tomi)
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | 03. März 2025 | 17:30 Uhr
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