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GLP-1-Rezeptor-Agonisten Wegovy, Ozempic und Co: Das sind Nutzen und Risiken der Abnehmspritzen

21. Januar 2025, 17:35 Uhr

GLP-1-Rezeptor-Agonisten wie Ozempic, Wegovy und Co sind in der Therapie von Typ-2-Diabetes und Adipositas längst bei uns angekommen. Als "Abnehmspritzen" haben diese Medikamente einen regelrechten Hype erlebt. Dennoch werden Nutzen und Risiken der relativ neuen Wirkstoffgruppe in der Fachwelt noch viel diskutiert – denn die Spritzen helfen offenbar auch gegen einige weitere Erkrankungen. Eine systematische Analyse aus den USA bestätigt das nun, findet aber auch einige Risiken.

Sie sind nicht nur ein effektives Medikament gegen Typ-2-Diabetes, sondern gelten manchen Medizinerinnen und Medizinern auch als "Wundermittel" gegen krankhafte Fettleibigkeit. Denn tatsächlich verhelfen GLP-1-Rezeptoragonisten (auch: Glucagon-like peptide 1 (GLP-1-)Rezeptoragonisten) vielen Menschen dabei, deutlich an Gewicht zu verlieren. Dieser Effekt ist mittlerweile gut belegt und auch einige gesundheitliche Vorteile sind offensichtlich. Weniger bekannt dagegen sind die Auswirkungen der noch recht neuen Medikamente auf die Organsysteme des Körpers.

Datenanalyse von zwei Millionen Menschen

Forschende der Washington University School of Medicine und des Veterans Affairs (VA) St. Louis Health Care System haben deshalb die Gesundheitsdaten von mehr als zwei Millionen Diabetikerinnen und Diabetikern, die eines dieser Medikamente eingenommen haben, systematisch analysiert. Die Personen hatten sowohl Semaglutid-Präparate wie Ozempic und Wegovy als auch Tirzepatide wie Mounjaro und Zepbound gespritzt, heißt es in der Studie, die im Fachmagazin Nature Medicine erschienen ist. Dabei identifizierten sie sowohl eine vorteilhafte Wirkung auf die kognitive Gesundheit und gesundheitsförderndes Verhalten, deckten aber auch erhöhte Risiken auf - etwa für Pankreatitis (Bauchspeicheldrüsenentzündung) und Nierenerkrankungen.

Wie funktionieren GLP-1-Rezeptoragonisten? Die Medikamente werden einmal wöchentlich per Injektion verabreicht. Sie simulieren natürlich produzierte Hormone, die den Appetit zügeln und die Verdauung verlangsamen, wodurch ein länger anhaltendes Sättigungsgefühl entsteht. Kombiniert mit gesunder Ernährung und Bewegung kann das zu einer schnellen Abnahme führen.

"Angesichts der Neuheit und der rasant steigenden Popularität der Medikamente ist es wichtig, ihre Auswirkungen auf alle Körpersysteme systematisch zu untersuchen, um zu verstehen, was sie tun und was nicht“, sagte der Leitautor der Studie, Dr. Ziyad Al-Aly. Der Analyseansatz der Studie habe es ermöglicht, eine Systematik zu erstellen, die zeige, welche Zusammenhänge von GLP-1-Medikamenten mit den Organen es gibt.

Ein Mann mittleren Alters in einem weißen Artzkittel sitzt an einem Schreibtisch und blättert in Patientenakten.
Bildrechte: Matt Miller / Washington University Medicine

Die Ergebnisse der Studie bieten Einblicke in einige bekannte und bisher nicht erkannte Vorteile und Risiken, die für die klinische Versorgung und die Forschung nützlich sein können.

Dr. Ziyad Al-Aly, Washington University School of Medicine

Das Forschungsteam analysierte für die Studie anonymisierte Krankenakten aus einer Datenbank des US-Veteranenministeriums. Dabei verglichen sie die gesundheitliche Situation von Personen, die GLP-1-Medikamente zur Behandlung ihres Diabetes bekommen hatten, mit jenen, die andere Medikamente eingenommen hatten. Insgesamt habe der Datensatz mehr als zwei Millionen Menschen enthalten, darunter Patientinnen und Patienten unterschiedlichen Alters, Geschlechts und verschiedener Ethnien. Die Forschenden nahmen dabei 175 gesundheitliche Auswirkungen in den Fokus.

Positive Auswirkungen auf psychische Gesundheit

Das Ergebnis: Für 42 gesundheitliche Probleme sank unter der Therapie das Risiko. Die Analyse zeigte unter anderem, dass GLP-1-Rezeptoragonisten mit erheblichen Vorteilen für die neurologische und psychische Gesundheit in Verbindung gebracht werden können. Demnach gebe es ein geringeres Risiko für Krampfanfälle oder Suchtverhalten - etwa in Hinblick auf Alkoholmissbrauch und anderen Drogenkonsum. Bei denjenigen, die die Medikamente zur Gewichtsabnahme eingesetzt hätten, habe sich auch das Risiko von Suizidgedanken, Selbstverletzungen, Bulimie und psychotischen Störungen wie Schizophrenie verringert, bilanzieren die Forschenden. Das ist insofern bemerkenswert, als die Medikamente bereits in Verdacht standen, Suizidgedanken zu fördern. Die aktuellen Ergebnisse legen aber erneut das Gegenteil nahe.

Außerdem zeigen sich der Studie zufolge auch positive Effekte bei neurokognitiven Störungen wie Alzheimer und Demenz: "Interessanterweise wirken GLP-1-Medikamente auf Rezeptoren in Gehirnarealen, die für Impulskontrolle, Belohnung und Sucht zuständig sind, was möglicherweise ihre Wirksamkeit bei der Eindämmung von Appetit- und Suchterkrankungen erklärt", erklärte Al-Aly. "Diese Medikamente reduzieren auch Entzündungen im Gehirn und führen zu Gewichtsverlust. Beide Faktoren können die Gesundheit des Gehirns verbessern und das verringerte Risiko von Erkrankungen wie Alzheimer und Demenz erklären."

Doch die Forschenden stellen auch fest: Zwar sind die Medikamente offenbar bei einer Vielzahl von Erkrankungen wirksam; das allerdings nur in begrenztem Maße. Das heiße, dass das Risiko im Schnitt etwa um 10 bis 20 Prozent verringert sei. "Die bescheidene Wirkung negiert jedoch nicht den potenziellen Nutzen dieser Medikamente, sagte Al-Aly. Das gelte insbesondere für Erkrankungen, für die bisher ohnehin nur wenige wirksame Behandlungsmöglichkeiten bestehen, wie beispielsweise Demenz. "Dies könnte auch bedeuten, dass diese Medikamente am wirksamsten sind, wenn sie in Verbindung mit anderen Interventionen wie Lebensstiländerungen oder anderen Medikamenten eingesetzt werden", so der Mediziner.

Neben den neurologischen und psychischen Erkrankungen bestätigte die Studie den Forschenden zufolge auch frühere Forschungsergebnisse, die bereits zeigen konnten, dass die Medikamente auch das Potenzial haben, das Risiko von Herzinfarkten, Schlaganfällen und anderen kardiovaskulären Problemen zu senken. Und auch bei Blutgerinnungsstörungen, Infektionskrankheiten und diversen Atemwegsproblemen - von Bronchitis über Lungenentzündung bis zu chronisch obstruktiver Lungenerkrankung (COPD) - hätten sich positive Effekte gezeigt.

Erhöhtes Risiko für Bauchspeicheldrüse und Nieren

Doch neben all den vorteilhaften Wirkungen hat das US-Forschungsteam auch Nachteile der Medikamente identifizieren können. Für 19 gesundheitliche Probleme steige das Risiko. Darunter sind bekannte Nebenwirkungen wie ein erhöhtes Vorkommen von Magen-Darm-Problemen wie Übelkeit, Erbrechen, Durchfall und in seltenen Fällen auch Magenlähmung. Diese seien in der Forschung ohnehin bereits gut dokumentiert gewesen, so Al-Aly. Auch das Risiko für niedrigen Blutdruck, Gelenkentzündungen und Schlafstörungen könne erhöht sein.

GLP-1-Medikamente können umfassende gesundheitliche Vorteile haben, sie sind jedoch nicht ohne Risiken.

Dr. Ziyad Al-Aly, Washington University School of Medicine

Neu dagegen sei, dass GLP-1-Medikamente offenbar schlecht für Bauchspeicheldrüse und Nieren sein können. Diese Nebenwirkungen seien zwar selten, können aber sehr schwerwiegend sein. Die Forschenden raten deshalb dazu, dass Medizinerinnen und Mediziner insbesondere auf Anzeichen einer Pankreatitis achten und die Nierenfunktion von Menschen überwachen sollten, die GLP-1-Medikamente anwenden. Das sei insbesondere wichtig, da Nierenprobleme symptomfrei auftreten können bis zum fortgeschrittenen Stadium der Erkrankung, in dem dann aber nur noch begrenzte Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung stünden.

Spritzen der Marken „Wegovy“, „Ozempic“ und „Mounjaro“  inden Händen einer Verkäuferin in einer Apotheke 3 min
Bildrechte: picture alliance/dpa | Jens Kalaene

Die Forschenden betonen in ihrer Analyse, dass die Erkenntnisse generell dazu führen könnten, neue medizinische Zusammenhänge systematisch zu erforschen. Gleichzeitig hätten sie schon jetzt Bedeutung für die medizinische Praxis. So sollte beim Einsatz der Präparate etwa der Blutdruck gut kontrolliert und bei Bedarf die Einnahme von Blutdrucksenkern angepasst werden. Auch auf andere mögliche negative Auswirkungen der Therapie sollte künftig verstärkt geachtet werden.

Dennoch zieht Al-Aly beim Vergleich von Vor- und Nachteilen eine positive Bilanz aus der Datenanalyse. Das sehen seine Kollegen in Deutschland ähnlich. So sagte etwa der Gastroenterologe Frank Tacke von der Berliner Charité, der nicht an der Studie beteiligt war, der dpa: "Diese großen Datensätze unterstreichen die positive Risiko-Nutzen-Bilanz dieser Präparate. Das ist vorerst beruhigend." Denn anhand so großer Datensätze wie in der US-Studie ließen sich auch seltene Nebenwirkungen ermitteln, so Tacke.

Link zur Studie

Xie, Yan et. al.: Mapping the effectiveness and risks of GLP-1 receptor agonists. In: Nature Medicine. Jan. 20, 2025. DOI: https://doi.org/10.1038/s41591-024-03412-w

(kie)

Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR um 4 | 04. Februar 2025 | 17:00 Uhr

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