Troponin Myokarditis und Co.: Schädigen die Corona-Impfungen die Herzzellen?
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30. November 2022, 09:38 Uhr
Eine aktuelle Untersuchung hat bei einigen Geimpften nach dem Corona-Booster erhöhte Troponin-Werte festgestellt, ein Hinweis auf eventuell beschädigte Herzmuskelzellen. Mediziner sehen aber keinen Grund zur Sorge. Eine neue Metastudie zeigt, wie hoch das Risiko für Kinder und Jugendliche ist.
- Schweizer Forschende haben bei einer noch nicht begutachteten Studie bei 2,8 Prozent der Empfänger einer Booster-Impfung drei Tage nach der Spritze erhöhte Troponinwerte gemessen
- Troponin im Blut ist ein möglicher Hinweis auf leichte Schäden an Herzmuskelzellen
- Bleibende Schäden durch eine Myokarditis nach einer Impfung wurden bislang aber nicht festgestellt
Stellen Corona-Impfungen ein Risiko für die Gesundheit von Herz und Kreislauf dar? Diese Möglichkeit wird vor allem in sozialen Medien diskutiert, seitdem sich im Lauf der Impfkampagne gegen Covid-19 zeigte, dass die mRNA-Impfstoffe von Biontech/Pfizer und Moderna in seltenen Fällen vorübergehende Entzündungsreaktionen an Herzmuskel (Myokarditis) oder Herzbeutel (Perikarditis) auslösen können.
Eine neue Untersuchung aus der Schweiz hat jetzt den Blutwert Troponin bei einer kleinen Gruppe von Untersuchten nach der Booster-Impfung gemessen. Erhöhte Troponinwerte gelten als möglicher Hinweis darauf, dass Herzmuskelzellen angegriffen worden sein könnten. Bei der Studie sei dieser Wert deutlich häufiger erhöht gewesen, als die bisher bekannten Zahlen vermuten ließen, sagt der leitende Mediziner. Ein möglicher Anlass, skeptischer zu sein in Bezug auf Corona-Booster-Impfungen?
Myokarditis nach Impfung: Selten und meistens ohne bleibende Schäden
Zunächst: Eine Myo- oder Perikarditis nach einer Coronaimpfung ist sehr selten. Laut einer Metastudie, die die Ergebnisse zahlreicher anderer Untersuchungen zusammenfasst, kommt sie bislang im Durchschnitt über alle Altersgruppen hinweg nur etwa 18 Mal pro eine Millionen Impfdosen vor. Damit liegt sie innerhalb des allgemeinen Risikos, das unabhängig von bestimmten Ursachen besteht und zwischen 9,5 und 24,6 Fällen pro eine Millionen Menschen und Monat beträgt.
Aber: Bei Personen unter 30 Jahren, besonders bei jungen Männern, kamen diese Entzündungsreaktionen deutlich häufiger vor, nämlich rund 40,9 Mal pro eine Million verabreichte Impfdosen. Am häufigsten kam es dazu nach der zweiten Impfung. Auch die Wahl des Impfstoffs spielte eine Rolle. Bei Moderna trat die Nebenwirkung etwas häufiger auf als bei Biontech. Die Ständige Impfkommission in Deutschland empfiehlt daher die Grundimpfung mit Moderna nur noch für Menschen über 30 Jahren.
Kam es zu einer Myokarditis, verlief sie in den allermeisten Fällen mild und heilte in der Regel ohne bleibende Schäden wieder ab. Ließen sich junge Männer ein drittes Mal impfen (Booster), waren Herzmuskelentzündungen wieder deutlich seltener. Sie kamen dann nur noch 11,4 Mal pro eine Million Impfdosen vor.
Troponin-T Werte bei manchen Sportlern auch nach Marathon erhöht
Jetzt aber berichtet Professor Christian Müller, Kardiologe am Universitätsspital in Basel, von neuen Forschungsergebnissen. Müller und Kollegen hatten bei insgesamt 777 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Klinik die Troponinwerte im Blut nach der Booster-Impfung bestimmt. 540 davon (69 Prozent) waren Frauen. Drei Tage nach dem Booster seien diese Werte bei 20 Frauen und zwei Männern erhöht gewesen, was einem Anteil von 2,8 Prozent an der gesamten Untersuchungsgruppe und 3,7 Prozent der Frauen entspricht. Das sei deutlich häufiger gewesen, als die bisherige Zählung der Entzündungsreaktionen nach Impfung habe vermuten lassen, sagt Müller in einem Interview auf der Webseite der Klinik.
Troponin-T ist ein Protein, das in Herzmuskelzellen vorkommt und freigesetzt wird, wenn diese Muskelzellen beschädigt werden. Auf Troponin wird getestet, wenn Ärzte einen Herzinfarkt oder eine Myokarditis vermuten. Allerdings gilt der Marker als extrem sensibel. "Auch nach einem Marathonlauf findet sich bei etlichen Sportlern mehr Troponin-T. Der Troponinwert reagiert sehr sensitiv schon auf kleinste Belastungen oder Schädigungen", sagt Thomas Voigtländer, Kardiologe am Bethanien-Krankenhaus in Frankfurt am Main und Vorsitzender der Deutschen Herzstiftung.
Kernspintomographie hätte keine Schäden gezeigt
Aus Voigtländers Sicht weisen die gefundenen Werte zunächst nur darauf hin, dass die Impfung die Herzmuskelzellen berührt. Sie seien aber kein Nachweis, dass es zu wirklichen Schäden gekommen sei. Für eine Myokarditis-Diagnose reiche das nicht aus. "Es braucht noch eine weitere Bestätigung, beispielsweise durch ein kardiales MRT", sagt Voigtländer. Eine solche Untersuchung hätte aber wahrscheinlich keine Schäden gezeigt, sagt Christian Müller.
Dennoch sieht er durch seine Untersuchung eine Nebenwirkung der Impfung bestätigt: "Da gibt es also eine leichte Herzmuskelzellschädigung bei knapp drei Prozent, was man nicht überbewerten, aber auch nicht ignorieren sollte." Einen weiteren Tag später seien die Werte bei der Hälfte der Frauen und bei beiden Männern wieder im Normbereich gewesen. Bleibende Schäden seien also unwahrscheinlich.
Bleibende Schäden auch bei Impf-Myokarditis bislang nicht bekannt
Ganz neu sind seine Erkenntnisse nicht. Auch das Paul-Ehrlich-Institut hatte im August 2021 bereits in einem Risikobericht zu den Impfstoffen festgestellt, dass einige wenige Fälle von erhöhten Troponin-Werten nach einer Covid-Impfung bekannt geworden seien. Doch wie gefährlich ist das nun? "Der Herzmuskel kann sich gemäß heutigem Wissen nicht oder allenfalls minimal regenerieren", sagt der Baseler Kardiologe Müller und warnt, dass es durch jährliche Auffrischimpfungen zu solchen leichten Schäden kommen könnte.
Das sieht der Frankfurter Vorsitzende der Deutschen Herzstiftung anders. Bleibende Schäden gebe es nur bei vernarbtem oder abgestorbenem Herzmuskelgewebe. "Solch ein Schaden ist hier aber gar nicht nachgewiesen worden", so Voigtländer. Auch Studien zu den aufgetretenen Myokarditis-Fällen hätten solche Schäden bislang nicht finden können. Eine kürzlich veröffentliche Meta-Studie zu Myokarditisfällen bei Jugendlichen kommt zum Ergebnis, das schwere Verläufe dieser Impfnebenwirkung nur 6,5 Mal pro 10 Millionen Geimpften vorkommen. Bei schwer verlaufenden Coronainfektionen sind solche schweren Folgen für das Herz nach bisherigem Kenntnisstand vier Mal häufiger.
Bleibende Herzschäden nach Covid-19 allerdings vielfach belegt
In diesem Punkt stimmt auch Christian Müller zu: "Wir müssen aufgrund der erhöhten kardiovaskulären Ereignisse während und kurz nach einer Coronainfektion annehmen, dass die Erkrankung zu stärkeren schädlichen Effekten am Herzen führt." Dafür gebe es inzwischen wissenschaftliche eindeutige Belege.
Diese Aussage unterstreicht auch Kardiologe Voigtländer: "Die allgemeine wissenschaftliche Einschätzung sieht daher den Nutzen der Impfung immer noch größer als mögliche Schäden, vor allem auch im Hinblick darauf, dass eine Covid-Erkrankung auch mit einem deutlichen Risiko für Herzschäden und Rhythmusstörungen einhergeht."
Booster-Impfung: Gerade bei Herz-Kreislauf-Erkrankung sehr wichtig
Müller sieht seine Ergebnisse auch nicht als Anlass, die Impfempfehlung für Menschen mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen einzuschränken. "Diese Gruppen haben ein höheres Risiko für schwere Verläufe mit gravierenden gesundheitlichen Folgen. Der hohe Nutzen eines starken Impfschutzes für diese Gruppen steht außer Zweifel." Vorsichtshalber sollte auf Sport am Tag nach der Impfung verzichtet werden. Allerdings gebe es auch keine starken Beweise, dass Sport eine mögliche Schädigung verstärke.
Warum es überhaupt in den seltenen Fällen zu den Herzmuskel- und Herzbeutelentzündungen kommt, ist wissenschaftlich immer noch nicht eindeutig geklärt. Als mögliche Ursachen gelten Autoimmunreaktionen des Körpers, also ein Überreagieren des Abwehrsystems auf die Impfung. Oder eine Wechselwirkung mit Hormonen wie dem Testosteron sei möglich. "Doch die genauen Zusammenhänge sind noch unklar", sagt Voigtländer. Auch eine abschließende Auswertung der Folgen von Booster-Impfungen steht noch aus.
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