Gedanken-Rekonstruktion Rock im Gehirn: Revolutioniert ein Song von Pink Floyd die Hirnforschung?
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19. August 2023, 18:31 Uhr
"Another Brick in the Wall" ist ohnehin sehr bekannt. Von nun an steht der Pink-Floyd-Klassiker aber auch für ein neues Kapitel der Wissenschaft: Rekonstruktion von Text, Rhythmus und Melodie, einzig aus Gehirnströmen.
Fans von Pink Floyd wissen es: "Another Brick in the Wall" ist eine Trilogie. Teil 2, der mit "We don't need no education..." beginnt, ist wohl am bekanntesten, aber in Teil 1 heißt die gesungene Titelzeile auch schon fast genau so wie in Teil 2, nämlich "All in all, it was just a brick in the wall". Und genau um diese Zeile geht es, denn sie wurde von Wissenschaftlern aus Kalifornien nun einzig und allein aus Gehirnströmen rekonstruiert. Wie das klingt? Hören Sie selbst.
Sicher, das ist keine radiotaugliche Soundqualität, aber in der Hirnforschung kommt es einem Quantensprung gleich. Denn deutlich zu hören sind nicht nur Textfragmente, sondern auch eine Melodie und ein Rhythmus, und das ist völlig neu. Bisherige Schnittstellen-Technologien zwischen Gehirn und Maschine konnten nur Worte entschlüsseln, die resultierenden Sätze klangen dann aber oft roboterhaft.
Die neue Methode könnte nun auch die "musikalischen" Elemente der Sprache, die in der Kommunikation ebenfalls eine wichtige Rolle spielen.
Tausende Elektroden an 29 Köpfen und immer der gleiche Song
Das Team der University of California, Berkeley verwendete ein Verfahren namens nichtlineares Modellieren, um die Gehirnaktivität zu entschlüsseln und das Lied zu rekonstruieren. Dabei wurden insgesamt 2.668 Elektroden direkt auf die Gehirne von 29 Patienten gelegt, während sie den Rockklassiker hörten. Die Analyse zeigte, dass die Aktivität an 347 dieser Elektroden (verteilt auf die 29 Menschen) spezifisch mit der Musik in Verbindung stand. Auf diese Art konnten die Forscher eine einzigartige Region im Gehirn identifizieren, die für die Rhythmuswahrnehmung verantwortlich ist.
Das oben gehörte Ton-Beispiel ist dabei gewissermaßen die Summe der Hirnströme aller Patienten gewesen. Aber auch aus den Signalen von "nur" 61 Elektroden eines einzelnen Probanden konnten die Forscher Töne rekonstruieren, aus denen sich das Originallied noch erkennen lässt.
Links Sprache, rechts Musik
Bei den Untersuchungen wurde auch die Vermutung bestätigt, dass die rechte Gehirnhälfte stärker auf Musik reagiert als die linke. "Sprache ist mehr eine linke Gehirnaktivität. Musik ist verteilter, mit einer Tendenz zur rechten Seite", erklärt Robert T. Knight, Professor für Psychologie und Neurowissenschaften in Berkeley.
Diese bahnbrechenden Erkenntnisse könnten weitreichende Auswirkungen haben, insbesondere für Menschen, die aufgrund von Schlaganfällen oder Gehirnschäden Schwierigkeiten beim Kommunizieren haben. Es könnte auch dazu beitragen, das Rätsel zu lösen, warum manche Menschen nach einem Schlaganfall oder einer Gehirnverletzung singen können, wenn sie sonst nicht in der Lage sind, sich auszudrücken.
Links/Studien
Die Studie "Music can be reconstructed from human auditory cortex activity using nonlinear decoding models" ist im Journal PLOS Biology erschienen .
(rr)