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Wissen-News Diabetes: Spielerischer Nerven-"TÜV" aus Magdeburg für die Füße
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12. Februar 2025, 16:00 Uhr
Eine Forschungsgruppe der Universitätsmedizin Magdeburg hat einen innovativen Test entwickelt, mit dem überprüft werden kann, wie gut die Nervenbahnen bei Diabetes-Patienten noch funktionieren. Der Test besteht aus Spielen, die man mit den Füßen steuert, beispielsweise durch Gewichtsverlagerungen. Man braucht dafür Einlege-Sohlen mit Sensoren, die über Bluetooth mit einem Smartphone oder Tablet kommunizieren. Der Test könnte das Erkennen von Nervenschädigungen durch Diabetes vereinfachen.
Bundesweit nimmt die Zahl der Menschen mit Diabetes nach wie vor zu. In Sachsen-Anhalt sind es mit 13 Prozent der Bevölkerung besonders viele. Dauerhaft erhöhte Blutzuckerwerte bei Diabetes können die sogenannten peripheren Nerven angreifen. Diese steuern Muskelbewegungen und leiten unter anderem Schmerzsignale der Haut an das Gehirn. Die Folge sind Symptome wie "Ameisenkribbeln", unangenehmes Ziehen und Brennen, meist verbunden mit Bein- oder Fingerkrämpfen bis hin zum vollständigen Verlust von Wahrnehmung an den Füßen.
Solche Nervenschäden durch Diabetes bleiben aber häufig unentdeckt, obwohl sie bei jedem dritten Menschen mit Diabetes vorkommen und die frühe Erkennung und Behandlung zu verbesserten Prognosen führen kann. "Aktuelle Untersuchungsmethoden zur Früherfassung einer diabetischen Nervenschädigung wie der Stimmgabeltest, bei dem an verschiedenen Stellen des Fußes ein Suchtest durchgeführt wird, sind nicht nur zeitaufwendig, sondern auch stark vom Untersuchenden abhängig", erklärt Peter Mertens, Direktor der Universitätsklinik für Nieren- und Hochdruckkrankheiten, Diabetologie und Endokrinologie Magdeburg.
Spiele mit Füßen steuern, Sensoren in Einlegesohlen liefern Daten
Deshalb hat Mertens als Studienleiter mit seiner Forschungsgruppe untersucht, ob man die Funktionsfähigkeit der Nerven unkomplizierter und trotzdem zuverlässig überprüfen kann. Dabei herausgekommen ist ein spielerischer Test am Smartphone oder Tablet. Benötigt werden außer dem Gerät noch Einlegesohlen mit Sensoren. Damit werden die eigens dafür entwickelten Videospiele gesteuert und die Daten zu Nervenfunktion und Kognition erfasst. In zwei klinischen Studien mit insgesamt 329 Probanden untersuchte das Team, ob der spielbasierte Ansatz zuverlässig Nervenschäden und kognitive Einschränkungen erkennen kann. Die Teilnehmer steuerten die zwölfminütigen Videospiele durch Fußbewegungen, die von den Sensor-Sohlen aufgezeichnet wurden. Die Spiele erforderten unterschiedliche motorische und sensorische Fähigkeiten, darunter das Drücken virtueller Tasten mit den Füßen oder das Steuern von Spielfiguren durch präzise Gewichtsverlagerungen. Mit dem gleichen System hatte es die Magdeburger Forschungsgruppe auch schon geschafft, das Sturzrisiko von Diabetes-geschädigten Patientinnen und Patienten vorherzusagen.
Um zu prüfen, ob die neue Methode auch beim Erkennen von Nervenschäden hilft, wurden die Ergebnisse der Spiele anschließend mit etablierten medizinischen Verfahren verglichen. Es zeigte sich, dass die spielerische Methode Nervenschäden und kognitive Beeinträchtigungen mit hoher Genauigkeit vorhersagen kann.
Fußspiele beim Hausarzt
Die Kombination aus spielerischem Ansatz, sensibler Messtechnik und maschinellem Lernen bei der Auswertung eröffnet neue Möglichkeiten, die Diagnostik zu vereinfachen und für den klinischen Alltag zugänglich zu machen, meint Peter Mertens: "Ein Nerven-TÜV, der durch maschinelles Lernen immer präziser wird, könnte Routineuntersuchungen revolutionieren", erklärt der Professor. Aktuell plant das Forschungsteam, die Methode auf weitere Patientengruppen auszuweiten und den Algorithmus durch größere Datenmengen weiter zu optimieren. Ziel ist es, die Spiele als Standardinstrument in die medizinische Praxis zu integrieren, zum Beispiel bei der Hausärztin anzubieten so wie heute das Blutdruckmessen. Voraussetzung ist laut Mertens allerdings, "dass die Untersuchung unter standardisierten Bedingungen durchgeführt wird und die Sensorik geeicht ist, wie bei einem richtigen TÜV."
Links / Studien
- Studie "Unveiling peripheral neuropathy and cognitive dysfunction in diabetes: an observational and proof-of-concept study with video games and sensor-equipped insoles", erschienen in "Frontiers in Endocrinology"
- Studie "Game-Based Assessment of Peripheral Neuropathy Combining Sensor-Equipped Insoles, Video Games, and AI: Proof-of-Concept Study", erschienen im "Journal of Medical Internet Research"
(rr)
Dieses Thema im Programm: MDR S-ANHALT | Sachsen-Anhalt Heute | 14. Januar 2025 | 19:16 Uhr
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