Symbolbild zur Sterblichkeitsrate während der Corona-Pandemie.
Bis zu 15 Millionen zusätzliche Todesfälle könnte es während der Pandemie-Jahre 2020 und 2021 gegeben haben, schätzen Statistiker der WHO. Bildrechte: IMAGO/Rolf Poss

Statistik Neue WHO Studie in Nature: Fast 15 Millionen Tote durch Corona

14. Dezember 2022, 18:24 Uhr

Die WHO hat eine aktualisierte statistische Schätzung der Corona-Übersterblichkeit veröffentlicht. Die Pandemie habe demnach 15 Millionen zusätzliche Todesfälle verursacht, drei Mal so viele, wie bislang angenommen.

Experten der UN-Weltgesundheitsorganisation WHO hatten bereits im Mai ihre Schätzung der weltweiten Übersterblichkeit durch Corona herausgegeben. Jetzt ist diese Schätzung von unabhängigen Forschenden begutachtet und von den Autoren überarbeitet worden. Demnach starben in den Jahren 2020 und 2021 insgesamt 14,8 Millionen Menschen durch die Pandemie, die ohne Corona nicht gestorben wären. Damit übertrifft die Schätzung die Zahl der bisher gemeldeten 5,4 Millionen Corona-Toten um das Dreifache.

WHO: Corona-Übersterblichkeit in Deutschland doppelt so hoch wie bislang angenommen

Statistisch war die Übersterblichkeit laut der Studie im Jahr 2020 um 0,06 Prozent erhöht und im Jahr 2021 sogar um 0,13 Prozent. Damit hätte Corona die zusätzliche Sterblichkeit bei vergangenen schweren Grippe-Pandemien deutlich übertroffen. Bei der Welle von 1957 lag die Übersterblichkeit bei 0,04 Prozent, 1968 bei 0,03 Prozent und 2009, bei der sogenannten Schweinegrippe, bei 0,005 Prozent.

Die Schätzungen werden von Wissenschaftlern allerdings kontrovers diskutiert. Die Berechnungen basieren vor allem auf einer Betrachtung der Sterblichkeit in der Vergangenheit, wobei die jüngste Vergangenheit stark und die fernere Vergangenheit schwächer gewichtet wird. Schwankt die Sterblichkeit stark von Jahr zu Jahr, kann es zu Verzerrungen kommen, ganz besonders dann, wenn die Jahre vor der Pandemie Jahre mit unterdurchschnittlich wenigen Toten durch Infektionskrankheiten waren.

Das ist möglicherweise im Fall von Deutschland passiert, wo die WHO-Statistiker um William Msemburi von 122.000 zusätzlichen Toten durch die Pandemie ausgehen. Das liegt "deutlich über den verlässlicheren Schätzungen des Statistischen Bundesamts von etwa 70.000 Fällen, und denen aus Studien von De Nicola, Kauermann und Höhle von etwa 35.000 Fällen", sagt Christoph Rothe, Mathematiker und Professor für Statistik an der Universität Mannheim über die Nature-Studie. Auf der anderen Seite geht das Robert Koch-Institut mit rund 160.000 Corona-Toten in Deutschland sogar von einer höheren Zahl aus.

Schätzung hängt von der Qualität demografischer Daten ab

Insgesamt hängt die Berechnung stark von der Qualität der Daten ab, die herangezogen werden. "Das Modell der WHO ist State of the Art, und kann nach den jetzigen Korrekturen zuverlässig die Übersterblichkeit in Ländern mit gut ausgebauten demografischen Meldesystemen messen – das schließt Europa, Nordamerika, Australien, Neuseeland und Teile Asiens und Südamerikas ein", sagt Jonas Schöley vom Max-Planck-Institut für demografische Forschung in Rostock über die jetzt veröffentlichte Studie. Schöley selbst war nicht an der Arbeit beteiligt.

Christoph Rothe hält dagegen die Berechnung einer globalen Übersterblichkeit für kompliziert, "weil es für viele Länder keine verlässlichen Daten zu Sterbefällen vor und während der Pandemie gibt." Für etwa die Hälfte der Länder weltweit liegen demnach keine verlässlichen Daten vor. "Die Autoren schätzen diese Werte daher mithilfe statistischer Verfahren aus den Daten vergleichbarer Länder mit besserer Informationsbasis. Die sich aus dem Verfahren ergebende globale Übersterblichkeit von etwa 14,8 Millionen Todesfällen in den Jahren 2020 und 2021 ist daher mit einer gewissen Unsicherheit verbunden, sollte aber von der richtigen Größenordnung sein", glaubt Rothe.

Übersterblichkeit während der Pandemie nicht mit Toten durch Corona verwechseln

Hanni Ulmer, Professor für Medizinstatistik an der Universität Innsbruck in Österreich, hält die jetzige WHO-Schätzung aufgrund der genannten Mängel bei den Daten für sehr grob und deutliche Abweichungen in einzelnen Ländern für möglich. "Es erscheint zusätzlich notwendig, die Situation in den einzelnen Ländern separat zu beleuchten, damit die Übersterblichkeit durch COVID-19 richtig eingeschätzt werden kann", sagte er in einem Statement.

Für Deutschland haben die Statistiker eine solche separate Berechnung durchgeführt, nachdem das Ergebnis in der ersten Version ihrer Studie mit 195.000 zusätzlichen Todesfällen noch viel höher war. Trotz der Überarbeitung ist die Lücke zu den deutschen Statistiken aber geblieben.

Ulmer hebt hervor, dass es auch für andere Länder Auffälligkeiten gibt. So habe Peru laut der Studie die weltweit höchste Übersterblichkeit während der Pandemie gehabt. "Dort ist es aber offenbar zusätzlich zu starken Denguefieber-Ausbrüchen gekommen." Er sehe die Studie daher nicht als eine Schätzung Zahl der Covid-19-Toten, "sondern als Arbeit zur Übersterblichkeit in den Pandemiejahren 2020 und 2021. Ein kleiner, aber feiner Unterschied, der ja nach Land und Region stark variieren kann."

(ens/smc)

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