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Ein Viertel der Erwachsenen in den USA vermutet, nicht diagnostiziertes ADHS zu haben. Das hat eine aktuelle Studie ergeben.

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Psychische Gesundheit ADHS und soziale Medien: Warum wir denken, betroffen zu sein

20. Oktober 2024, 12:00 Uhr

Ein Viertel der Erwachsenen in den USA vermutet, nicht diagnostiziertes ADHS zu haben. Das hat eine aktuelle Studie ergeben. Aufmerksamkeitsdefizit-/ Hyperaktivitätsstörung, kurz ADHS, wird typischerweise als eine psychische Störung im Kindesalter angesehen. Diagnosen im Erwachsenenalter haben in den vergangenen Jahren zugenommen – dabei geht man davon aus, dass die Symptome sich bereits vor dem siebten Lebensjahr – also in der Kindheit, zeigen.

Junge Frau schaut frontal in die Kamera.
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Die Forschenden hinter der aktuellen Studie gehen davon aus, dass das Bewusstsein für ADHS bei den Erwachsenen durch angesagte Social-Media-Videos geschärft wurde. Auf Tiktok und Instagram sind Videos und Bilder zu dem Thema aktuell populär. Gerade im Zusammenhang mit Konzentrations- und Motivationsproblemen entsteht schnell der Eindruck, man könnte von ADHS betroffen sein.

Claudia Exner
Cornelia Exner leitet die leitet die psychotherapeutische Hochschulambulanz der Universität Leipzig. Bildrechte: Marco Weidner Fotostudio Stilmoment Erfurt

Eine Metastudie aus dem Jahr 2023 legt nahe, dass weltweit drei bis fünf Prozent der Menschen tatsächlich ADHS haben – nicht alle, die das vermuten, sind also betroffen. Trotzdem gehört ADHS damit zu den häufigeren psychischen Störungen. Wann sollte man sich also bei einem Verdacht auf ADHS Hilfe holen? Die Psychologie-Professorin Cornelia Exner leitet die psychotherapeutische Hochschulambulanz der Universität Leipzig und betont: Vor allem, wenn sich die Symptome in verschiedenen Lebensbereichen zeigen, ist das ein Indikator: "Also wenn sie nicht nur bei der Arbeit, sondern eben auch noch im persönlichen Bereich auftreten und wenn es eine Geschichte dieser Schwierigkeiten gibt."

Symptome müssen bereits in der Kindheit aufgetreten sein

Voraussetzung für die klinische Diagnose sei, dass bereits vor dem siebten Lebensjahr, beziehunsgweise nach neuesten Diagnosesystemen vor dem zwölften Lebensjahr, Symptome aufgetreten sind. Für viele Betroffene seien die Probleme deshalb nichts Neues, erzählt Exner. Man geht auch davon aus, dass ADHS sich in den Genen zeigt, zu 70 bis 80 Prozent wird die Prädisposition vererbt. Häufig sind deshalb auch Elternteile oder Geschwister betroffen.

Frauen mit ADHS haben andere Symptome

Die Symptome selbst können sich zwischen Kindern und Erwachsenen stark unterscheiden. Bei Kindern zeigt sich die Störung häufig durch Unaufmerksamkeit, Unruhe und Impulsivität. Im Erwachsenenalter können andere Symptome auftreten. Der Bewegungsdrang bei Kindern kann sich beispielsweise eher als innere Unruhe äußern. Auch zwischen den Geschlechtern gibt es Unterschiede. Bei Frauen und Mädchen wird ADHS eher übersehen, weil sich die Symptome eher nach Innen richten. Sie kompensieren bereits einen Teil der Symptome, der Leidensdruck kann aber trotzdem hoch sein.

In der psychotherapeutischen Hochschulambulanz der Universität Leipzig habe sie häufig mit Erwachsenen zu tun, die sich in stressigen Lebenssituationen mit hohen Anforderungen befinden, erzählt Cornelia Exner: "Häufig sind das Studierende – aber auch Berufstätige, die Anstrengungen haben und dann merken, dass sie dem nicht gut gewachsen sind. Dann kommt häufig die Idee auf, oder es ist von früher bekannt, dass man ADHS haben könnte."

Die Diagnose kann Sicherheit geben

Viele kämen dann zunächst einmal mit dem Wunsch nach einer gesicherten Diagnose. Diese sei für viele Menschen wichtig, damit sie überhaupt einordnen können, was mit ihnen los ist: "Das kann das Selbstwertgefühl ganz schön in Frage stellen, wenn man an vielen Punkten im Leben irgendwie ein Scheitern erlebt. Ob das in Beziehungen ist oder im Arbeitsleben, wenn man das Gefühl hat, ich komme nicht meinen Fähigkeiten entsprechend weiter."

Auch Exner erlebt, dass die Vermutung, ADHS zu haben, bei jungen Erwachsenen verbreitet ist. Sie sagt, sie gehe davon aus, dass das teilweise mit der Präsenz des Themas in den sozialen Medien zusammenhänge. Zudem stelle die moderne Arbeitswelt ADHS-Betroffene besonders hart auf die Probe: "Die schiere Menge an Information in den modernen Medien ist für uns alle eine Herausforderung. Wenn man sich jetzt vorstellt, jemand hat von der Kindheit an schon eine Disposition für ADHS, dann sind diese Rahmenbedingungen nicht gerade förderlich."

Durch Social Media kann man kein ADHS "bekommen"

Dass man durch die Nutzung sozialer Medien ADHS überhaupt erst "bekommen" kann, ist ein Mythos. Aber die Einschränkung von Instagram, Tiktok und Co. kann dabei helfen, mit den Symptomen besser klarzukommen, weil sie ein starker Ablenkungsfaktor sind. Das gilt aber auch für Ablenkungen aus dem nicht medialen Leben.

Die heutige Umgebung, die wir haben, in Form der Medien, die wir haben – die ist für uns alle herausfordernd.

Cornelia Exner, Psychologie-Professorin, Universität Leipzig

Dass viele Menschen vermuten, von ADHS betroffen zu sein, könnte auch daran liegen, dass Konzentrationsprobleme gewissermaßen ein Symptom unserer schnelllebigen Umgebung sind. "Die heutige Umgebung, die wir haben, in Form der Medien, die wir haben – die ist für uns alle herausfordernd", findet Cornelia Exner. Gerade während der Corona-Zeit habe man sich beispielsweise angewöhnt, während Videokonferenzen noch schnell mal die Mails zu checken oder das Smartphone. "Wir haben uns auf diese Weise alle eine Art Aufmerksamkeitsstörung antrainiert", findet die Psychologin.

Was bei ADHS helfen kann

Auch denjenigen, die kein ADHS haben, kann es helfen, Struktur zu schaffen und etwa die Ablenkung durch Push-Benachrichtigungen auf dem Handy zu reduzieren. Wer allerdings unter den Symptomen leidet und vermutet, ADHS zu haben, sollte sich professionelle Hilfe suchen. Nach der Diagnose gibt es ein Spektrum an Behandlungsmöglichkeiten, von mehr Struktur im Alltag über Psychotherapie in Gruppen und allein bis hin zu Medikamenten, die den Betroffenen helfen können.

Noch relativ neu sind diverse Apps, die den Betroffenen dabei helfen sollen, ihren Alltag zu strukturieren, Zeitfenster zu timen und Dinge nicht zu vergessen. Cornelia Exner sagt: Gut, dass es die Apps gibt, aber "wir sind ein bisschen skeptisch, dass man damit wirklich ganz alleine zurechtkommt". Bestenfalls sei die Nutzung einer App eingebettet in ein Behandlungsprogramm.

Links/Studien

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | 20. Oktober 2024 | 12:00 Uhr

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