Covid-19 Corona-Pandemie endet – Deutschland erlebt erste Endemie
Hauptinhalt
27. Dezember 2022, 10:50 Uhr
Eine deutliche Corona-Winterwelle bleibt bislang aus und neue Virusvarianten breiten sich nur noch sehr langsam aus. Am Ende von 2022 ist Sars-CoV-2 in Deutschland in der endemischen Normalität angekommen.
- Virologe Drosten sagt: "Nach meiner Einschätzung ist die Pandemie vorbei"
- Während Kliniken mit vielen schweren Grippefällen zu tun haben, sind die Corona-Inzidenzen stabil. Mediziner glauben, dass eine hohe Immunität in der Bevölkerung neuen Corona-Varianten die Ausbreitung erschwert
- Die durch Impfungen geformte Immunität bestimmt nun die weitere Evolution des Virus. Neue gefährliche Varianten sind aber nicht in Sicht
- China erlebt nun eine Omikron-Welle im Schnelldurchlauf, die Millionen Todesopfer fordern könnte
- Die WHO erwartet für 2023 das Ende des weltweiten Gesundheitsnotstands durch die Pandemie
Update 27.12.2022: Christian Drosten verkündet, dass die Pandemie vorbei sei
Virologe Drosten sagt: "Nach meiner Einschätzung ist die Pandemie vorbei"
Die Corona-Pandemie ist aufgrund der breiten Immunität in der Bevölkerung nach Ansicht des Virologen Christian Drosten in Deutschland ausgestanden. "Wir erleben in diesem Winter die erste endemische Welle mit Sars-CoV-2, nach meiner Einschätzung ist damit die Pandemie vorbei", sagte der Leiter der Virologie an der Berliner Universitätsklinik Charité dem "Tagesspiegel". Nach fast drei Jahren Pandemie steuern mehrere Bundesländer in Richtung einer neuen Normalität im Umgang mit dem Virus – weg von Alltagsauflagen und Verhaltensempfehlungen.
Die Immunität gegen Sars-CoV-2 werde nach dem Winter so breit und belastbar sein, dass das Virus im Sommer kaum noch durchkommen könne, sagte Drosten. Anders könnte es seiner Einschätzung nach zwar bei einem weiteren Mutationssprung des Erregers kommen. "Aber auch das erwarte ich im Moment nicht mehr."
Super-Grippewelle schlägt zu
Zum Ende des Jahres 2022 sind Kliniken und Ärzte in Deutschland besorgt – allerdings nicht mehr über das Sars-Coronavirus-2. Stattdessen schlägt nun die von vielen vorhergesehene Super-Grippewelle zu. Die Coronaregeln hatten seit März 2020 die Übertragung von Influenzaviren praktisch vollständig unterbunden. Viele Kinder, die in ihrem Leben noch nie Kontakt mit der Grippe hatten, erkranken nun alle auf einmal und schaffen so größere Ansteckungsherde für Erwachsene, deren Immunsysteme selbst zweieinhalb Jahre keinen Kontakt mehr zu vielen gewöhnlichen Erregern hatten.
Frühes Ende der Grippewelle möglich – Corona bleibt stabil
Die gute Nachricht: Wahrscheinlich findet diese Welle früher als in anderen Grippejahren ein Ende, weil nun viele Menschen gleichzeitig neue Immunität aufbauen. Darauf deuten jedenfalls die Erfahrungen im australischen Winter im Juni und Juli hin. Auch dort war die Influenzasaison nach Aufhebung der Coronaregeln früh und ungewöhnlich stark gestartet – allerdings auch frühzeitig wieder vorbei gewesen.
Eine Twindemie aus Corona und Grippe, also eine doppelte Infektionswelle zu Beginn der kalten Jahreszeit, ist bislang ausgeblieben. Seit Mitte November liegt die 7-Tage-Inzidenz bei Covid-19 stabil zwischen 200 und 250. Ein erneuter sprunghafter Anstieg ist bisher nicht abzusehen. Neue Untervarianten des Virus wie BA.2.75 oder BQ.1.1 breiten sich zwar langsam aus, doch die Ansteckungsdynamik verändern sie nicht mehr. "Es ist nicht mehr so, dass das Virus mit ein paar Mutationen das Spiel komplett drehen könnte", hatte der Virologe Christian Drosten von der Berliner Charité bereits Anfang November im Interview mit der "Zeit" gesagt.
Ungeimpfte hatten Corona über ein halbes Jahr im Gehirn
Warum das so ist, wissen die Mediziner zwar noch nicht genau. In der Süddeutschen Zeitung äußert der Virologe Oliver Keppler von der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität allerdings die Vermutung, dass es in der Bevölkerung inzwischen eine komplexe Vielfalt an Immunitäten gibt, die die Ausbreitung des Virus eindämmen. Viele seien drei- oder sogar vierfach geimpft, ebenso viele hätten auch bereits eine oder zwei Infektionen hinter sich. "Dadurch haben wir eine so hohe Immunitätsdiversität, dass wir Krankheitswellen nicht mehr präzise vorhersagen können", so Keppler.
Die Impfungen sind zwar viel gescholten worden dafür, dass sie sehr vielen Menschen keinen sicheren Schutz vor einer Ansteckung geboten haben. Dennoch haben sie sehr viele schwere Verläufe und Todesfälle verhindert und wohl auch gefährliche Spätfolgen wie Long Covid seltener werden lassen. Neue Erkenntnisse von US-Forschenden zeigen, wie gefährlich Sars-CoV-2 zu Beginn der Pandemie war. Nicht nur war die Todesrate unter den Ungeimpften viel höher. Auch konnte sich das Virus selbst bei einigen Patienten ohne Symptome über den ganzen Körper ausbreiten und sich sogar dauerhaft im Gehirn einnisten.
Konvergente Evolution: Neue Untervarianten mutieren alle in die gleiche Richtung
Zu der aktuellen Evolution des Virus tragen die Impfungen wohl ebenfalls stark bei. Denn die erwähnten neuen Varianten entwickeln unabhängig voneinander ähnliche Mutationen, um die Immunität teilweise zu umgehen. So haben sowohl BQ.1.1 als auch BA.2.75.2 beide eine Veränderung im Erbgut des Spikeproteins an Position 346. So verändert sich die Oberfläche des Andockeiweiß des Virus etwas, wodurch Antikörper schlechter binden können.
Forscher nennen dieses Phänomen "konvergente Evolution". Die Immunität in der Bevölkerung ist stark genug, um die Bahnen der weiteren Entwicklung des Virus zu bestimmen. Insofern sind die Forschenden aktuell wenig beunruhigt darüber, dass BQ.1.1 nun einen Anteil von 17 Prozent an den neuen Ansteckungen in Deutschland hat und die verschiedenen Unterlinien von BA.2.75 einen Anteil von 7 Prozent. Ein exponentielles Wachstum ist bei beiden nicht zu sehen.
Weitere Auffrischungsimpfungen haben einen schützenden Effekt
Was die Impfungen selbst angeht, so ist eine weitere Anpassung der Impfstoffe im kommenden Jahr nach derzeitigem Stand eher unwahrscheinlich. Schon jetzt ziehen einige Wissenschaftler in Zweifel, ob das aktuelle Update auf die bivalenten, teilweise gegen Omikron BA.5 gerichteten Impfungen einen großen Effekt hatte.
Zentral ist hier offenbar eher, dass jede weitere Impfung und Durchbruchsinfektion die Immunität weiter steigert. Wer beispielsweise drei Mal geimpft war, dann einen Durchbruch mit Omikron hatte und schließlich noch eine Omikron-Boosterimpfung bekam, dessen Antikörper konnten im Labor auch neueste Corona-Mutanten zuverlässig neutralisieren.
Zugleich zeigt sich Ende 2022 weiterhin auch das Präventions-Paradox: Weil der Vergleich fehlt, wie die Folgen der Pandemie ohne Vorsichtsmaßnahmen und ohne Impfung ausgefallen wären, gibt es weiterhin Kritikerinnen und Kritiker, die den Sinn von Impfstoffen und Regeln in Frage stellen. Betont werden die Gefahren durch Nebenwirkungen. Ob die Corona-Impfstoffe möglicherweise Herzmuskelzellen schädigen und wie groß die Gefahr dadurch ist, darüber streiten auch einige Fachleute immer noch.
Klar ist aber auch, dass mindestens rund 160.000 Menschen in Deutschland mit oder an Corona gestorben sind, seit die Pandemie begonnen hat. Besonders unter den Hochbetagten hat das Virus viele Todesopfer gefordert.
China: Gigantische Omikronwelle rollt durch das Land
Die aktuelle Entwicklung in China könnte dagegen als so eine Vergleichsfolie dienen, wenn die chinesischen Behörden die entsprechenden Daten veröffentlichen würden. Dort ist das Ansteckungsgeschehen laut Experten der Weltgesundheitsorganisation WHO bereits vor einigen Wochen außer Kontrolle geraten. Der Leiter der WHO-Notfallabteilung, Michael Ryan, sagte, die dortige "explosionsartige Zunahme" der Fälle und die "erhöhte Übertragungsintensität" hätten "lange vor der Lockerung der Null-Covid-Politik begonnen".
Nun scheint sich das Land in einer Art Blitzwelle mit der Omikron-Variante zu befinden. Modellrechnungen gehen davon aus, dass es im schlimmsten Fall zu einer Million Todesfällen kommen könnte, innerhalb kürzester Zeit.
WHO: Bis Ende 2023 könnte Gesundheitsnotstand beendet sein
Für das kommende Jahr blickt die WHO dennoch optimistisch in die Zukunft. Bis 2023 könnte der von seiner Organisation ausgerufene weltweite Gesundheitsnotstand für beendet erklärt werden, sagte WHO-Chef Tedros Adhanom Ghebreyesus am Mittwoch. Alle Länder müssten aber weiter wachsam bleiben. Zugleich forderte Tedros China auf, mehr Daten und Studien bereitzustellen, um den Ursprung der Corona-Pandemie aufklären zu können.
Dass Corona verschwindet, glaubt die WHO hingegen nicht. In der vergangenen Woche seien weltweit knapp 10.000 Menschen an Covid-19 gestorben. "Das sind immer noch 10.000 zu viel", sagte der WHO-Chef. Vor einem Jahr seien es allerdings etwa fünf Mal so viele Todesfälle pro Woche gewesen. Heute seien vor allem Ungeimpfte betroffen, betonte die Leiterin des WHO-Programms zur Bekämpfung der Corona-Pandemie, Maria Van Kerkhove.
Seit dem Ausbruch in Wuhan mindestens fast 650 Millionen Infektionen
Das Corona-Notfall-Komitee der WHO will bei seinem nächsten Treffen im Januar über die Kriterien für ein Ende des Corona-Gesundheitsnotstands beraten. Dabei werden sich die Experten unter anderem die Corona-Varianten und die gegenwärtigen Auswirkungen des Virus anschauen, erläuterte Van Kerkhove.
Seit im chinesischen Wuhan vor drei Jahren die ersten Corona-Infektionen auftraten, wurden weltweit fast 650 Millionen Infektionen und mehr als 6,6 Millionen Todesfälle registriert. Nach Einschätzung der WHO dürften die tatsächlichen Zahlen deutlich höher sein. Weltweit wurden laut Van Kerkhove mehr als 13 Milliarden Corona-Impfdosen verabreicht, rund 30 Prozent der Weltbevölkerung hätten aber keine einzige Corona-Impfspritze erhalten.
(mit dpa)
Not Found
The requested URL /api/v1/talk/includes/html/18b7fb21-abb7-41b2-bd97-7dcb84210c53 was not found on this server.